Der Kampf gegen Berge von Plastikmüll
Umwelt Die Uttinger Initiative „Plastik Fasten“will die Bevölkerung sensibilisieren. In Dießen werden kostenfrei Einkaufstaschen aus Stoff verliehen. Warum der Verzicht auf Kunststoff aber nicht immer klappt
Utting/Dießen „Plastik Fasten“nennt sich eine neue Initiative in Utting. Sie hat das Ziel, auf Probleme hinzuweisen, die Plastik weltweit verursacht, und gleichzeitig Alternativen aufzuzeigen. Bereits seit dem vergangenen Jahr gibt es in Dießen die Initiative „Plastiktütenfreies Dießen“. Markus Guddat von Greenpeace München, Dr. Frederic Höcker vom gleichnamigen Familienunternehmen (Rewe Utting und Herrsching) sowie Sylvia Haslauer vom Bio-Markt La Vida informierten jüngst zu den Themen Recycling, Mikroplastik und Meeresverschmutzung, aber auch darüber, wie schwierig es ist, Plastiktüten und -verpackungen im Einzelhandel durch umweltfreundlichere Produkte zu ersetzen.
Plastikmüll zersetzt sich, wird zu Mikroplastik, dadurch werden Schadstoffe frei. Zudem lagern sich im Wasser gelöste Giftstoffe an Mikroplastik an. Plastiktüten zum Beispiel werden immer häufiger dort gefunden, wo sie nicht hingehören: Im Wald, in Walfischmägen, und sogar im Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Weltmeere, haben Forscher sie vergangene Woche entdeckt. Weltweit bemühen sich deshalb viele Staaten und Initiativen wie die in Utting und Dießen darum, dass zum Beispiel weniger Plastiktüten gekauft werden.
Sylvia Haslauer betreibt nicht nur ihren Bio-Markt möglichst plastikarm, sondern bietet viel lose Ware und Pfandgläser an. Sie ist im Verpackungsbeirat des Bundesverbandes Naturwaren. Immer wieder fragt sie bei Herstellern nach und findet neue Produkte. Immer wieder zeige sich aber: So einfach kann man Plastik aber weder reduzieren noch ersetzen. Haslauer probierte große Kanister mit Wasch- und Putzmitteln, aus denen für die Kunden in mitgebrachte Gefäße abgefüllt werden kann – was einen großen Aufwand für den Marktbetrieb bedeutet, der sich nicht lohnt: Durch Nachfragen beim Hersteller erfuhr Haslauer, dass das Plastik bei großen Kanistern dicker sein muss; dadurch reduziere sich aber die Einsparung auf gerade einmal 14 Prozent. Ein anderer Hersteller, der Müsliflocken und Cornflakes liefert, stellte auf Papierverpackungen um, wollte zudem das Plastik des Sichtfensters einsparen und ersetzte es durch Pergament. „Das funktioniert jedoch bei den Cornflakes nicht, sie werden matschig“, resümierte Haslauer.
Anhand weiterer Beispiele aus der Praxis machte auch Dr. Frederic Höcker deutlich, warum Plastikverzicht im Einzelhandel aus seiner Sicht schwierig ist. Unter anderem liege das auch an Hygienevorschriften und Nachweispflichten, zum Beispiel bei Bio-Ware. Deshalb erhalte die Bio-Gurke oftmals eine Plastikverpackung, auch, um sie vor Kontaminierung durch Nicht-BioWare zu schützen. Auch an der Wursttheke sei der Verpackungsverzicht nicht ganz einfach: Zwar können Kunden ihre eigenen Boxen mitbringen, jedoch dürfen diese die Theke nicht passieren. Das sei ja noch zu handhaben, so Höcker. Aber wie geht man damit um, wenn die Box nicht gründlich gereinigt war, die Wurst darin zu Hause beim Kunden schlecht wird und der Kunde mangelnde Qualität reklamiert? „Der Kunde gibt die Richtung vor“, betonte Höcker. Allein der Verzicht auf den Clip an der Nudelverpackung spare zehn Tonnen jährlich. Höcker warnte aber vor Greenwashing – so seien Maistüten nicht umweltfreundlich. Plastikverpackungen im Laden zu lassen, lohnt sich übrigens, und zwar auch für die Inhaber – die Rückgabe wird ihnen nämlich vergütet. Frederic Höckers Tipps für Plastikvermeidung: lose, saisonale und regionale Ware kaufen, eigene Dosen für den Fleisch-, Wurst- und Käseeinkauf sowie Einkaufstaschen mitbringen, Glasflaschen statt Einweg.
Bereits seit dem vergangenen Jahr gibt es in Dießen die Initiative „Plastiktütenfreies Dießen“. Die treibenden Kräfte sind Miriam Anton und Monika Glas. Wie Miriam Anton berichtet, sei ihr Weg bislang durchaus erfolgreich. Viele Läden, darunter auch Supermärkte, böten inzwischen keine Plastiktüten mehr an. „Wir haben da zum großen Teil
Selbst am tiefsten Punkt der Weltmeere zu finden
Stofftaschen-Station am Dießener Rathaus
offene Türen eingerannt“, so Anton. Auch die Stofftaschen-Station am Rathaus sei gut angekommen. Dort kann sich jeder, der gerade eine Tasche zum Einkaufen brauche, eine ausleihen. Jedoch sollte er sie auch zurückbringen – das wiederum klappe laut Anton derzeit noch nicht so gut.
So, wie es die Uttinger Aktiven in Utting praktiziert haben, will auch sie demnächst einen Flyer in Dießen verteilen. Der Uttinger Flyer zeigt den mit Plastikmüll in Säcken beladenen Sprungturm des Strandbades. 2017 hätte der Plastikmüll pro Kopf in der Bevölkerung bei 35 Kilogramm gelegen. Das solle sich mit der Aktion ändern. Der Dießener Flyer wird dazu korrespondierend einen müllbeladenen Dampfer zeigen. Anton wünscht sich, dass sich die Aktion auch in anderen Gemeinden verbreitet. Diese könnten das Layout des Flyers nutzen.