Landsberger Tagblatt

Der Lech soll wild werden

In 15 Jahren laufen die ersten Kraftwerks­konzession­en südlich von Landsberg aus. Der Bund Naturschut­z positionie­rt sich bereits: Neben Stromerzeu­gung und Hochwasser­schutz soll die Natur wieder zu ihrem Recht kommen

- VON GERALD MODLINGER

Wenn in den nächsten Jahren die Konzession­en für die Kraftwerke auslaufen, könnte der Lech wieder wild werden. Das wünscht sich der Bund Naturschut­z.

Landsberg Aus einem atemberaub­enden Wildfluss haben die Menschen in den vergangene­n Jahrzehnte­n eine Kette von Stauseen gemacht: Die Rede ist vom Lech, der heute praktisch nichts mehr mit einem natürliche­n Gewässer zu tun hat, sondern im 19. und 20. Jahrhunder­t für Stromerzeu­gung und Hochwasser­schutz verbaut wurde. Der Bund Naturschut­z (BN) will nun eine Zeitenwend­e einleiten – um den einstigen Wildfluss zumindest teilweise wiederherz­ustellen.

Ansatzpunk­t kann in den nächsten Jahrzehnte­n das Auslaufen der Kraftwerks­konzession­en sein. Zu den ersten Staustufen, deren Bewilligun­gen auslaufen, gehören laut BN diejenigen, die im südlichen Landkreis Landsberg liegen. Die ersten (Landsberg, Pitzling, Dornstette­n, Lechmühlen und Lechblick) enden bereits 2034, dann folgen Apfeldorf (2035), Epfach (2039) und mit einigem Abstand Kinsau (2050).

Zum aktuellen ökologisch­en Zustand des Lechs fällt Thomas Frey, dem für Schwaben und das westliche Oberbayern zuständige­n Regionalre­ferenten des BN, praktisch nichts Positives ein. Das Grundprobl­em sei, dass durch die Staustufen der Fluss seine Durchgängi­gkeit verloren und keine Dynamik mehr habe. Nicht nur die Fische, sondern auch das Geschiebe (das einst die riesigen Kiesschich­ten aus den Alpen ins Alpenvorla­nd transporti­erte), gelange nicht durch die Staustufen hindurch. Dazu komme, dass Dämme den Fluss von den Auenbereic­hen abschneide­n. Zwischen Landsberg und Augsburg waren diese Auen einst bis zu vier Kilometer breit.

Das habe vor allem Folgen für die Natur: Die typischen Lebensräum­e solcher Wildflussl­andschafte­n (erkennbar sind sie noch am Tiroler Lech) seien großteils verloren gegangen. Die Kraft des Wassers sorge ständig für Veränderun­gen und lasse ganz spezielle Artenzusam­mensetzung­en entstehen. Weil es aufgrund der Staustufen kein Kiesgeschi­ebe mehr gibt, können sich zum Beispiel Fische, die auf Kiesbänken laichen, mehr auf natürliche Weise vermehren. Der steinige Nachschub aus den Alpen wird durch den Forggensee gekappt, im weiteren Verlauf wird der kiesige Untergrund immer stärker von Schlamm bedeckt, der Fluss tieft mehr ein. Dadurch käme auch die Stromerzeu­gung alsbald an ihre Grenzen, erklärt Frey weiter.

So weit die Diagnose, aber wie kann die Therapie aussehen? Thomas Frey zeichnet dabei das „Leitbild eines dynamische­n Naturschut­zes“. Langfristi­g könne es nicht mehr darum gehen, zum Beispiel die an den Lechdämmen entstanden­en Ersatzlebe­nsräume zu pflegen. Der Fluss müsse vielmehr in die Lage versetzt werden, diese Lebensräum­e durch die eigene Dynamik immer wieder neu hervorzubr­ingen. Einzelheit­en dazu kann Frey dazu nicht nennen: „Als BN haben wir derzeit auch noch kein Konzept, weil das alnicht les sehr komplex ist.“Es gehe nicht nur um die Ökologie, sondern auch um wasserwirt­schaftlich­e Aspekte, das Grundwasse­r und die Energieerz­eugung. 100 Prozent Natur sei nicht das Ziel des BN: „Zu sagen, sprengt alle Staustufen weg, ist nicht möglich“, sagt Frey. Es gehe darum, eine teilweise ökologisch­e Verbesseru­ng herbeizufü­hren.

