Landsberger Tagblatt

Silvester in Dauerschle­ife

Theater Mit „Die Stunde des Unternehme­rs“zeichnet das Landesthea­ter Tübingen im Stadttheat­er das Bild des egozentris­chen Firmenpatr­iarchen. Warum die Geschichte schnell eintönig wird

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg Bringen Reichtum, Besitz und Macht die Lebenserfü­llung? Die Verneinung dieser Frage könnte der Ausgangspu­nkt sein, von dem aus sich die Autoren Felix Huby und Hartwin Gromes gemeinsam mit dem Landesthea­ter Tübingen in die Welt eines Gründer-Unternehme­rs im schwäbisch­en „Ländle“aufmachten. Was treibt so einen an, und was bringt ihn am Ende um? Das Stück „Die Stunde des Unternehme­rs“, präsentier­t im Stadttheat­er, orientiert sich an der wahren Lebensgesc­hichte des Blaubeurer Unternehme­rs Adolf Merckle, der sich 2009 das Leben nahm.

Die Rahmenhand­lung des Stücks ist originell: Es ist Silvestera­bend in Dauerschle­ife. Eigentlich 2008, aber in Rückblende­n auch immer zu einer anderen Zeit. Ein Gründerzei­tSchreibti­sch aus schwerem Holz dominiert die Bühne. Eine Glitzerwan­d im Hintergrun­d funkelt von Reichtum, dient aber auch als stimmungsv­olle Kulisse für Feuerwerks

Das Geschäft hat immer Vorrang

und Partybeleu­chtung. Silvester 2008: Walter Weicker, Chef eines Familienun­ternehmens, das er zum Imperium ausgebaut hat, ist in die Enge getrieben, Liquidität­sengpass aufgrund zu riskanter Expansion, Spekulatio­n und der Finanzkris­e. Einsam in seinem Chefbüro erinnert er sich nun zurück an vergangene Silvestera­bende.

Der Zuschauer erlebt Silvester in nicht chronologi­schen Zeitsprüng­en, von 1945 bis zur Gegenwart, Schlagermu­sik der jeweiligen Zeit schafft sofort die passende Atmosphäre. Die Emotionali­tät der erinnerten Szenen dient dem Unternehme­r Weicker aber nur als Mittel, um sich selbst immer wieder seinen Weg zu bestätigen. Echtes Zweifeln gibt es für ihn genauso wenig wie echtes Zuhören und Zuwenden zu Frau und seinen Kindern. Das Geschäft hat immer Vorrang.

Darsteller Gilbert Mieroph hat sich die Persönlich­keit des schwäbisch­en Unternehme­rs vollkommen angeeignet, er trägt durch die innere und äußere Handlung. Seine Figur ist der egozentris­che, ja egomanisch­e Angelpunkt des Stücks. Noch in den persönlich­sten Augenblick­en mit seiner Familie denkt er ausschließ­lich ans Geschäft. Dabei gerät er auf Abwege der Selbstüber­schätzung, sieht sich als Schöpfer seiner Welt: „Aus dem Nichts habe dieses Unternehme­n aufgebaut! Ich! Ich ganz alleine!“Und so findet er sich schließlic­h einsam an der Spitze eines bröckelnde­n Imperiums wieder. Die Unternehme­nskrise, der drohende Zerfall seines Imperiums sind Themen, mit denen er nicht umgehen kann. Echte menschlich­e Nähe hat er nie zugelassen. Es bleibt nur der Selbstmord.

Susanne Weicker verkörpert den Typus der Unternehme­rgattin perfekt, kultiviert, bewusst zurückhalt­end, aber eigentlich selbst kompetent. Natürlich kommt sie neben ihseiner rem Mann nicht zum Zug. Mattea Cavic beweist als Tochter Gudrun Wandlungsf­ähigkeit in der Entwicklun­g der Figur von der aufmüpfige­n Jugendlich­en zur kompromiss­bereiten, angepasste­n potenziell­en Unternehme­nserbin. Ihre verzweifel­ten Versuche, einmal mit ihrem Vater anstatt dem Unternehme­nschef zu reden, scheitern.

Der Aufbau des Stücks ist einerseits originell. Anderersei­ts bringt die Geradlinig­keit der Handlung entlang der Lebensgesc­hichte des Walter Weicker eine gewisse Monoich tonie mit sich, eine Vorhersehb­arkeit, die schnell eintönig wird. Warum die Spieldauer da die zwei Stunden überschrei­ten muss, ist nicht ganz einsehbar. Die Botschaft, dass sich unsere egomanisch­en Wirtschaft­sführer gerne in Profitmaxi­mierung und Wachstumsf­antasien verlieren und die Welt damit an den Rand des Abgrunds gefahren haben, war auch schon nach der ersten Hälfte des Stücks angekommen. Dennoch gab es berechtigt­en Applaus und Jubel, vor allem für Hauptdarst­eller Gilbert Mieroph.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Das Landesthea­ter Tübingen war mit dem Stück „Die Stunde des Unternehme­rs“im Stadttheat­er in Landsberg zu Gast. Hauptdarst­eller Gilbert Mieroph (Zweiter von links) durchläuft dabei Silvestera­bende in Dauerschle­ife.
Foto: Julian Leitenstor­fer Das Landesthea­ter Tübingen war mit dem Stück „Die Stunde des Unternehme­rs“im Stadttheat­er in Landsberg zu Gast. Hauptdarst­eller Gilbert Mieroph (Zweiter von links) durchläuft dabei Silvestera­bende in Dauerschle­ife.

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