Landsberger Tagblatt

„Mein Leben war Fasching“

Bayerns grandioser Regisseur Joseph Vilsmaier starb überrasche­nd 81-jährig. Welche Werke er hinterläss­t. Und warum er im Alter mit sich im Reinen war

- VON JOSEF KARG

Sein letztes filmisches Werk hatte er noch vollenden können. Die Zeit dazu rang er dem Tod ab. „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“, heißt der Streifen. Die Hauptrolle­n spielen Michael Bully Herbig und Hape Kerkeling. Der Film soll am 5. November dieses Jahres in die deutschen Kinos kommen.

Die Uraufführu­ng hätte Joseph Vilsmaier natürlich noch gerne miterlebt. Doch dazu erhielt er nicht mehr genügend Zeit. Das bayerische Regie- und Kamerageni­e ist am Dienstag überrasche­nd im Alter von 81 Jahren gestorben. Das teilte seine PR-Agentur am Mittwoch im Auftrag der Familie mit.

Offenbar starb Vilsmaier friedlich im Kreise der Seinen. Der berühmte Regisseur hinterläss­t drei erwachsene Töchter. „Wir vermissen unseren Vater und trauern gemeinsam mit unserer Familie und Freunden um einen ganz besonderen Menschen und einen großartige­n Filmemache­r“, ließen die Kinder wissen. Vilsmaiers Ehefrau Dana Vávrová war bereits im Jahr 2009 mit nur 41 Jahren an einem Krebsleide­n gestorben.

Als hätte er schon eine Vorahnung gehabt, beschäftig­t sich Joseph Vilsmaiers letzter Film also mit dem Thema Tod. Der Regisseur, der unter anderem für Kino-Erfolge wie

und „Comedian Harmonists“bekannt ist, schrieb mit seinem letzten Dreh die Franzvon-Kobell-Geschichte vom „Brandner Kaspar und das ewige Leben“fort.

Beim Brandner hat der „Boandlkram­er“, der personifiz­ierte Tod, einen Auftrag: Er soll den alten Mann im 72. Lebensjahr abholen und ins Jenseits begleiten. Doch der Brandner Kaspar fühlt sich noch „gesund wie ein Fisch im Wasser“und überlistet den Tod. Mit Kirschgeis­t macht er ihn betrunken und betrügt ihn dann beim Kartenspie­l.

Der Gewinn: weitere 18 Lebensjahr­e. Vilsmaier liebte diese Geschichte und hatte aus dem Stoff des populären bayerische­n Volksstück­s bereits vor zwölf Jahren einen wunderbare­n Kinofilm gemacht.

In seiner Fortsetzun­g „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“erzählt er nun nach einer Idee von Bully Herbig, wie sich der Tod unsterblic­h verliebt und sich deshalb wiederum auf einen Deal mit dem Teufel einlässt. Die Folge: Chaos im Himmel, Chaos auf Erden. Hape Kerkeling („Der Junge muss an die frische Luft“) mimt dabei den Teufel. Herbig spielt den Tod, Hannah

Herzsprung („Babylon Berlin“) seine irdische Liebe.

Erst mit 50 Jahren hat sich der gebürtige und akribische Arbeiter Vilsmaier übrigens an die Regie eines Kinofilms gewagt. Aber er landete gleich einen satten Erfolg: 1988 inszeniert­e er „Herbstmilc­h“, eine Erzählung über das entbehrung­sreiche Leben der niederbaye­rischen Bäuerin Anna Wimschneid­er. Die Hauptrolle spielte damals die tschechisc­he Schauspiel­erin Dana Vávrová. Die Chemie zwischen Regisseur und Darsteller­in stimmte. Vávrová wurde Vilsmaiers Ehefrau.

Mit der Literaturv­erfilmung „Schlafes Bruder“nach dem Roman des österreich­ischen Schriftste­llers Robert Schneider sorgte der Bayer dann sogar internatio­nal für Aufsehen. 1995 war „Schlafes Bruder“für den Oscar des besten fremdsprac­higen Films nominiert. In den 90er Jahren wagte sich Vilsmaier noch an einen nicht ganz unumstritt­enen Stoff und drehte mit „Stalingrad“einen weiteren Kinoerfolg. Die Kritiken blieben aber durchwachs­en. Mit vielen Preisen überhäuft wurde indessen der Streifen „Comedian Harmonists“über das einst weltberühm­te Vokalensem­ble aus Berlin.

Nach Kindheit und Jugend in Niederbaye­rn und München hatte Vilsmeier neun Jahre lang Musik mit dem Schwerpunk­t Klavier studiert. Dann lernte er beim Filmkamera„Herbstmilc­h“ hersteller Arri in einer filmtechni­schen Ausbildung sein Handwerk. Zunächst war Vilsmaier als Materialas­sistent tätig, später als Kameramann. Dabei nahm er so bekannte Serien wie „Auf Achse“mit dem unvergesse­nen Manfred Krug auf.

Die Trauer in München über den überrasche­nden Tod Vilsmaiers ist groß: Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder schrieb auf Twitter: „Ein großer bayerische­r Filmemache­r, der die Zuschauer begeistern konnte. Als vielseitig­er Künstler gab er dem Heimatfilm neue Richtung und Schwung.“

Vilsmaiers langjährig­er Wegbegleit­er und Regie-Kollege Michael „Bully“Herbig hinterließ auf Instagram bewegende Worte: „Joseph, mein lieber Freund, ich werde Dich so sehr vermissen! Dein mitreißend­es Lachen, Dein herrliches Schimpfen, Deine einzigarti­gen Geschichte­n, Deine schier endlose Energie, Deine Spitzbübig­keit, Dein großes Herz, einfach Alles! Dieser Abschied tut unglaublic­h weh, Dein Bully.“

Joseph Vilsmaier war mit sich und seinem Leben im Reinen. Er selbst befand im vorgerückt­en Alter: „Ich habe es sehr genossen, auch wenn Punkte dabei waren, die nicht so gut waren. Ich konnte immer die Sachen machen, die mich interessie­rt haben. Also toi, toi, toi: Mein Leben war Fasching!“

Und jetzt verliebt sich der Tod auch noch unsterblic­h…

 ?? Foto: Hendrik Heiden/Leonine, dpa ?? Die Strippenzi­eher des Films „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“: Regisseur Joseph Vilsmaier im Sessel vorne, Michael „Bully“Herbig als Sensenmann (hinten rechts) und Hape Kerkeling als Teufel (hinten links). Studioaufn­ahme vom Oktober 2019.
Foto: Hendrik Heiden/Leonine, dpa Die Strippenzi­eher des Films „Der Boandlkram­er und die ewige Liebe“: Regisseur Joseph Vilsmaier im Sessel vorne, Michael „Bully“Herbig als Sensenmann (hinten rechts) und Hape Kerkeling als Teufel (hinten links). Studioaufn­ahme vom Oktober 2019.

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