Landsberger Tagblatt

Franziskus dämpft Hoffnung auf Lockerung des Zölibats

Der Papst verweigert eine klare Stellungna­hme und enttäuscht damit Reformer in der katholisch­en Kirche

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN UND DANIEL WIRSCHING

Rom Seit Papst Franziskus 2013 ins Amt gekommen ist, sind Bischofssy­noden ein wesentlich­es Instrument zur Steuerung der katholisch­en Kirche. Auf den Versammlun­gen machen die Bischöfe Vorschläge, der Papst spricht anschließe­nd ein Machtwort. So sollte das Zusammensp­iel funktionie­ren.

Bereits die Wahl des Themas der Versammlun­g ist dabei mitentsche­idend. Nach den Familiensy­noden in den Jahren 2015 und 2016 verfügte Papst Franziskus die Zulassung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion. Bei der AmazonienS­ynode im vergangene­n Oktober schlugen die Bischöfe unter anderem die Weihe verheirate­ter Männer vor, um dem Priesterma­ngel in der weitläufig­en Region zu begegnen. Viele Teilnehmer forderten, auch Frauen, die eine wesentlich­e Rolle in den Gemeinden Amazoniens spielen, zu Diakoninne­n zu weihen. Die Synodenbes­chlüsse galten als Vorlage für die Reformen von Papst Franziskus. Diesmal allerdings war es anders, das Machtwort blieb aus. In seinem Nachsynoda­len Schreiben „Querida Amazonia“(Geliebtes Amazonien) hat Franziskus diese umstritten­en Vorschläge nicht aufgenomme­n.

Bedeutet das das Ende des katholisch­en Reformproz­esses? Nicht unbedingt. Doch vor allem für liberale Katholiken ist das Papst-Schreiben eine herbe Enttäuschu­ng. In seinem mit 32 Seiten verhältnis­mäßig kurzen Dokument beschreibt der Papst Visionen für Amazonien, von einer Lockerung des Zölibats ist nicht die Rede. Allerdings stellte Franziskus zum Verhältnis der Empfehlung­en und seinem Nachsynoda­len Schreiben fest: Er werde in seinem Dokument „nicht alle Fragen entfalten, die im Schlussdok­ument ausführlic­h dargelegt wurden“. Er habe „auch nicht vor, es hiermit zu ersetzen“. In gewisser Weise lässt Franziskus damit die Diskussion über die Lockerung des Pflichtzöl­ibats oder den Diakonat für Frauen offen. Franziskus vermeidet eine klare Stellungna­hme, ruft seine Kirche aber zur

Fantasie auf. Gut möglich, dass der Papst die starken Widerständ­e der Konservati­ven in seiner Kirche berücksich­tigen wollte.

Das Papst-Schreiben löste bei reformfreu­ndlichen Katholiken vor allem negative Reaktionen aus. „Er hat den letzten Kredit verspielt bei denen, die auf ihn gesetzt haben“, urteilte der Kirchenrec­htler Thomas Schüller. „Konservati­ve Theologen werden in die Hände klatschen.“Im Pontifikat von Franziskus sei beim Thema Zölibat und Frauenweih­e „nichts mehr“zu erwarten.

Auch der Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, zeigte sich enttäuscht: „Wir bedauern sehr, dass Papst Franziskus hier in seinem Schreiben keinen Schritt nach vorne wagt. Vielmehr befestigt er, sowohl in Bezug auf den Zugang zum Priesteram­t wie auch die Beteiligun­g von Frauen an Diensten und Ämtern der Kirche, die bestehende­n Positionen der römischen Kirche.“

Der Wiener Pastoralth­eologe Paul Zulehner äußerte hingegen gemischte Gefühle zwischen „herber Frustratio­n und zarter Zuversicht“. Die Absicht sei offenbar nicht, Türen zu schließen, sondern zu weiten, und vor allem die Ortskirche­n an ihre eigene Verantwort­ung zu erinnern, schrieb Zulehner in seinem Internet-Blog.

Der ernannte Bischof von Augsburg, Bertram Meier, hat das Nachsynoda­le Schreiben von Papst Franziskus als „wegweisend“bezeichnet. Wörtlich sagte Meier unserer Redaktion: „Dank an Papst Franziskus für das wegweisend­e Dokument, das zunächst eine bestimmte Region der Weltkirche im Blick hat, aber auch ausstrahlt in andere Ortskirche­n hinein.“

Meier sieht in dem Papst-Schreiben zu Amazonien ein „weiteres Dokument, mit dem Papst Franziskus seine Nähe zu den Ärmsten der Armen zum Ausdruck bringt – seien es die Bootsflüch­tlinge im Mittelmeer, die vom Bürgerkrie­g in Syrien Geplagten oder jetzt die indigene Bevölkerun­g Amazoniens“.

Laut Bertram Meier geht es dem Papst in seinem Nachsynoda­len Schreiben hauptsächl­ich „um die Umkehr der Kirche“. Meier sagte unserer Redaktion: „Das ist ein spirituell­er Anspruch und weniger eine strukturel­le Frage. Ehe wir Strukturen ändern, braucht es eine neue Ausrichtun­g auf Jesus Christus hin.“

 ?? Foto: dpa ?? Hat Reformer in der katholisch­en Kirche enttäuscht: Papst Franziskus.
Foto: dpa Hat Reformer in der katholisch­en Kirche enttäuscht: Papst Franziskus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany