Syrer eröffnen Schneiderei
Ziad Arawdaki und Walaf Anz eröffnen in Landsberg eine Änderungsschneiderei. Ihr Beispiel ist jedoch eine Ausnahme, denn viele Flüchtlinge haben nur Hilfsjobs. Welches Potenzial Betriebe trotzdem sehen
Zwei Syrer haben sich in Landsberg selbstständig gemacht und eine Änderungsschneiderei eröffnet. Ihr Beispiel ist aber eine Ausnahme im Landkreis.
Landsberg Drei Nähmaschinen stehen im Raum, auf einem großen Zuschneidetisch liegen Stoffe. Kleine Accessoires geben dem schlichten Laden von Ziad Arawdaki und Walaf Anz ein einladendes Äußeres. Die beiden Syrer eröffnen am 14. September in der Katharinenstraße in Landsberg eine Änderungsschneiderei. Die beiden Flüchtlinge wagen damit den Schritt in die Selbstständigkeit. Was arbeiten Asylberechtigte? Wie beurteilen Arbeitgeber die Situation? Im Rahmen der Asylserie sieht sich das Landsberger Tagblatt diesmal auf dem Arbeitsmarkt um.
Im Gespräch mit den beiden Syrern wird klar, dass es ihnen nicht alleine ums Geld verdienen geht. Der 28-jährige Anz hat bereits einen Job als Lagerist und der 33-jährige Arawdaki einen Teilzeitjob als Verkäufer. Doch sie wollen – anfangs in Teilzeit – wieder in ihrem ursprünglichen Beruf arbeiten: Anz fertigte in Kobane Abendkleider und Arawdakis Familie hatte in Damaskus eine Damenkleiderproduktion. Im Schaufenster in der Katharinenstraße ist ein Wintermantel ausgestellt, den Arawdaki geschneidert hat. „Ich mag meinen Beruf“, sagt er in gebrochenem Deutsch. Er denke an die Zukunft und wolle weiterkommen. So heißt der nächste Schritt für ihn auch, sich mit Herrenkollektionen vertraut zu machen. Walaf Anz zeigt das Foto einer eleganten roten Abendrobe, die er geschneidert hat. Jetzt geht es noch um Änderungsschneiderei, denn es fehlen die Finanzen, um Stoffe vorzufinanzieren. Doch beiden schwebt vor, Maßkleidung zu schneidern – irgendwann auch ein „Oktoberfestkleid“, wie sie das Dirndl umschreiben.
Dass sich Asylbewerber selbstständig machen, ist eher die Ausnahme, wie der Geschäftsführer des Jobcenters Landsberg, Felix Rakette, sagt. Er berichtet, dass 532 Personen aus nichteuropäischen Asylherkunftsländern im Landkreis einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen (Stand Dezember 2018). Es handelt sich um Afghanen (111), Syrer (124), Eritreer (139), (51), Iraner (27), Nigerianer (42), Pakistani (19) und Somalier (19). 79 dieser sozialversicherungspflichtig Arbeitenden beziehen ergänzende Leistungen vom Jobcenter, weil ihr Lohn zum Leben nicht ausreicht. Insgesamt haben von den 1671 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die das Jobcenter betreut, 578 einen Fluchthintergrund (34,6 Prozent). 2017 betrug der Flüchtlingsanteil 40,3 Prozent. Auf ergänzende Leistungen sind laut Rakette auch Auszubildende und geringfügig Beschäftigte angewiesen. Barbara Rösner ist beim Landratsamt für die Asylangelegenheiten zuständig. Wer von den Geflüchteten arbeiten darf, sei ein komplexes Thema, jeder Fall müsse einzeln beIraker urteilt werden. Viele arbeiten in Helferjobs, wie alle Gesprächspartner berichten – aus mehreren Gründen: Es mangele an Sprachkenntnissen und Qualifikation für den hiesigen Arbeitsmarkt beziehungsweise lässt sie sich nicht nachweisen. Viele wollen Geld verdienen, um ihre Familie zu unterstützen.
Und doch machen auch einige eine Lehre: Bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern sind für den Landkreis insgesamt 48 auszubildende Flüchtlinge registriert, neun davon im neuen Lehrjahr. Im Ranking steht mit zehn Azubis der Kfz-Mechatroniker ganz vorne, gefolgt von sieben Elektronikern und jeweils fünf beim Malerund Maurerhandwerk sowie als Anlagenmechaniker. Für den stellvertretenden Kreishandwerksmeister, Wolfgang Zeit, ist die Sprache die wichtige Basis, dass es mit einem ausländischen Mitarbeiter funktioniert. Er berichtet, dass es beispielsweise bei den Metzgern, wo Geflüchtete im Betrieb arbeiteten, einfacher sei als in den Handwerkssparten, bei denen der Mitarbeiter zu Kunden fährt. Wie sieht es mit Geflüchteten aus, die in ihrer Heimat Erfahrungen in einem Beruf gemacht
Oft sind sprachliche Hürden das Problem
Die Rechtslage ist sehr komplex
haben? Laut Wolfgang Zeit ist der technische Stand oft ein ganz anderer und es dauere, diese Mitarbeiter einzuarbeiten. Zeit beschäftigt seit zwei Jahren einen Asylberechtigten, der früher im Holzhandwerk tätig war. „Bei uns läuft er mittlerweile als Geselle.“
Bei den Betrieben der Industrieund Handelskammer im Landkreis fangen heuer 20 Flüchtlinge ihre Ausbildung an. Insgesamt sind damit im Landkreis 48 Flüchtlinge in einer IHK-Ausbildung. „Die Integration macht große Fortschritte, auch wenn Sprachprobleme und stellenweise auch rechtliche Hürden nach wie vor große Stolpersteine sein können. Immer mehr Betriebe sehen in den Flüchtlingen zukünftiges Fachkräftepotenzial“, sagt Reinhard Häckl, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses. Laut einer IHK-Umfrage wollen fast zwei Drittel der befragten Betriebe in Zukunft Geflüchtete ausbilden oder beschäftigen. Im Landkreis Landsberg gibt es aktuell 219 IHK-zugehörige Ausbildungsbetriebe.
Die Betriebe setzen auf die „3+2-Regelung“, wonach Flüchtlinge die Ausbildung abschließen und danach noch zwei Jahre bei dem Betrieb arbeiten dürfen. Mareike Ziegler von der IHK erläutert, dass die Weiterbeschäftigung nach der Lehre wieder individuell von der Ausländerbehörde geprüft werde.