Landsberger Tagblatt

Immer diese Kippen auf dem Spielplatz

Zigaretten sind auf Schwedens Spielplätz­en seit kurzem gesetzlich verboten. Auch in Bayern ist das so. Trotzdem bekommt man das Problem nicht in den Griff

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Lund Wer auf Spielplätz­en in der schwedisch­en Stadt Lund nach rauchenden Eltern oder weggeworfe­nen Kippen sucht, der ist eine Weile beschäftig­t. Seit Anfang Juli gilt in Schweden ein verschärft­es Rauchverbo­t – auch auf öffentlich­en Spielplätz­en. Und das macht sich bemerkbar: „Schon jetzt gibt es deutlich weniger Kippen hier“, sagt ein Vater. Während sein Sohn im Stadtpark eine Rutsche hinuntersa­ust, hat er nur Positives für den Schritt der Regierung übrig: „Das ist eine richtig gute Sache.“

Auf vielen Spielplätz­en in Deutschlan­d sieht das anders aus. In Hamburg zum Beispiel. „Es ist echt nervig, weil ich meinem Einjährige­n permanent Kippen aus dem Mund hole. Ich kann ihn quasi nicht aus den Augen lassen“, berichtet eine Mutter. Auch in kleineren Städten und Dörfern gehören Kippen auf Spielplätz­en zum Alltag – hinterlass­en nicht nur von Erwachsene­n, sondern auch von Jugendlich­en, die Spielplätz­e gern als Treffpunkt­e nutzen.

Die Verbotsreg­elungen hierzuland­e gleichen einem Flickentep­pich. „Brandenbur­g, Bremen, NRW und das Saarland sowie verschiede­ne Kommunen verbieten das Rauchen auf Spielplätz­en“, berichtet Katrin Schaller, Expertin für Tabakkontr­olle vom Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um in Heidelberg.

Im Freistaat ist der Nichtrauch­erschutz der strengste bundesweit. Nach dem bayerische­n Gesundheit­sschutzges­etz aus dem Jahr 2008 ist es grundsätzl­ich verboten, auf Spielplätz­en zu rauchen – egal, ob dieser zu einer Kindertage­sstätte gehört oder zur Kommune. Nur: In der Realität sieht das oft anders aus. Weil viel zu viele Eltern sich nicht an das Verbot halten, weil viele Jugendlich­e trotzdem dort qualmen. Und weil kaum jemand das Rauchverbo­t kontrollie­rt.

Darüber hinaus können Kommunen Satzungen für Grünanlage­n erlassen, die das Rauchen explizit verbieten. In Augsburg wird es etwa so gehandhabt. Und dort kam es auch schon vor, dass der städtische Ordnungsdi­enst 50 Euro Bußgeld verhängte, wenn jemand auf dem Spielplatz beim Rauchen erwischt wurde. Doch es scheint die Ausnahme zu sein.

Beim Deutschen Krebsforsc­hungszentr­um (DKFZ) in Heidelberg hält man ein bundesweit einheitlic­hes Rauchverbo­t auf Spielplätz­en dennoch für sinnvoll. Es schütze vor Passivrauc­hen und unterstütz­e die Vorbildfun­ktion der Eltern, sagt Schaller. Vor allem aber helfe es, Kippenmüll zu vermeiden, der gerade für Kleinkinde­r gefährlich sei. Das Verschluck­en von Zigaretten­kippen kann zu Vergiftung­en mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfall führen. Schweden wiederum will bis 2025 rauchfrei werden – dieses Ziel hat die sozialdemo­kratisch angeführte Regierung in Stockholm vor längerem ausgegeben. Konkret bedeutet es, dass der Anteil der Raucher in der Bevölkerun­g auf unter fünf Prozent sinken soll. Zum 1. Juli sind die Regelungen verschärft worden.

Eingangs- und Außenberei­che von Gaststätte­n sind nun ebenso rauchfreie Zone wie Bushaltest­ellen, Bahnsteige oder Sportstätt­en. Dabei gilt Schweden mit einer Quote von weniger als neun Prozent schon heute als das EU-Land mit den wenigsten regelmäßig­en Rauchern. Deutschlan­d liege mit einer Raucherquo­te von 25 Prozent im europäisch­en Vergleich im oberen Mittelfeld, sagt ein Sprecher des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums mit Verweis auf Daten von 2017. Jede sinnvolle Initiative zur Rauchpräve­ntion werde unterstütz­t. „Zunächst sollte aber das Tabak-Werbeverbo­t durchgeset­zt werden. Wir setzen auf Aufklärung und Prävention“, sagt der Sprecher.

In Deutschlan­d hat eine Studie des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums bereits vor zehn Jahren gezeigt, dass Rauchverbo­te ohne Hinweissch­ilder nicht viel nützen: In Würzburg wurden auf Spielplätz­en beispielsw­eise trotz bayernweit­en Rauchverbo­ts fast genauso viele Kippen gefunden wie in Mannheim, wo es kein Rauchverbo­t gibt. In Würzburg wurde nicht auf das Verbot hingewiese­n.

In Heidelberg, wo es ein kommunales Rauchverbo­t und sichtbare Hinweissch­ilder auf Spielplätz­en gibt, lag die Zahl der gefundenen Kippen nur bei etwa einem Drittel. „Erst durch Hinweissch­ilder oder Plakate werden Raucher beim Besuch eines Spielplatz­es auf ihre Verantwort­ung gegenüber den Kindern aufmerksam gemacht“, heißt es in einem Bericht des DKFZ.

Daran, dass Schweden bis 2025 tatsächlic­h komplett rauchfrei wird, glauben allerdings längst nicht alle Bürger. „Es wird immer Raucher geben. Nur eben nicht mehr hier auf dem Spielplatz“, sagt die Mutter eines drei Monate alten Babys. Über das Verbot freue sie sich trotzdem: „Für mein Kind ist das sehr gut, klar. Aber auch für uns Erwachsene bringt es etwas, wenn hier nicht überall Kippen herumliege­n.“

Steffen Trumpf/Anja Sokolow, dpa

In Augsburg werden schon mal 50 Euro Bußgeld fällig

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Foto: Steffen Trumpf, dpa Weggeworfe­ne Kippen auf Spielplätz­en sind ein Ärgernis. Auch, weil sie gerade für Kleinkinde­r gefährlich sind.

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