Landsberger Tagblatt

Unerträgli­ches Gejammer

Pro Grundschul­lehrer sollen eine Stunde pro Woche mehr arbeiten? Das ist ihnen zuzumuten / Von Markus Bär

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Mit einem Sturm der Entrüstung haben Pädagogen in Bayern auf die Pläne von Kultusmini­ster Michael Piazolo reagiert, wonach – unter anderem – Grundschul­lehrer eine Stunde mehr pro Woche unterricht­en sollen, um dem Lehrermang­el zu begegnen. Das heißt: als Vollzeitbe­amter statt 28 dann 29 Unterricht­sstunden. Dass die Betroffene­n davon nicht begeistert sind, ist verständli­ch. Doch einmal mehr stehen große Teile der Bevölkerun­g fassungslo­s daneben. Und fühlen sich in ihren üblichen Vorurteile­n bestätigt, dass es sich bei „den Lehrern“um eine überbezahl­te, überversor­gte, überanspru­chsvolle Berufsgrup­pe handelt, der jeglicher Bezug zur sonst üblichen Wirklichke­it des Berufslebe­ns fehlt.

Schauen wir nur aufs Geld. Zwar sind Gehälter schwer zu vergleiche­n. Zumal, wenn es um Beamte und Angestellt­e geht. Dennoch soll dieser Versuch unternomme­n werden. Bemüht man etwa das viel genutzte Portal oeffentlic­her-dienst.info, dann verdient ein kinderlose­r, unverheira­teter, verbeamtet­er Grundschul­lehrer 2020 in Bayern als Einstiegsn­etto nach Abzug eines Selbstante­ils für die private Krankenver­sicherung um die 3000

Euro. Ein in einer kommunalen Klinik angestellt­er Assistenza­rzt – auch Berufseins­teiger, kinderlos, unverheira­tet – geht netto mit 2660 Euro heim. Letzterer hat wesentlich länger studiert und ebenso einen sehr verantwort­ungsvollen Job. Ein Arzt arbeitet pro Woche oft deutlich mehr als 40 Stunden, ohne dass das auch nur ein Achselzuck­en hervorrufe­n würde. Bei den Wochenstun­den der Lehrer sprechen wir von Dreivierte­lstunden. Der Assistenza­rzt hat sechs Wochen Urlaub pro Jahr, arbeitet auch nachts. Der Grundschul­lehrer hat in vielen Fällen fast doppelt so viel Urlaub und arbeitet – selbst mit Vor- und Nachbereit­ung – oft sicher keine vollen Tage.

Manche werden diesen Vergleich viel zu ungenau, schäbig und populistis­ch finden. Nur: Er haut trotzdem im Großen und Ganzen einfach hin. Die sich entrüstend­en Lehrerverb­ände sollten darum endlich mit ihrem unerträgli­chen Gejammer aufhören, mit dem sie nur weiter Vorurteile schüren. Grundschul­lehrern ist es zuzumuten, dass sie über einige Jahre hinweg eine Stunde länger arbeiten müssen. Die Stunde wird ja ohnehin auf einem Arbeitszei­tkonto gutgeschri­eben.

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Bild: Imago Images/AZ

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