Seniorin will sich nicht überholen lassen
Eine 81-Jährige landet vor Gericht. Bekommt sie ihren Führschein jemals wieder?
Landsberg Ein kurioser Streifzusammenstoß zwischen einem Transporter und dem Auto einer 81-Jährigen Anfang des Jahres in Ludenhausen hat das Amtsgericht Landsberg jetzt beschäftigt. Die gesundheitlich schwer angeschlagene Frau – sie ist auf Krücken oder den Rollator angewiesen – wurde von Richter Michael Eberle wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Geldstrafe verurteilt. Außerdem muss sie weitere fünf Monate auf ihren Führerschein verzichten.
Zuvor war bereits eine acht Monate lange Führerscheinsperre gegen die Frau verhängt worden. Da das Dokument bereits am 16. Juni 2019 sichergestellt worden war, muss sie nur noch fünf Monate warten, bis sie wieder fahren darf. Die Notwendigkeit ihres Führerscheins begründete die 81-Jährige vor allem damit, dass sie Asylbewerbern Deutschunterricht erteile – und deswegen nach auswärts fahren müsse. Möglicherweise wird sich jedoch die Verkehrsbehörde damit befassen müssen, ob es für die Seniorin überhaupt eine Zukunft hinter dem Steuer gibt. Und ob sie, so der Richter, die Verantwortung für andere Verkehrsteilnehmer noch übernehmen kann oder nicht. Anlass für diese Überlegungen gaben einige Aussagen der Frau zum Unfall, der sich im Januar ereignet hat.
Da war Folgendes passiert: Auf der Staatsstraße zwischen Rott und Ludenhausen war ein 52-Jähriger mit einem Kleintransporter in Richtung Landsberg unterwegs. Vor ihm fuhr die 81-Jährige mit ihrem Wagen. Der Mann wollte sie mit einer Geschwindigkeit von 80 bis 90 Stundenkilometern überholen. Das gelang nicht. Denn genau in dem Augenblick soll die Frau nach links gelenkt und den Überholvorgang verhindert haben. Der Lieferfahrer gab nicht auf: Seinen dritten Versuch startete er nach einer Rechtskurve, nach der eine lange Gerade auf der Hauptstraße in Ludenhausen kommt. „Gute Gelegenheit zum Überholen“, dachte sich der Mann, bei 50 Stundenkilometern erlaubter Höchstgeschwindigkeit. Die Frau soll erneut plötzlich nach links gefahren sein. Die beiden Fahrzeuge stießen leicht zusammen. Kein Schaden am Lieferauto, und eigentlich am Pkw auch nicht. „Was alles für ein Zufall oder Versehen – und das gleich dreimal hintereinander“, wunderte sich der Richter. Die Schuld am Unfall gab die 81-Jährige dem Fahrer des Lieferautos. Sie habe ihn erst bei seinem dritten Überholversuch bemerkt, sagte die Frau. Sie sei zutiefst erschrocken und hat dann, wie Eberle ausführte, möglicherweise überreagiert. Ihre Angaben vor Ort und später gegenüber der Polizei stimmten großteils nicht mit denen des anderen Fahrers überein: Sie behauptete, nach dem Zusammenstoß keine Fahrerflucht begangen zu haben. Sie stellte fest, dass die Polizei nicht zu ihr nach Hause gekommen sei und sie befragt hätte.
Genau das Gegenteil sagte ein Polizeibeamter als Zeuge vor Gericht aus. Beim ersten Besuch habe man die ältere Dame nicht angetroffen. Beim zweiten sei miteinander durch die geschlossene Haustür gesprochen worden und beim dritten Aufeinandertreffen hätten Kollegen erst mit Engelszungen auf sie einreden müssen, bis sie ihren Führerschein herausgerückt habe.
In der Hauptverhandlung wurde bekannt, dass die 81-Jährige den dritten Überholversuch in Ludenhausen möglicherweise „blockiert“habe. Im Fahreignungsregister ist die Frau auch kein unbeschriebenes Blatt: Ein Verstoß wegen Missachtung des Überholverbots und eine Übertretung der Höchstgeschwindigkeit um 22 Stundenkilometer. Vom Gericht zurückgenommen wurde schließlich der Vorwurf der Fahrerflucht, da am Fahrzeug des Transporterfahrers kein Schaden entstanden war. Die Vertreterin der Anklage, Referendarin Alexandra Kehr, beantragte wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs 70-mal 50 Euro und den Einzug des Führerscheins für weitere zwölf Monate. Letzten Endes blieb es bei 70-mal 50 Euro.