Münster nascht gefährlich
Tatort: Lakritz
Wenn in Münster gemordet wird, dient die Untat oft nur den Frotzeleien von Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl) als Vorwand. Deshalb haben wir diese „Tatort“-Folgen gerne kritisiert, da sie wie „Hubert und Staller“nicht wie ein Krimi, sondern mehr als sofataugliche Komödie daherkamen.
Überraschend, dass „Lakritz“ausschert und raffiniert in der Mischung von Gegenwart und Vergangenheit zwei 40 Jahre auseinander liegende Mordfälle präsentiert. Der aktuelle Tote ist der Marktmeister Hannes Wagner, ein Kotzbrocken, der die begehrten Lizenzen auf dem Markt vergab und Kohle durch Erpressungen machte. Naschkatze Wagner starb an einer Vergiftung durch Cyanid, das sich in Lakritz verbarg.
Dank eines gelungenen dramaturgischen Kunstgriffs landet der Knabe Boerne in einer Lakritzmanufaktur, wo er sich unglücklich in die Tochter Monika verliebt. Dass der 1979 dickliche Streber schon damals ein Besserwisser war, zahlt sich aus. Als Monikas Mutter von einem Balken
auf dem Dachboden baumelt, zweifelt der neunmalkluge Teenager an einem Suizid, wird aber von einem tumben Polizisten nicht ernst genommen.
Den vielleicht besten der Nebenschauplätze besetzt Hippie „Vaddern“Thiel, der Altenheim-Bewohnern Marihuana verhökert und schimmerlos auf Verdächtige stößt. Und der Kommissar joggt und ernährt sich vorwiegend von Smoothies und Grünkernbratlingen.
Auffallend: Thiel und Boerne verzichten weitgehend auf Bosheiten, sondern schrammen knapp an plötzlicher Freundschaft vorbei. Was als krampfige Heiterkeit wirken könnte, ist hier harmonisch in die KrimiHandlung integriert. Auch wenn es dem Kommissar fast zu viel wird: „Freund, Kollege, Nervensäge“lautet seine Definition. Am Ende sind die Ermittler wieder ganz die Alten. Als Boerne einen 500 Euro teuren Wein ausgibt, mischt Proll Thiel den edlen Roten zum Entsetzen des Professors mit Cola aus der Dose.
Rupert Huber