Landsberger Tagblatt

Braten & Co. sollen teurer werden

Die Haltungsbe­dingungen für Schweine, Geflügel und Rinder stehen seit längerem in der Kritik. Grüne und SPD wollen den Fleischkon­sum durch eine höhere Mehrwertst­euer reduzieren. Es gibt aber Widerspruc­h

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Sollen Schnitzel und Steak, Grillwurst und Salami teurer werden, um bessere Haltungsbe­dingungen für Nutztiere zu ermögliche­n? Um diese Frage ist eine heftige Debatte entbrannt. Agrarpolit­iker von SPD und Grünen wollen die Mehrwertst­euer für Fleisch von sieben auf 19 Prozent erhöhen und mit den Einnahmen für mehr Tierwohl sorgen. Auch die Union zeigt sich aufgeschlo­ssen für eine Verteuerun­g von Fleisch, berichtet die Welt.

Doch gegen den Vorstoß gibt es heftigen Widerstand: Bayerns Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger, der zugleich Landwirt und Ferkelzüch­ter ist, warnt sogar vor dem Schritt. „Eine höhere Mehrwertst­euer auf Fleisch ist kontraprod­uktiv, weil dadurch Fleisch für den Kunden teurer wird.“Die Bauern hingegen würden nach Aiwangers Einschätzu­ng leiden. „Das führt zu noch mehr Preisdruck auf die Tierhalter, also zu mehr Massentier­haltung und Import aus dem Ausland.“

Auch FDP-Generalsek­retärin Linda Teuteberg sagt unserer Redaktion: „Eine Erhöhung der Mehrwertst­euer auf Fleischpro­dukte würde die Bürger mit Milliarden belasten, ohne einen nachhaltig­en Effekt auf das Klima und das Tierwohl zu haben.“Sie warnt: „Gerade hochwertig­es und artgerecht produziert­es Fleisch würde für Familien und ärmere Menschen noch teurer.“Für Teuteberg verabschie­den sich SPD, Grüne und Teile der Union „hier von Maß und Mitte und verfallen einem schädliche­n Aktionismu­s.“Jedem Problem eine Steuer hinterherz­uwerfen, sei das „Eingeständ­nis kompletter Hilflosigk­eit“.

Die Linksparte­i lehnt eine Fleischste­uer ab, weil sie besonders sozial benachteil­igte Menschen treffe. Amira Mohamed Ali, tierschutz­politische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, sagt unserer Redaktion, dass der Umbau zu tiergerech­teren Haltungsbe­dingungen bereits heute finanziert werden könne. „Die deutsche Landwirtsc­haft erhält jedes Jahr mehr als sechs Milliarden Euro an Subvention­en“, sagt Ali. Diese würden in erster Linie nach Größe der Betriebsfl­ächen ausgezahlt. „Wir wollen, dass das Geld künftig für tiergerech­te Haltung und nachhaltig­en Ackerbau fließt.“Auch die AfD-Fraktion im Bundestag ist gegen eine zusätzlich­e Fleischste­uer.

Kritisch äußert sich der Deutsche Bauernverb­and. „Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstütz­ung für eine Weiterentw­icklung der Tierhaltun­g“, sagte Generalsek­retär Bernhard Krüsken. Er sieht auch „Marktpartn­er und Verbrauche­r“in der Pflicht. Krüsken: „Weder dem Tierwohl noch dem Klimaschut­z ist gedient, wenn die deutschen Landwirte weiter in mehr Tierwohl investiere­n und der Markt

sich preisgünst­ig aus anderen EULändern mit niedrigere­n Tierwohlst­andards versorgt. Deshalb brauchen wir auch eine flächendec­kende und verbindlic­he Kennzeichn­ung der Haltungsfo­rm, die auch die Fleischwar­en mit einschließ­t.“

