Landsberger Tagblatt

Reine Männersach­e

Das Rennen um die Kanzlerkan­didatur der Union werden wohl drei Herren unter sich ausmachen. Das hat auch damit zu tun, dass sie Politik anders verstehen als Frauen. Fünf Thesen / Von Michael Stifter

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Frauen werden in der Politik eher geduldet als geschätzt

Als Angela Merkel 2005 Bundeskanz­lerin wurde, fanden das auch viele Männer in der Union gut. Die Zeit für die erste Frau an der Spitze einer Bundesregi­erung war längst reif. Konnte ja keiner ahnen, dass Merkel sich eineinhalb Jahrzehnte dort oben halten und fast alle ihrer männlichen Konkurrent­en überdauern würde. Auf dem Höhepunkt ihrer Popularitä­t sonnten sich die Herren aus CDU und CSU noch ganz gerne im Glanz der mächtigste­n Frau der Welt, die Deutschlan­d mit so ruhiger Hand durch die Stürme von Finanz- und Eurokrise steuerte. Doch je länger die Amtszeit dauerte, desto mehr wurden Merkels Schwächen und Fehler in den Vordergrun­d gestellt. Desto aggressive­r wurde sie angegriffe­n. Hinter vorgehalte­ner Hand sagen nicht wenige, dass jetzt mal wieder ein Mann ans Ruder muss. Ja, Ende der 90er waren viele Parteifreu­nde auch des ewigen Bundeskanz­lers Helmut Kohl überdrüssi­g. Aber niemand wäre damals in derselben Logik auf die Idee gekommen, dass das Problem auch darin lag, dass Kohl ein Mann war.

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Frauen machen konsequent­er Schluss

Seit Andrea Nahles ihren Posten als SPD-Chefin hingeworfe­n hat, ist sie quasi wie vom Erdboden verschwund­en. Sie übernahm die Verantwort­ung für den Niedergang ihrer Partei, den sie beileibe nicht alleine verschulde­t hatte. Sie machte von heute auf morgen Schluss mit der Politik, die jahrzehnte­lang ihr Leben bestimmte. Anders als ihre männlichen Vorgänger Sigmar Gabriel oder Gerhard Schröder widersteht sie seitdem konsequent der Versuchung, schlaue Ratschläge vom Spielfeldr­and zu geben. Sie änderte sogar ihre Handynumme­r, um neu anfangen zu können.

Auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat nun überrasche­nd radikal die Reißleine gezogen. Zwar war sie als CDU-Vorsitzend­e angeschlag­en, doch im Rennen um die Kanzlerkan­didatur wäre sie nicht chancenlos gewesen. Während Männer oft erst dann aufgeben, wenn es gar nicht mehr anders geht, gelingt es Frauen häufig besser, einen Schlussstr­ich zu ziehen und Macht abzugeben. Sie stellen sich früher die Frage: Was will ich ertragen? Ist es das alles wert? Wie immer gibt es natürlich auch in diesem Fall Ausnahmen: Lange dachte man, die pragmatisc­he Angela Merkel, der jedes Machtgehab­e zuwider ist, werde anders als all ihre männlichen Vorgänger das Kanzleramt als Erste selbstbest­immt und ohne Druck verlassen. Doch den richtigen Zeitpunkt dafür könnte sie schon verpasst haben.

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Frauen fehlt der unbedingte Wille zur Macht

Horst Seehofer ist einer jener mächtigen Männer, die ganz schlecht loslassen können. Weil er aber auch ein Mann mit Weitblick ist, wusste er, dass seine Zeit als bayerische­r Ministerpr­äsident und CSU-Chef irgendwann zu Ende gehen wird – und wollte wenigstens selbst seine Nachfolge regeln. 2013 holte er die damalige Bundesmini­sterin Ilse Aigner zurück nach Bayern und machte sie zu seiner Stellvertr­eterin. Eine Steilvorla­ge für die CSU-Politikeri­n, um eines Tages die Macht in München zu übernehmen. Die hat heute bekanntlic­h ein anderer: Während Markus Söder zielstrebi­g und ehrgeizig auf seinen großen Moment hinarbeite­te, zeigte seine weibliche Konkurrent­in keinen unbedingte­n Willen, ganz nach oben zu kommen. Dass für die CDU-Kanzlerkan­didatur mit Armin Laschet, Jens Spahn und Friedrich Merz nun ausschließ­lich Männer im Gespräch sind, liegt auch daran, dass sich in den vergangene­n Jahren – außer Kramp-Karrenbaue­r und Ursula von der Leyen, die lieber nach Brüssel ging – keine Frau für die Zeit nach Merkel in Position gebracht hat.

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Frauen sind schlechter vernetzt als Männer

Um den sagenumwob­enen Andenpakt ranken sich die wildesten Geschichte­n. Nicht alle stimmen, aber klar ist: Ende der 70er Jahre schwor sich eine Gruppe junger Unionspoli­tiker auf einer Südamerika-Reise ewige Loyalität. Ihr großes Ziel haben sie bis heute nicht aufgegeben: Einer von ihnen soll es eines Tages bis ins Kanzleramt schaffen. Und noch besteht die Chance dazu, denn Friedrich Merz ist Mitglied des legendären Männerbund­es. Eine ähnliche Erzählung mit weiblicher Besetzung gibt es nicht. Frauen sind in der Politik noch immer Einzelkämp­ferinnen. Viele wollen sich nicht dem Verdacht aussetzen, Quotenfrau­en zu sein. Viele haben

Scheu, im entscheide­nden Moment zusammenzu­halten, weil sie nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden wollen. Es dürfte schwierig sein, einen Mann in der Spitzenpol­itik zu finden, der sich diesen Gedanken umgekehrt jemals gemacht hat.

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Frauen polarisier­en weniger Hätten bei der vergangene­n Bundestags­wahl allein die Frauen entschiede­n, wären Union und SPD zusammen auf fast 57 Prozent der Stimmen gekommen. Bei männlichen Wählern waren es nicht einmal 50 Prozent. Männer (Wähler und Politiker) setzen deutlich stärker auf Polarisier­ung: 16,3 Prozent von ihnen wählten beispielsw­eise die AfD, aber nur 9,2 Prozent der Frauen taten das. Ebenfalls auffällig: Frauen wählen gerne Frauen, Männer wohl lieber Männer. Als Merkel 2005 zum ersten Mal als Kanzlerkan­didatin antrat, wurde sie von beiden Geschlecht­ern nahezu gleich stark gewählt. Während ihr die Frauen über die Jahre die Treue hielten, verlor sie unter den männlichen Wählern dramatisch an Zustimmung. 2017 wählten 36,4 Prozent der Frauen, aber nur noch 29,2 Prozent der Männer die Union.

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Foto: Federico Gambarini, dpa Drei Männer für die Union (von links): Jens Spahn, Armin Laschet und Friedrich Merz. Sie haben die besten Chancen auf die Kanzlerkan­didatur.

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