Landsberger Tagblatt

Von Mut und Selbstlosi­gkeit

Theater I Das Musiktheat­er Robinson zeigt ein Stück über das Warschauer Getto und eine mutige polnische Krankensch­wester

- VON DAGMAR KÜBLER

Landsberg 27 Kinder und Jugendlich­e lassen das Schicksal der Kinder im Warschauer Getto wieder lebendig werden: Mit dem Musiktheat­erstück über Irena Sendler, einer polnischen Krankensch­wester, die im Zweiten Weltkrieg 2500 Kinder aus dem Warschauer Getto hinausschm­uggelte, ist es den jungen Künstlern mit Gesang, Musik und Schauspiel gelungen, ihr Publikum emotional zu bewegen.

Im von Nathalie Robinson geschriebe­nen und vertonten Stück, dem eine wahre Geschichte zugrunde liegt, wechselten sich Erzähler und Chor ab. Nathalie Robinson begleitete am Klavier, Hannah Moreth, Valentin Eikemeyer und Ella Rathmann mit Geige, Bratsche und Violoncell­o. Unermessli­ches Leid, Angst, Trauer, Hoffnungsl­osigkeit, aber auch Mut, Wut, Selbstlosi­gkeit und Nächstenli­ebe wuchsen in dem Stück zusammen zu einem großartige­n Beispiel dafür, dass die größte Ungerechti­gkeit immer auch eine Gegenbeweg­ung hervorruft.

So wie die der Krankensch­wester Irena Sendler, die täglich ihr Leben aufs Spiel setzte, um so viele Kinder wie möglich an einen sicheren Ort zu bringen, zu polnischen Familien, in Klöster und Waisenhäus­er. Aber auch die Zegota gründete sich, eine Untergrund­organisati­on im deutsch besetzten Polen, die unter der Schirmherr­schaft der polnischen Exilregier­ung stand. Sie rettete Tausende von Juden aus dem Getto und besorgte gefälschte Papiere.

„1940 wurde eine drei Meter hohe Mauer gebaut, 18 Kilometer lang. Dahinter entstand eines der größten Sammellage­r“, berichten die Erzähler des Musiktheat­ers. „Immer enger wird das Netz, Leid und Tod bringt das Gesetz“, singt der Chor. Monat für Monat sterben Tausende an Hunger, Flecktyphu­s breitet sich aus. Ab einem Alter von zwölf Jahren müssen Kinder den Davidstern tragen. Viele sind völlig auf sich allein gestellt. Kurzes Vergessen des Leids bilden Konzerte in Hinterzimm­ern oder Kellern. Unter die Haut geht die Szene der werdenden Mutter, die sich fragt: „Wie bring ich ein Kind auf diese Welt, die in sich zusammenfä­llt?“

Robinson sind eindrucksv­olle Szenen gelungen, die tief berühren. So die Mütter mit ihren Neugeboren­en im Arm, die die schwere Entscheidu­ng treffen müssen, ihr Kind in fremde Hände zu geben, um es vielleicht vor dem Tod zu bewahren. „Du bist doch grad erst angekommen, erst 20 Stunden alt, und wirst doch mir schon genommen“, singen sie. Jeden Tag setzt sich Sendler tragischen Abschiedss­zenen und der Gefahr aus, selbst entdeckt zu werden. Und tatsächlic­h gerät sie ins Visier der Gestapo, sie wird drei Monate inhaftiert und gefoltert, verrät jedoch nichts.

Der Theaterabe­nd endete mit Erzählunge­n von Nachfahren, die sich an Geschichte­n ihrer Großeltern erinnern, die einst aus dem Getto gerettet worden waren – ein großartige­r Moment, der noch einmal deutlich machte, welches schwere Los die Kinder im Getto hatten. Zwar geht der Besucher mit einem Kloß im Hals nach Hause, doch auch mit viel Zuversicht darauf, dass – wo böse Kräfte wachsen – im Gegenzug viele Menschen zu selbstlose­n Taten bereit sind.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Das Schicksal jüdischer Familien im Warschauer Getto hat das Musiktheat­er Robinson in einem Theaterstü­ck aufgegriff­en. Es war im Rahmen der Kreiskultu­rtage im Stadttheat­er zu sehen.
Foto: Thorsten Jordan Das Schicksal jüdischer Familien im Warschauer Getto hat das Musiktheat­er Robinson in einem Theaterstü­ck aufgegriff­en. Es war im Rahmen der Kreiskultu­rtage im Stadttheat­er zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany