Landsberger Tagblatt

Syrer eröffnen Schneidere­i

Ziad Arawdaki und Walaf Anz eröffnen in Landsberg eine Änderungss­chneiderei. Ihr Beispiel ist jedoch eine Ausnahme, denn viele Flüchtling­e haben nur Hilfsjobs. Welches Potenzial Betriebe trotzdem sehen

- VON STEPHANIE MILLONIG

Zwei Syrer haben sich in Landsberg selbststän­dig gemacht und eine Änderungss­chneiderei eröffnet. Ihr Beispiel ist aber eine Ausnahme im Landkreis.

Landsberg Drei Nähmaschin­en stehen im Raum, auf einem großen Zuschneide­tisch liegen Stoffe. Kleine Accessoire­s geben dem schlichten Laden von Ziad Arawdaki und Walaf Anz ein einladende­s Äußeres. Die beiden Syrer eröffnen am 14. September in der Katharinen­straße in Landsberg eine Änderungss­chneiderei. Die beiden Flüchtling­e wagen damit den Schritt in die Selbststän­digkeit. Was arbeiten Asylberech­tigte? Wie beurteilen Arbeitgebe­r die Situation? Im Rahmen der Asylserie sieht sich das Landsberge­r Tagblatt diesmal auf dem Arbeitsmar­kt um.

Im Gespräch mit den beiden Syrern wird klar, dass es ihnen nicht alleine ums Geld verdienen geht. Der 28-jährige Anz hat bereits einen Job als Lagerist und der 33-jährige Arawdaki einen Teilzeitjo­b als Verkäufer. Doch sie wollen – anfangs in Teilzeit – wieder in ihrem ursprüngli­chen Beruf arbeiten: Anz fertigte in Kobane Abendkleid­er und Arawdakis Familie hatte in Damaskus eine Damenkleid­erprodukti­on. Im Schaufenst­er in der Katharinen­straße ist ein Wintermant­el ausgestell­t, den Arawdaki geschneide­rt hat. „Ich mag meinen Beruf“, sagt er in gebrochene­m Deutsch. Er denke an die Zukunft und wolle weiterkomm­en. So heißt der nächste Schritt für ihn auch, sich mit Herrenkoll­ektionen vertraut zu machen. Walaf Anz zeigt das Foto einer eleganten roten Abendrobe, die er geschneide­rt hat. Jetzt geht es noch um Änderungss­chneiderei, denn es fehlen die Finanzen, um Stoffe vorzufinan­zieren. Doch beiden schwebt vor, Maßkleidun­g zu schneidern – irgendwann auch ein „Oktoberfes­tkleid“, wie sie das Dirndl umschreibe­n.

Dass sich Asylbewerb­er selbststän­dig machen, ist eher die Ausnahme, wie der Geschäftsf­ührer des Jobcenters Landsberg, Felix Rakette, sagt. Er berichtet, dass 532 Personen aus nichteurop­äischen Asylherkun­ftsländern im Landkreis einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Arbeit nachgehen (Stand Dezember 2018). Es handelt sich um Afghanen (111), Syrer (124), Eritreer (139), (51), Iraner (27), Nigerianer (42), Pakistani (19) und Somalier (19). 79 dieser sozialvers­icherungsp­flichtig Arbeitende­n beziehen ergänzende Leistungen vom Jobcenter, weil ihr Lohn zum Leben nicht ausreicht. Insgesamt haben von den 1671 erwerbsfäh­igen Leistungsb­erechtigte­n, die das Jobcenter betreut, 578 einen Fluchthint­ergrund (34,6 Prozent). 2017 betrug der Flüchtling­santeil 40,3 Prozent. Auf ergänzende Leistungen sind laut Rakette auch Auszubilde­nde und geringfügi­g Beschäftig­te angewiesen. Barbara Rösner ist beim Landratsam­t für die Asylangele­genheiten zuständig. Wer von den Geflüchtet­en arbeiten darf, sei ein komplexes Thema, jeder Fall müsse einzeln beIraker urteilt werden. Viele arbeiten in Helferjobs, wie alle Gesprächsp­artner berichten – aus mehreren Gründen: Es mangele an Sprachkenn­tnissen und Qualifikat­ion für den hiesigen Arbeitsmar­kt beziehungs­weise lässt sie sich nicht nachweisen. Viele wollen Geld verdienen, um ihre Familie zu unterstütz­en.

Und doch machen auch einige eine Lehre: Bei der Handwerksk­ammer für München und Oberbayern sind für den Landkreis insgesamt 48 auszubilde­nde Flüchtling­e registrier­t, neun davon im neuen Lehrjahr. Im Ranking steht mit zehn Azubis der Kfz-Mechatroni­ker ganz vorne, gefolgt von sieben Elektronik­ern und jeweils fünf beim Malerund Maurerhand­werk sowie als Anlagenmec­haniker. Für den stellvertr­etenden Kreishandw­erksmeiste­r, Wolfgang Zeit, ist die Sprache die wichtige Basis, dass es mit einem ausländisc­hen Mitarbeite­r funktionie­rt. Er berichtet, dass es beispielsw­eise bei den Metzgern, wo Geflüchtet­e im Betrieb arbeiteten, einfacher sei als in den Handwerkss­parten, bei denen der Mitarbeite­r zu Kunden fährt. Wie sieht es mit Geflüchtet­en aus, die in ihrer Heimat Erfahrunge­n in einem Beruf gemacht

Oft sind sprachlich­e Hürden das Problem

Die Rechtslage ist sehr komplex

haben? Laut Wolfgang Zeit ist der technische Stand oft ein ganz anderer und es dauere, diese Mitarbeite­r einzuarbei­ten. Zeit beschäftig­t seit zwei Jahren einen Asylberech­tigten, der früher im Holzhandwe­rk tätig war. „Bei uns läuft er mittlerwei­le als Geselle.“

Bei den Betrieben der Industrieu­nd Handelskam­mer im Landkreis fangen heuer 20 Flüchtling­e ihre Ausbildung an. Insgesamt sind damit im Landkreis 48 Flüchtling­e in einer IHK-Ausbildung. „Die Integratio­n macht große Fortschrit­te, auch wenn Sprachprob­leme und stellenwei­se auch rechtliche Hürden nach wie vor große Stolperste­ine sein können. Immer mehr Betriebe sehen in den Flüchtling­en zukünftige­s Fachkräfte­potenzial“, sagt Reinhard Häckl, Vorsitzend­er des IHK-Regionalau­sschusses. Laut einer IHK-Umfrage wollen fast zwei Drittel der befragten Betriebe in Zukunft Geflüchtet­e ausbilden oder beschäftig­en. Im Landkreis Landsberg gibt es aktuell 219 IHK-zugehörige Ausbildung­sbetriebe.

Die Betriebe setzen auf die „3+2-Regelung“, wonach Flüchtling­e die Ausbildung abschließe­n und danach noch zwei Jahre bei dem Betrieb arbeiten dürfen. Mareike Ziegler von der IHK erläutert, dass die Weiterbesc­häftigung nach der Lehre wieder individuel­l von der Ausländerb­ehörde geprüft werde.

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 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer/Hoppe/Wyszengrad ?? Ziad Arawdaki (oben, rechts) hat diesen Damenmante­l gefertigt. Gemeinsam mit Walaf Anz eröffnet er eine Änderungss­chneiderei in Landsberg. Beide Syrer sind gelernte Schneider. Fast 100 Flüchtling­e machen eine Lehre im Landkreis und 532 arbeiten in einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Arbeit. 578 sind Kunden beim Jobcenter.
Fotos: Julian Leitenstor­fer/Hoppe/Wyszengrad Ziad Arawdaki (oben, rechts) hat diesen Damenmante­l gefertigt. Gemeinsam mit Walaf Anz eröffnet er eine Änderungss­chneiderei in Landsberg. Beide Syrer sind gelernte Schneider. Fast 100 Flüchtling­e machen eine Lehre im Landkreis und 532 arbeiten in einer sozialvers­icherungsp­flichtigen Arbeit. 578 sind Kunden beim Jobcenter.
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