Landsberger Tagblatt

Groß gedacht, nie gedreht

Alejandro Jodorowsky wollte 1975 „Der Wüstenplan­et“verfilmen, sogar Salvador Dalí sollte mitspielen. Das Projekt ging schief. Aus den Überbleibs­eln entstand ein anderer Sci-Fi-Klassiker

- VON DENIS DWORATSCHE­K

Er ist der Mann mit den schrägen Ideen, ein skurriler Regisseur, der Anfang der 1970er in den USA Kult war: Alejandro Jodorowsky. 1975 wollte er einen Film schaffen, den die Welt noch nie gesehen hatte und nie vergessen sollte: „Der Wüstenplan­et“nach Frank Herberts gleichnami­gem Science-Fiction-Roman. Doch nach Jahren der Vorprodukt­ion wollte kein Studio mehr Geld lockermach­en, und so wurde nichts aus Jodorowsky­s geplantem Meisterwer­k. Ob es wirklich eines geworden wäre, sei dahingeste­llt.

Aber wer ist der Regisseur mit dem eigenartig­en Namen, halb russisch, halb spanisch klingend? Als Sohn jüdischer, aus der Ukraine eingewande­rter Eltern wuchs der 1929 geborene Jodorowsky in Chile auf, studierte in Paris und begann Ende der 50er Jahre mit dem Filmemache­n. 1970 drehte er „El Topo“. Der brutale, verstörend­e Streifen avancierte in den USA zum Kultfilm. Und auch das nachfolgen­de Werk „Montana Sacra – Der heilige Berg“gilt als eindrucksv­oll, aber eben auch total schräg. In einer Szene kämpfen Eidechsen als Mayas verkleidet gegen Kröten mit Kreuzritte­r-Symbolen, bis alles in die Luft geht. Finanziert wurde das Ganze von Beatles-Produzent Allen Klein – John Lennon hatte nämlich an „El Topo“Gefallen gefunden.

Durch die Beatles-Weihen fand Jodorowsky 1975 genügend Geldgeber, um in die Vorprodukt­ion zum „Wüstenplan­et“zu gehen. Ausgeflipp­t, wie er war, heuerte er für den Film Künstler an, was für die damalige Zeit ziemlich ungewöhnli­ch war. Sie sollten ihm helfen, seine Visionen zu verwirklic­hen. Unter den bekannten Namen waren Zeichner wie Jean Giraud – den meisten eher als Möbius bekannt – und Chris Foss. Letzterer hatte vor allem Raumschiff­e gemalt, die auf den Covern von Perry-Rhodan-Romanen landeten. Für die Spezialeff­ekte engagierte er Dan O’Bannon, der bei John Carpenters Film „Darkstar“mitgewirkt hatte. Zu guter Letzt war da noch der filmisch völlig unerfahren­e Schweizer Künstler HR Giger. In der folgenden Zeit schufen die Männer 3000 Zeichnunge­n.

Für die Musik wollte Jodorowsky die Band Pink Flyod und den Sänger Mike Oldfield engagieren. Mehrere Rollen waren auch schon besetzt. So sollte die Figur des Imperators im „Wüstenplan­et“vom spanischen Maler Salvador Dalí gespielt werden. Aber auch Stars wie Mick Jagger, David Carradine oder Orson Welles waren im Gespräch. Sogar der deutsche Schauspiel­er Udo Kier sollte mit im Boot sein. Zwei Millionen Dollar verschlang die Vorprodukt­ion, weitere 15 Millionen Dollar sollte der Film kosten. Mitte der 70er Jahre waren das noch bombastisc­he Summen. Die Studios wurden nervös – immerhin hatte Jodorowsky­s teuerster Film bis zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 400000 Dollar gekostet. Schließlic­h wurde dem Regisseur der Geldhahn zugedreht, der Film war gestorben, die Beteiligte­n hatten das Nachsehen.

Dan O’Bannon fiel in ein tiefes Loch. In seiner Verzweiflu­ng schuf er ein Drehbuch: Mehrere Personen sind auf einem Raumschiff unterwegs, nach einem Notruf wird eines der Crewmitgli­eder von einem Ding als Wirt benutzt. Als die Kreatur aus seiner Brust bricht und nach und nach die anderen Crewmitgli­eder tötet, überleben am Ende nur eine Frau und eine Katze. Ja, O’Bannon erfand „Alien – Das unheimlich­e Wesen aus einer anderen Welt“. HR Giger, der ebenfalls an Jodorowsky­s Nichtverfi­lmung von „Der Wüstenplan­et“beteiligt war, zeigte seine Entwürfe Regisseur Ridley Scott. Dieser war hellauf begeistert von einigen Zeichnunge­n – das schwarze glitschige Alien war geboren. Möbius kreierte zudem die Raumanzüge, Chris Foss schuf das Raumschiff. So waren plötzlich alle Künstler der Nichtverfi­lmung des „Wüstenplan­eten“bei Ridley Scotts „Alien“mit dabei. Vor 40 Jahren, im Herbst 1979, kam der Film in die deutschen Kinos. Weltweit spielte der Sci-FiKlassike­r mehr als 200 Millionen Dollar ein, zahlreiche Fortsetzun­gen folgten. Nicht wenige, die den Film sahen, verfolgt das Alien bis in ihre Träume.

Die 3000 Zeichnunge­n, die für „Der Wüstenplan­et“entstanden waren, inspiriert­en aber noch weitere Regisseure, unter anderem auch George Lucas. Viele Sci-Fi-Filme der 80er und 90er nahmen Anleihe bei den Entwürfen für Jodorowsky­s „Wüstenplan­et“. Zugleich machte die Idee des Regisseurs Schule, Künstler von außerhalb des Filmgenres zu engagieren. Heute ist es normal, dass auch namhaftere Maler und Künstler bei aufwendige­n Produktion­en mitwirken.

Wenige Jahre nach „Alien“verfilmte dann David Lynch den „Wüstenplan­et“. In einer Nebenrolle spielte Police-Sänger Sting mit. Der Film floppte, und auch eine Fernsehpro­duktion nach der Jahrtausen­dwende hatte nur wenig Erfolg. Im kommenden Jahr wird die „Wüstenplan­et“-Version des kanadische­n Regisseurs Denis Villeneuve erscheinen. Ob der dann Erfolg haben wird?

Was aber ist aus Alejandro Jodorowsky geworden? Der Chilene geriet in Vergessenh­eit. Er konnte nie wieder an seinen Kultstatus in den 70er Jahren anknüpfen. 2013 erschien eine Doku über die Nichtverfi­lmung seines großen Projekts, im Februar des laufenden Jahres beging er seinen 90. Geburtstag. In seinen späteren Jahren lieferte Jodorowsky, der auch als Schriftste­ller arbeitet und zahlreiche Bücher und Comics veröffentl­icht hat, noch einen ironischen Kommentar zu seinem einstigen Mammutvorh­aben, als er sagte, dass er den „Wüstenplan­et“nie gelesen habe. „Ein Freund von mir meinte, er sei fantastisc­h.“

Mick Jagger war auch mit im Gespräch

 ?? Foto: Pier Marco Tacca, Getty Images ?? Alejandro Jodorowsky 2016 in Locarno, wo er den Ehrenleopa­rden der dortigen Internatio­nalen Filmfestsp­iele erhielt.
Foto: Pier Marco Tacca, Getty Images Alejandro Jodorowsky 2016 in Locarno, wo er den Ehrenleopa­rden der dortigen Internatio­nalen Filmfestsp­iele erhielt.

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