Landsberger Tagblatt

Tief „Sabine“: So groß ist der Schaden

Die starken Böen sind abgeflaut, Förster und Waldbesitz­er können wieder den Wald betreten, um den Bestand zu begutachte­n. Warum Spaziergän­ger weiter vorsichtig sein sollten

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Sturmtief „Sabine“hat Bayern in den vergangene­n Tagen heftig durcheinan­dergewirbe­lt. Böen mit einer Geschwindi­gkeit von über 100 Kilometer pro Stunde haben Bäume entwurzelt, Dächer abgedeckt und Ausfälle im Zug- und Flugverkeh­r verursacht. Tausende Haushalte waren stundenwei­se ohne Strom, städtische Friedhöfe zeitweise gesperrt.

Wie viel Schaden der Sturm in den bayerische­n Wäldern angerichte­t hat, lässt sich derzeit noch nicht konkret beziffern. Wolf-Dietrich Graf von Hundt aus Augsburg verschafft sich aktuell einen ersten Überblick in den mehr als 3000 Hektar großen Waldgebiet­en der Fuggersche­n Stiftungen, die sich über die Landkreise Augsburg, Dillingen und Aichach-Friedberg verteilen. „Momentan können unsere Mitarbeite­r nur die sichtbaren Schäden aufnehmen, zum Beispiel wenn ein Baum umgestürzt oder ein Ast abgesplitt­ert ist.“Graf von Hundt geht momentan davon aus, 3500 bis 4000 Festmeter Schadholz in den Wäldern zu haben. Ein Festmeter ist die Einheit, in der Holz gemessen wird. Hundt ist sich jedoch sicher, dass er die Schadensme­ldungen nach einiger Zeit noch einmal nach oben korrigiere­n muss. „Viele Bäume werden vom Sturm angeschobe­n. So nennt man es, wenn sie schief stehen, aber noch nicht umgefallen sind.“Solche Stämme erkennen die Forstarbei­ter erst, wenn sie die Bäume genau prüfen. Diese angeschobe­nen Stämme müssen gefällt werden, weil sie jederzeit umstürzen können – eine Gefahr für alle, die sich im Wald aufhalten.

3500 bis 4000 Festmeter ist im Vergleich zu vergangene­n Stürmen eine überschaub­are Größe – zumindest für den 800000 Hektar großen bayerische­n Staatswald. Jan-Paul Schmidt ist Sprecher der Bayerische­n Staatsfors­ten, die den gesamten Staatswald bewirtscha­ften: „Zum Vergleich hat Orkan ,Lothar’ bei uns 1,5 Millionen Festmeter Schaden angerichte­t, in ganz Mitteleuro­pa waren es 180 Millionen.“Wie viel zerstört wurde, konnte Schmidt am Mittwochab­end noch nicht sagen. „Die Förster können erst jetzt in die Wälder gehen und sich einen Eindruck verschaffe­n. In den vergangene­n Tagen war die Gefahr zu groß, weil es so stürmisch war.“Er warnt deshalb auch Spaziergän­ger und rät dazu, den Wald in den nächsten Tagen zu meiden. „Viele Schäden sieht man nicht, aber die Gefahr, von einem Baum oder Ast getroffen zu werden, ist so kurz nach dem Sturm da.“

Eine grobe Schätzung zu den Schäden hat Schmidt bereits erhalten. „Ich denke, wir sind mit einem blauen Auge davongekom­men.“Größtentei­ls seien nur einzelne Bäume umgefallen oder gesplitter­t und Äste abgebroche­n. „Dass der Sturm breite Schneisen in die Wälder schlägt, so wie bei ,Kyrill’ oder ,Lothar’, war nicht der Fall.“

Besonders betroffen waren vor allem Fichten, sogenannte Flachwurzl­er. „Bei ihnen ist das Risiko, dass sie bei Sturm umfallen, am größten“, erklärt Hans Ludwig Körner, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Waldbesitz­erverbande­s. Und nicht nur das. Entwurzelt­e Fichten sind optimale Brutplätze für Borkenkäfe­r. Sobald die Temperatur­en im Frühjahr auf 14 Grad Celsius klettern, nistet er sich ein und kann gesunde Bäume in der Umgebung befallen. „Wir empfehlen unseren Mitglieder­n deshalb, besonders gut abzuwägen.“Einerseits hat Sicherheit oberste Priorität. Immer wieder kommen vor allem private Waldbesitz­er ums Leben, weil sie nach einem Sturm die Gefahren im

Wald unterschät­zen und tödlich verletzt werden. „Anderersei­ts müssen die Aufräumarb­eiten schnell abgeschlos­sen sein.“

Nicht nur im Wald hat „Sabine“Spuren hinterlass­en, sondern auch an vielen Gebäuden. Dem Versichere­r R+V zufolge haben Kunden aus Deutschlan­d bislang mehr als 15 000 Schäden in Höhe von rund 25 Millionen Euro gemeldet. Die meisten stammen aus Bayern, Baden-Württember­g, Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Hessen. Der Versichere­r erwartet in den kommenden Tagen aber noch weitere Meldungen und rechnet mit einem Schaden von mehr als 50 Millionen Euro. Zum Vergleich: Sturm „Kyrill“vor 13 Jahren hatte eine Schadenssu­mme von über 100 Millionen Euro.

Waldbesitz­ern und Versichere­rn bleibt kaum Zeit, um aufzuatmen. Ab Sonntag wird es von Westen her wieder stürmisch, sagt Werner Verant vom Wetterport­al Meteogroup. Die nächsten Tiefdruckg­ebiete „Uta“und „Victoria“werden dann über Süddeutsch­land ziehen. In Bayern und Schwaben muss man nach aktuellem Stand mit Böen bis zu 80 Kilometer pro Stunde rechnen. Dazu ist es am Sonntag trocken, am Montag regnet es, am Dienstag fällt Schnee.

Fichten fallen bei Sturm besonders schnell um

 ?? Foto: Arnulf Stoffel, dpa ?? Nach Sturmtief „Sabine“seien die Waldbesitz­er mit einem blauen Auge davongekom­men, so die ersten Einschätzu­ngen von Förstern und Waldbesitz­ern am Mittwoch. Spaziergän­ger sollen trotzdem vorsichtig sein und den Wald noch ein paar Tage meiden. Vor allem angesichts der Vorhersage für die nächsten Tage.
Foto: Arnulf Stoffel, dpa Nach Sturmtief „Sabine“seien die Waldbesitz­er mit einem blauen Auge davongekom­men, so die ersten Einschätzu­ngen von Förstern und Waldbesitz­ern am Mittwoch. Spaziergän­ger sollen trotzdem vorsichtig sein und den Wald noch ein paar Tage meiden. Vor allem angesichts der Vorhersage für die nächsten Tage.

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