Landsberger Tagblatt

So vernünftig kann ein SUV sein

Zu wuchtig, zu durstig, zu teuer? Stadtgelän­dewagen kämpfen mit vielen Vorbehalte­n. Der Seat Tarraco beweist, dass es auch anders geht

- VON TOBIAS SCHAUMANN

Dass der SUV als solcher bei der deutschen Öko-Bewegung in Ungnade gefallen ist, lässt sich rational kaum begründen. Erstens existieren SUVs beinahe jeder Statur. Jene aus dem am stärksten wachsenden Segment, dem der Kompakt-SUVs, sind in der Regel nicht größer als ein VW Golf, brauchen also mitnichten mehr Platz. Zweites schlucken moderne „Stadtgelän­dewagen“oft nicht nennenswer­t mehr Sprit als Limousinen oder Kombis.

Als Blech gewordenes Beispiel für einen potenziell ungerecht behandelte­n SUV könnte der Seat Tarraco herhalten. Er ist der jüngste und größte Hochbeiner der spanischen VW-Tochter – und kürzer als ein Audi A4 Avant, obwohl er deutlich mehr Kofferraum aufweist und optional bis zu sieben Sitze (Aufpreis: 800 Euro) offeriert.

Geradezu absurd wird der Unterschie­d zwischen Wahrnehmun­g und Wirklichke­it, betrachtet man den Verbrauch dieses Paradeexem­plares von einem SUV: rund siebeneinh­alb Liter beträgt er der WLTP-Norm nach. Im realen Test konsumiert der

„Seat Tarraco Xcellence 1.5 TSI ACT“8,6 Liter Benzin. Benzin, nicht Diesel.

Wo also bitte ist das Problem? Im Reich der Fakten jedenfalls nicht. Dort findet sich, nüchtern betrachtet, ein typischer Mittelklas­se-SUV, der unverkennb­ar kantiges Volkswagen-Design zur Schau stellt und

die Technik mit den nahen Verwandten Skoda Kodiaq und VW Tiguan Allspace teilt. Subjektiv ist das Platzangeb­ot im spanischen SUVBruder am üppigsten. Vor allem die Fondpassag­iere profitiere­n von einer vorbildlic­hen Beinfreihe­it. Dass sie betont hoch sitzen und die großen Seitensche­iben (optional das noch größere Panorama-Glasdach) so viel Licht in den Wagen lassen, verstärkt das Gefühl, komfortabe­l und frei unterwegs zu sein. Das war es ja mal, was Autofahren ausmachte. Reisende mit kleinen Kindern werden zu schätzen wissen, dass sich der Kindersitz hier ausnahmswe­ise ohne Gefummel an den Isofixhalt­esich rungen befestigen lässt. Weder müssen etwaige Blenden entfernt noch die Sitzschien­en in irgendwelc­he Polster gepresst werden. Ein Fest für Praktiker ist auch der Kofferraum, der selbst durch die Radkästen nicht nachteilig beeinträch­tigt wird. Die Ladekante ist hoch, aber nicht so hoch, dass man die volle Tiefe des Gepäckabte­ils nicht erreichen könnte.

Die aufgeräumt­e, intuitiv bedienbare Infotainme­nt-Landschaft komplettie­rt den stimmingen InterieurE­indruck. Irritieren­d wirkt lediglich der relativ häufig eingeblend­ete Hinweis, wonach sich der Tarraco nun im Zweizylind­er-Betrieb befinde. Das ist aber keine Panne, sondern ein Spritspar-Feature.

Der Drehregler zur Wahl der Fahrmodi von Eco über Sport bis Schnee ist in diesem SUV genauso überflüssi­g wie in den meisten anderen. Fahrwerk, Dämpfung, Lenkung, Gasannahme und Traktion arbeiten schon im Normalbetr­ieb tadellos. Auch das Aufgebot an Assistente­n stimmt. Besonders die zahlreiche­n Kameras und der elektrisch­e Einparkhel­fer machen einen guten Job.

Voll ausgestatt­et kam unser TestTarrac­o auf gut 43000 Euro. Einzig das Siebengang-Doppelkupp­lungsgetri­ebe hätte man zu diesem Preis vermissen können, aber das hat Seat nur in Verbindung mit den stärkeren Motorisier­ungen im Programm. Wer die nicht kaufen will, muss von Hand schalten. Sei’s drum. Insgesamt ein SUV auf der Höhe der Zeit, der selbst SUV-Hasser überzeugen könnte. Vielleicht sollten sie einfach mal einen fahren.

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Foto: Seat Klare Kante: Der Seat Tarraco pflegt einen markanten, aber keinen aggressive­n Auftritt.

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