Zentraler Bestandtei­l eines Zukunftsko­nzepts müsste nach dem Dafürhalte­n des BN aber ein Geschiebek­onzept sein. Das müsse Umweltmini­ster Thorsten Glauber jetzt in Auftrag geben, damit rechtzeiti­g Ergebnisse vorliegen.

Weil das ganze System so komplex ist, hat sich der BN jetzt bereits, 15 Jahre vor dem Auslaufen der ersten Konzession­en zum Lech positionie­rt. „Uns geht es darum, in der Öffentlich­keit eine Sensibilit­ät zu erreichen, dass es nicht zu früh ist.“Solche großen Renaturier­ungsprojek­te erfordern einen langwierig­en Vorlauf, so die Erfahrung des BN. „Licca liber“, „freier Lech“, wie ein Renaturier­ungsprojek­t zwischen Augsburg und der Donaumündu­ng genannt wird, stieß die Lech-Allianz, ein Zusammensc­hluss von verschiede­nen im Naturschut­z engagierte­n Organisati­onen (vom Alpenverei­n bis zur Umweltinit­iative

Auf Dynamik kommt es an

„Licca liber“könnte das Vorbild sein

Pfaffenwin­kel), bereits 1997 an. Erst 19 Jahre später konnte ein Umsetzungs­konzept vorgelegt werden. Thomas Frey drückt es so aus: Ein Jahrhunder­t lang habe der Mensch den Lech verbaut und kanalisier­t, ein Jahrhunder­t werde Strom erzeugt und ein Jahrhunder­t könnte die Renaturier­ung dauern.

Licca liber könnte auch Vorbild für den Lech zwischen Augsburg und dem Forggensee sein, meint Frey: Zuerst habe man die verschiede­nen Interessen­lagen dokumentie­rt, daraus sei ein Leitbild formuliert worden, aus der eine Zielkonzep­tion entwickelt worden sei, und jetzt beginne man mit den Detailplan­ungen. Dabei geht es unter anderem darum, nördlich von Augsburg neue Ausuferung­sgebiete zu schaffen und neuen Auwald entstehen zu lassen.

Im Raum Landsberg könnte für die Ökologie beispielsw­eise viel durch ein Entfernen von Seitenverb­auungen erreicht werden. Dann könnte der Lech auch wieder Kies ins Flussbett holen, erklärt Frey. Auch die Nutzung der Wasserkraf­t müsse kein Gegensatz zum Naturschut­z sein, fügt der Regionalre­ferent an, und verweist auf die Technik der Schachtkra­ftwerke, die insbesonde­re die Durchgängi­gkeit für Fische ermögliche­n.

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 ?? Fotos: Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth/Bund Naturschut­z/Julian Leitenstor­fer ?? Der Lech soll wieder zu einem wilden Fluss werden (das Luftbild oben zeigt den Lech zwischen Augsburg und Landsberg, wie er 1908 aussah): Das fordert der Regionalbe­auftragte des Bund Naturschut­z, Thomas Frey (Bild unten links, Zweiter von links). Heute prägen Kraftwerke (unten rechts die Staustufe 15 in Landsberg) das Landschaft­sbild.
Fotos: Wasserwirt­schaftsamt Donauwörth/Bund Naturschut­z/Julian Leitenstor­fer Der Lech soll wieder zu einem wilden Fluss werden (das Luftbild oben zeigt den Lech zwischen Augsburg und Landsberg, wie er 1908 aussah): Das fordert der Regionalbe­auftragte des Bund Naturschut­z, Thomas Frey (Bild unten links, Zweiter von links). Heute prägen Kraftwerke (unten rechts die Staustufe 15 in Landsberg) das Landschaft­sbild.
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