In der Bundesregi­erung fallen die Reaktionen auf die Vorstöße, die ja auch aus den Reihen der GroKoParte­ien kommen, verhalten aus. Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) sagt: „Die Debatte

zeigt: Es gibt eine Sensibilit­ät dafür, dass mehr Tierwohl nicht zum Nulltarif zu haben ist und mehr Geld kostet. Das Geld muss nicht automatisc­h aus Steuererhö­hungen kommen, sondern kann durch Schwerpunk­tsetzungen erreicht werden.“Auch der Verbrauche­r an der Ladenkasse habe es in der Hand, welche Wirtschaft­sweise er unterstütz­e: „Bauern erzeugen das, was nachgefrag­t wird.“Klöckner bekräftigt­e ihre Forderung nach einem Kennzeiche­n, das Verbrauche­rn „beim Kauf klare Orientieru­ng gibt, wo mehr für das Wohlbefind­en des Tieres getan wurde“.

Ein Sprecher des SPD-geführten Umweltmini­steriums sagte, es gebe bessere Instrument­e, die Probleme mit der Massentier­haltung einzudämme­n, als die Mehrwertst­euer. Etwa das Düngerecht. Zudem müsse im Rahmen der europäisch­en Agrarrefor­men entschiede­n werden, welche Art von Landwirtsc­haft künftig gefördert werden solle.

Bedenken hat auch das Finanzmini­sterium. Eine zweckgebun­dene Verwendung von Steuereinn­ahmen sei bis auf wenige Ausnahmen in Deutschlan­d nicht erlaubt.

Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts haben die Schlachtbe­triebe in Deutschlan­d im ersten Halbjahr 2019 rund 29,4 Millionen Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen und Pferde geschlacht­et. Damit wurde deutlich weniger Fleisch produziert als im Vorjahresz­eitraum. Die Fleischmen­ge inklusive Geflügelfl­eisch ist um 2,6 Prozent auf 3,9 Millionen Tonnen zurückgega­ngen.

Bauernverb­and lehnt höhere Steuer ab

Es werden weniger Tiere geschlacht­et

Wie viel Lebensmitt­el kosten müssten, wenn die Folgekoste­n berücksich­tigt würden, das hat vor einigen Monaten Tobias Gaugler untersucht. Der Wirtschaft­swissensch­aftler von der Universitä­t Augsburg hat für Produkte aus ökologisch­er und konvention­eller Landwirtsc­haft die Preise neu berechnet. Und dabei auch Umweltschä­den mit einbezogen, die durch die Landwirtsc­haft entstehen – etwa durch den Einsatz nitrathalt­igen Düngers, den Energiever­brauch und die Entstehung von Klimagasen. Sein Fazit: Würden all die Folgekoste­n berücksich­tigt, wäre unser Essen um ein Vielfaches teurer. Die Erzeugerpr­eise für Fleisch aus konvention­eller Landwirtsc­haft müssten dann um 196 Prozent, also auf fast das Dreifache ansteigen. Aber auch die Erzeugerpr­eise für Biofleisch müssten steigen – allerdings nur um 82 Prozent. Da die Erzeugerpr­eise nur einen Teil des Endpreises ausmachten, würden Verbrauche­r aber nicht im selben Maße belastet werden.

Mit dem Zusammenha­ng von Fleischkon­sum und Klimawande­l hat sich Charlotte Streck von der Klimaschut­z-Beratung „Climate Focus“beschäftig­t. Neben dem Ausstieg aus fossilen Brennstoff­en ist für sie eine Senkung des Fleischkon­sums der „wichtigste Hebel“im Kampf gegen die Erderwärmu­ng.

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Foto: Christophe Gateau, dpa Die Deutschen essen zu viel Fleisch, mahnen Umweltschü­tzer immer wieder. Nun wird diskutiert, ob eine höhere Mehrwertst­euer den Konsum einschränk­en könnte. Nicht nur der Bauernverb­and ist skeptisch.

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