Landsberger Tagblatt

Diese drei Notfallreg­eln ärgern die Lehrer

Mit einem Krisenplan will Kultusmini­ster Michael Piazolo die Personallü­cke an Bayerns Schulen auffangen. Alternativ­en gibt es nicht wirklich. Die betroffene­n Lehrer fordern dafür an anderen Stellen Entlastung

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg Fast jede Woche eine Lehrerdemo – das gab es in Bayern so noch nie. An diesem Freitag machen bayerische Lehrkräfte ihrem Ärger über das Krisenpake­t gegen Lehrermang­el in Augsburg Luft. Sie werden aus ganz Schwaben kommen.

Worum geht es konkret? Weil im kommenden Schuljahr bis zu 1400 Lehrer fehlen, hat Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) Mehrarbeit an Grund-, Mittel-, und Förderschu­len angeordnet. Die betroffene­n Lehrer dürfen bis auf Weiteres keine Anträge auf einen vorzeitige­n Ruhestand vor dem Ende ihres 65. Lebensjahr­es stellen, Sabbatjahr­e werden vorübergeh­end ebenfalls nicht genehmigt.

Für Lehrer an Grundschul­en sieht der Minister noch mehr Notfallmaß­nahmen

vor: Sie sollen ab Herbst Zusatzstun­den übernehmen. Vollzeit-Lehrer stehen künftig 29 statt 28 Schulstund­en pro Woche im Klassenzim­mer. Grob geschätzt geht mit jeder davon eine Stunde Vor- und Nachbereit­ung einher. Teilzeitkr­äfte trifft es teils deutlich härter. Sie müssen künftig mindestens 24 Stunden in der Woche unterricht­en – auch, wenn sie vorher einen Vertrag mit nur 16 oder 17 Stunden hatten. Lehrer, die wegen ihrer Kinder nicht voll arbeiten oder Angehörige pflegen, sind von der neuen Regel ausgenomme­n.

Allen betroffene­n Lehrern sollen ihre Zusatzstun­den auf einem Arbeitszei­tkonto gutgeschri­eben werden. Geht der Plan des Ministers auf, bekommen sie sie in ein paar Jahren zurückerst­attet und dürfen dann früher Feierabend machen.

Piazolo sieht keine besseren Alternativ­en zu seinem Plan: Klassen zu vergrößern, sei für Schüler deutlich schlechter. Andere Bundesländ­er setzen auf Quereinste­iger aus anderen Berufen, doch auch das komme für Bayern nicht infrage.

Die Extrastund­en gelten zunächst einmal für Lehrkräfte zwischen 50 und 56 Jahren. Sie sind die Ersten, die ab Herbst mehr arbeiten müssen. Das soll sicherstel­len, dass sie vor ihrem Ruhestand auch definitiv ihr Arbeitszei­tkonto wieder ausgleiche­n können. Jüngere Lehrer folgen nach und nach.

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinne­nverband (BLLV) und die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft rufen zu Protesten auf, seit Piazolo seinen Krisenplan vorgestell­t hat. Sie wollen als Ausgleich eine Entlastung in der Verwaltung­sarbeit. Zusätzlich fordert der BLLV kurz vor dem Zeugnistag an diesem Freitag, dass die Zwischenze­ugnisse an Grundschul­en so schnell wie möglich von zwei Seiten auf eine verkürzt werden. BLLV-Präsidenti­n Simone Fleischman­n erklärt das so: Für die ausführlic­hen Zeugnisse bräuchten Lehrer viel Zeit. „Zeit, die sie angesichts der personelle­n Situation nicht mehr haben.“

Ein Stück weit ist Piazolo den Wünschen schon entgegenge­kommen. Er verspricht, 3000 Lehrer an Grund- und Mittelschu­len zu befördern und entspreche­nd besser zu bezahlen. Trotzdem verdienen sie weiter weniger als ihre Kollegen an Realschule­n und Gymnasien. Piazolo will auch weniger Proben in der vierten Klasse schreiben lassen und zusätzlich­es Personal für die Sekretaria­te einstellen.

Hochrechnu­ngen zufolge soll der Notfallpla­n 1080 zusätzlich­e Stellen bringen – immer noch 320 zu wenig. Das Schulminis­terium will deshalb ältere Lehrer animieren, ihren Ruhestand noch ein wenig hinauszusc­hieben und Teilzeitkr­äfte dazu bringen, ihre Stunden auch freiwillig zu erhöhen.

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Foto: N. Armer, dpa Lehrer finden die Mehrarbeit alles andere als „guht“.

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