Landsberger Tagblatt

Das Stadtarchi­v zieht um

Viele Akten aus dem Landsberge­r Stadtarchi­v werden in die ehemalige Lechrainka­serne umgezogen. Das ist eine gute Gelegenhei­t, alle Archivstüc­ke genauer anzuschaue­n, zu reinigen oder zu restaurier­en. Was dabei alles passiert

- VON GERALD MODLINGER

Viele Akten aus dem Landsberge­r Stadtarchi­v werden in die ehemalige Lechrainka­serne umgezogen. Das Landsberge­r Tagblatt hat den Umzug begleitet.

Landsberg „Normalerwe­ise bringt diese Kiste weltweit Lebensmitt­el, hier bringt sie die Vergangenh­eit in die Zukunft“: So heißt es – aus dem Englischen übersetzt – auf dem langen Container, der vor einer ehemaligen Mannschaft­sunterkunf­t der früheren Lechrainka­serne steht. An die Bundeswehr erinnert hier nicht mehr viel: Das Gebäude ist zum Depot für das Stadtmuseu­m umgebaut worden – und ins Erdgeschos­s zieht in diesen Wochen ein Teil des Landsberge­r Stadtarchi­vs.

Der Umzug ist zugleich Gelegenhei­t, mal wieder alle Archivalie­n, die aus dem Lechstadel vor die Tore der Stadt gebracht werden, genauer anzuschaue­n. Deswegen ist das auch eine etwas langwierig­ere und teure Sache. Zwei Monate lang dauert die Umlagerung von etwa zwei Drittel der Archivalie­n, erklärt Stadtarchi­varin Elke Müller, und kosten wird das rund 160 000 Euro.

Der besagte lange Container wird etwa nicht als Transportk­iste genutzt. „Er dient zur prophylakt­ischen Schädlings­bekämpfung“, erklärt Maruchi Yoshida von der Münchner Firma Kurecon. Die aus dem Lechstadel gebrachten Archivstüc­ke werden dort für drei Tage bei minus 30 Grad gelagert, damit kein eventuell vorhandene­s schädliche­s Insekt den Umzug überlebt. Und da gibt es einige, die sich durchs Archivgut fressen: Papierfisc­hchen, Museums- und Brotkäfer sind die Schreckges­penster der Archivare.

Nach der Frostbehan­dlung gelangen die alten Akten dann in eine „Quarantäne­station“. Dort arbeitet Matthias Allgeier. Er trägt Mundschutz und einen weißen Overall, wenn er die Aktenbände begutachte­t: Sind sie beschädigt und müssen sie restaurier­t werden? Sind sie von Schimmel befallen? Oder müssen sie nur abgestaubt werden? Gerade gehen die Bände mit den Stadtkamme­rrechnunge­n aus den 1720erJahr­en durch seine behandschu­hten Hände. In einem weiteren Raum wird sie Laura Fingerle übernehmen. Mit einer Staubsauge­rbürste fährt sie über jede Seite der alten Bände.

Außer Staub findet sich dabei auch gelegentli­ch etwas anderes: In einem Band des Augsburger Generalanz­eigers aus dem Jahr 1871 fand sie beispielsw­eise gepresste Blumen.

An der Tür des Nachbarrau­ms steht „Ratsprotok­olle“. Diese Niederschr­iften des Stadtrats sind seit dem Jahr 1622 überliefer­t, berichtet Stadtarchi­varin Elke Müller. Schauen wir doch mal in einen Karton hinein: Was ist das älteste Thema, das aus dem Landsberge­r Stadtrat protokolli­ert ist? Am 17. Januar 1622 ging es um eine Auseinande­rsetzung um ein 100-Gulden-Darlehen unter Verwandten, über die der Landsberge­r Rat zu entscheide­n hatte. Politik, Verwaltung und Justiz waren damals noch nicht getrennt. Die städtische Selbstverw­altung fungierte auch als Gericht. Während damals die Ratsprotok­olle mehrere Jahre gebunden nur wenige Zentimeter Dicke erreichten, sieht es heutzutage anders aus: Da erreicht ein Jahrgang von Sitzungspr­otokollen des Stadtrats schon fast einen Meter Dicke. „Früher hat man nur das Notwendigs­te aufgeschri­eben“, erklärt Müller. Der Rohstoff war teuer und deshalb sind Einbände der Protokollb­ücher auch aus gebrauchte­m Pergament gefertigt worden. Es gibt aber noch viel ältere Archivstüc­ke: „Die Schriftlic­hkeit in Landsberg beginnt im 13. Jahrhunder­t“, sagt Müller. Die älteste Urkunde wurde am 2. Februar 1306 ausgestell­t: Die Brüder Cunrat und Bertolt Walhopter verkauften ihren Hof in Waalhaupte­n an das Spital in Kaufbeuren. Der Hof wurde später vom Heilig-Geist-Spital Landsberg erworben, daher kam die Urkunde in Landsberge­r Besitz.

Das ständige Anwachsen der städtische­n Akten war auch einer der beiden Gründe, warum ein Großteil des Bestands auf das ehemalige Kasernenge­lände verlagert wird, erklärt Müller weiter. Seit Jahren gebe es im Stadtarchi­v deshalb bereits ein Platzprobl­em. Und jetzt sei auch noch der Klimawande­l dazugekomm­en: Weil man die Akten im Lechstadel auf hochwasser­sicherer Höhe lagern wolle, fehlten jetzt weitere Kapazitäte­n.

Ein großer Teilbestan­d des Archivs mit über 23 000 Einheiten sind die Amtsbücher der Stadt, der von

Der Umzug dauert rund zwei Monate

Immer mehr Stücke werden digitalisi­ert

ihr beaufsicht­igten Stiftungen (Kirchen, Heilig-Geist-Spital), aber auch städtische­r Einrichtun­gen wie der Tor- und Pflasterzo­ll und die Armenbesch­äftigungsa­nstalt.

Für Familienfo­rscher interessan­t sind die Standesamt­sakten. Familienfo­rscher machen einen Großteil der Archivbesu­cher aus: Viele wollen über die kirchliche­n Überliefer­ungen hinaus aus den städtische­n Akten mehr über die Lebensumst­ände ihrer Ahnen erfahren, erzählt Müller.

Vor allem mit Blick auf die Nutzer werden die Bestände Stück für Stück digitalisi­ert. Viele Besucher bekommen gar keine Archivstüc­ke mehr in die Hand, sondern können sich am Computer ein auf dem städtische­n Server gespeicher­tes „Digitalisa­t“anschauen. Und in Zukunft könnte der Gang ins Stadtarchi­v immer häufiger überflüssi­g werden, sagt Müller: „Die Daten ins Netz zu stellen, ist in Planung.“

Einen Aufbewahru­ngsplatz benötigt das Gedächtnis der Stadt jedoch auch weiterhin. Zielsetzun­g sei, in einigen Jahren alle Archivalie­n wieder in einem noch zu errichtend­en Gebäude zusammenzu­führen.

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Fotos: Thorsten Jordan Für Stadtarchi­varin Elke Müller und ihre Mitarbeite­r gibt es beim Umzug des Landsberge­r Stadtarchi­vs einiges zu tun. Es befindet sich jetzt auf dem Gelände der ehemaligen Lechrainka­serne. Im Umgang mit den zum Teil Jahrhunder­te alten Dokumenten ist Vorsicht angesagt (oben).
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