So stark belastet Deutschland seine Bürger mit Steuern
Nur wenige Länder verlangen noch mehr Abgaben als die Bundesrepublik
Berlin Die SPD will die Steuern für Wohlhabende erhöhen und sorgt für eine heiße Diskussion – dabei ist Deutschland schon heute ein Land der hohen Abgaben. Ein alleinstehender Arbeitnehmer etwa muss den Zahlen der Industrieländerorganisation OECD zufolge im Schnitt 49,5 Prozent seines Verdienstes abgeben. Nur Belgien greift mit 52,7 Prozent noch stärker zu. In Familien mit Kindern, bei denen nur ein Elternteil arbeitet, ist der Fiskus gnädiger. Sie müssen 34,4 Prozent des Einkommens abführen.
Im Gegenzug für die Abgabenlast bekommen die Steuerzahler einen der am besten ausgebauten Sozialstaaten der Welt. Zu seiner Finanzierung tragen auch die Unternehmen ganz wesentlich bei. Beim Blick auf die Steuerlast der Unternehmen liegt Deutschland im Kreise der Industrieländer ebenfalls weit vorne. Nach den Daten der EU-Kommission beträgt sie 31,7 Prozent. Nur Frankreich kassiert von den Firmen noch mehr.
Bei der Wirtschaft wächst die Sorge, von anderen Ländern abgehängt zu werden. „Während immer mehr Industrieländer ihre Standorte steuerlich attraktiver gestalten, warten die Betriebe bei uns seit mehr als zehn Jahren auf Entlastungen und Vereinfachungen“, sagte der Präsident des Deutschen Industrieund Handelskammertages, Eric Schweitzer, unserer Redaktion.
Das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, kurz ZEW, schaut sich regelmäßig die Bedingungen für Familienunternehmen in wichtigen Wirtschaftsnationen an. Im Ergebnis hat Deutschland zuletzt an Attraktivität verloren. Unter den wichtigsten Industrieländern landet es nur noch auf Rang 16. Im Jahr 2016 reichte es noch für Rang zwölf. Vor allem die Steuerbelastung zog die Bewertung nach unten. DIHK-Chef Schweitzer fordert deshalb, dass die Bundesregierung dem Vorbild Frankreichs oder der USA folgen und die Sätze senken soll. „Um Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern, müssen wir hier dringend nachziehen“, betonte er.
Zu einem vollständigen Bild gehört aber auch, dass sich die deutschen Firmen trotz hoher Abgaben in den vergangenen Jahren sehr gut geschlagen haben – und Unternehmen vor nicht allzu langer Zeit noch deutlich mehr an die öffentliche Hand zahlten. Unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) lag die Steuerlast bei 56 Prozent. Erst die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder (SPD) senkte die Steuern für Unternehmen. Das taten in den vergangenen 20 Jahren viele Staaten, weshalb sich daraus kein Wettbewerbsvorteil mehr ergibt.
Der Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien, hält die Steuer- und Abgabenquote dennoch für vertretbar. „Nach meiner Lesart gibt es weder die Notwendigkeit, die Steuereinnahmen kräftig zu erhöhen, noch deutlich zu entlasten“, sagte er unserer Redaktion. Viel besser muss Deutschland aus seiner Sicht bei der Infrastruktur werden, bei Straßen, Schienen und schnellem Internet. Lesen Sie dazu auch den und den Artikel in der