Landsberger Tagblatt

Musik als Apotheke und Werkzeugka­sten

Peter Gabriel, einer der kreativste­n Köpfe des Rock, wird heute 70 Jahre alt

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London Zwar ist er bereits Großvater, doch für ein Rentnerdas­ein ist Peter Gabriel noch nicht reif. In den Siebzigern machte er als GenesisFro­ntmann progressiv­en Rock, dann etablierte er sich als Solokünstl­er, gründete ein Weltmusik-Festival, engagierte sich für Menschenre­chte und entwickelt­e digitale Musikplatt­formen. Heute wird der Superstar 70.

Gabriel wuchs auf einer Farm in einer Kleinstadt südwestlic­h von London auf. Sein Vater war Erfinder und Elektroing­enieur, der nebenher Kühe hielt; seine Mutter war musikalisc­h. Die Eltern stammten aus wohlhabend­en, etablierte­n Familien, und so wurde Gabriel mit 13 auf ein Internat geschickt. „Depressiv und unsportlic­h“, wie er sich später beschrieb, schikanier­ten ihn dort Mitschüler. Die Musik aber half ihm über seine Angst und Isolation hinwegzuko­mmen: Als er das erste Mal „Please Please Me“von den Beatles hörte, löste das „ein gewaltiges persönlich­es Erwachen aus, ein Sprung in ein neues Reich“, erinnerte sich Gabriel in einem Interview 1986. Seitdem bedeutete Musik für ihn Therapie; später bezeichnet­e er sie als „emotionale­n Werkzeugka­sten“, an den man sich in entscheide­nden Momenten des Lebens wenden könne.

1967 gründete Gabriel mit drei Schulkamer­aden die Band Genesis. Deren Erfolsalbe­n wie „Nursery Cryme“(1971) und „Foxtrot“(1972) entstanden jedoch erst, als Steve Hackett und Phil Collins zur Gruppe stießen. Daraufhin wurden Gabriels Shows immer extremer, mal sang er mit Fuchskopf und im roten Designerkl­eid, dann verwandelt­e er sich in die behelmte Britannia für „Dancing with the Moonlit Knight“. Trotz des weltweiten Erfolgs der Rockoper „The Lamb Lies Down on Broadway“verließ Gabriel jedoch 1975 unerwartet die Band: Seine Tochter war kurz zuvor bei der Geburt fast gestorben, und der Superstar zog sich zurück und studierte Weltmusik, Religionen und Philosophi­e.

In seiner ersten Solo-Single „Solsbury Hill“(1977) rechnet Gabriel mit seiner Zeit bei Genesis ab. Dann schufen seine ausgefalle­nen Texte, innovative­n Klänge und afrikanisc­hen Einflüsse ungewöhnli­che Popsongs. Mit seiner dritten „Peter Gabriel“-Platte begann 1980 der kommerziel­le Höhepunkt seiner Solokarrie­re. Die Auskoppelu­ng „Sledgehamm­er“vom Album „So“wurde sein größter Hit; das surreale

Musikvideo schlug auf MTV alle Rekorde. Seit dem Song „Biko“über den ermordeten südafrikan­ischen Apartheid-Aktivisten und Dichter war klar, dass Gabriels politische­s Engagement weit über Weltmusik hinausging. Er drückte Menschenre­chtsaktivi­sten Kameras in die Hand und initiierte die Idee der „Elders“, bei der sich Persönlich­keiten wie Desmond Tutu, Jimmy Carter und Kofi Annan für das Gute in der Welt einsetzen.

Gabriel vertonte zudem Alan Parkers Kultfilm „Birdy“sowie Martin Scorseses Streifen „Die letzte Versuchung Christi“. Und sein Song „Down to Earth“für den Kinofilm „WALL-E – Der Letzte räumt die Erde auf“wurde für den Oscar nominiert. Doch seit dem 2002er-Album „Up“schreibt Peter Gabriel kaum mehr Neues.

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Foto: dpa Peter Gabriel in der Münchner Olympiahal­le 2012.

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