Die unbekannte Seite
Konzert Franz Lichtenstern hat selten gespielte Stücke für seine Kammermusik ausgesucht
Landsberg „Immer, wenn die Stücke noch nicht so alt sind, ist der Besuch schwächer.“Das habe sich so eingespielt, meinte Franz Lichtenstern mit einem Schmunzeln zu Beginn des letzten Konzertabends der Saison 2018/2019. Der Bibliothekssaal im Agrarbildungszentrum, wo die von Lichtenstern initiierte und noch immer organisierte Kammermusikreihe seit zehn Jahren Garant ist für gewohnt Klassisches, aber auch Ungewöhnliches, Ausgefallenes, war aber schon locker gefüllt, der Besuch mehr als zufriedenstellend.
Zehn Musiker waren für das Konzert mit dem Titel „Oper in der Kammer“angereist, im Gepäck hatten sie neben ihren Instrumenten, Partituren von selten gespielten Werken. Der etwas befremdliche Titel spielte auf die Komponisten an, von denen ausnahmsweise einmal Kammermusik zur Aufführung kam. Alle drei haben vor allem Opern geschrieben und sind dem Musikkenner auch dafür bekannt. Die Tür zur unbekannten Seite einen Spalt breit zu öffnen und die meisterliche Kunst von Cerha, Verdi und Rimski-Korsakow auch in reduzierter instrumentaler Form zu zeigen, hatte sich gelohnt.
Die Musiker konnten wahre Ohrenschmäuse servieren und damit die Lust auf die neue Saison im Herbst befeuern. Zu Beginn wurde eine Komposition mit gehobenem Anspruch an alle, Akteure wie Zuhörer aufgelegt. Das Klarinettenquintett von Friedrich Cerha aus dem Jahr 2004 erforderte höchste Konzentration der Künstler und genaues Zuhören der Gäste. Es beginnt feurig, fast gewalttätig, kommt im zweiten Satz ein wenig zur Ruhe, um nach einem kurzen Intermezzo im vierten Satz noch einmal aufzubrausen und nach etlichen musikalischen Turbulenzen in eine fast träumerische Heiterkeit zu gleiten und unerwartet zu enden.
Guiseppe Verdi hat ein einziges Streichquartett geschrieben, das durften die Konzertbesucher als nächstes genießen. Wobei auch dieses Werk höchsten Ansprüchen genügte: Verdi schien in die vier Sätze alles hineingepackt zu haben, wofür er bei einer Oper mehrere Stunden Zeit hat. Ein wenig Aida klang an, aber auch an Quartette von Komponisten der Klassik wurde der Zuhörer erinnert. Besonders schön und auffällig dabei: Die Fuge des vierten Satzes.
Ein Quintett für Bläser und Klavier setzte den Schlusspunkt unter die aktuelle Konzertsaison. Nikolai Rimski-Korsakow schuf mit dieser Komposition nicht einfach eine Sonate nach klassischem Muster. In diesem Quintett haben alle Bläser und auch der Pianist Solostellen. Interessant ist dabei vor allem der vom Waldhorn mit langen, schlanken Passagen angeführte zweite Satz. Überhaupt hatte der Komponist vor allem den beiden tiefen Instrumenten, neben dem Horn war es das Fagott, viel Raum zur Entfaltung gegeben. So dominierten nicht wie meist, die hohen Töne und die Musik wurde zur runden, in sich stimmigen Sache. Im dritten Satz, den die fünf Musiker leicht und luftig, mit viel Spielfreude interpretierten, wurde das noch einmal deutlich.