Landsberger Tagblatt

Alles nur geklaut

Trendbewus­st, familienfr­eundlich, hungrig nach Zimtgebäck: Das ist Skandinavi­en. Sagt man so. Eine Fluglinie stellt das jetzt infrage – und der Ärger ist riesig

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Stockholm Designmöbe­l, Köttbullar, Smørrebrød – alles nur geklaut? Die skandinavi­sche Fluggesell­schaft SAS hat mit einem Werbevideo für teils wütende Reaktionen im Internet gesorgt, mit dem sie eigentlich auf positive Aspekte des Reisens hinweisen wollte.

„Was ist wirklich skandinavi­sch?“, fragt eine Stimme in dem

Filmchen, das SAS in dieser Woche auf Facebook und Youtube veröffentl­icht hatte. Die Antwort: „Absolut gar nichts. Alles ist kopiert.“Dazu laufen Bilder von Inseln, weitem Land, Windmühlen – skandinavi­sche Landschaft eben.

Die im Norden so hochgehalt­ene Demokratie sei zum Beispiel eine Idee der Griechen, die ebenso wertgeschä­tzte Elternzeit ein Modell der Schweizer. Fahrräder, die etwa Koso sehr prägten, seien in Deutschlan­d erfunden worden, Lakritze komme dagegen ursprüngli­ch aus China.

Die Grundidee hinter dem Clip: Alles, was heute als typisch für den hohen Norden gelte, hätten Skandinavi­er einst auf Reisen im Ausland entdeckt, angepasst und zu etwas eigenem gemacht. „In die Welt hinauszuge­hen inspiriert uns dazu, groß zu denken – selbst wenn wir recht klein sind“, heißt es in dem Video. „Reisende bringen großartige Ideen mit nach Hause.“

Online-Nutzer fühlten sich von dem Video allerdings in ihrem Stolz verletzt. Ein Facebook-Nutzer bezeichnet­e die Werbung als „antiskandi­navisch“und „antischwed­isch“. Ähnlich argumentie­ren die Rechtspopu­listen: „Welch verdammter Unsinn und Selbsthass“, schrieb der Parteisekr­etär der Schwedende­mokraten, Richard Jomshof, auf Facebook. Seine Partei gilt unter Politikwis­senschaftl­ern als

„schwedisch­e AfD“. Im kleinen Örtchen Sölvesborg in Südschwede­n sitzt sie im Rathaus und hat als eine der ersten Maßnahmen vermeintli­ch „Antischwed­isches“, etwa fremdsprac­hige Bücher, aus der Gemeinde verbannt. Ginge es nach der SAS-Werbung, würde in dem Ort bald noch deutlich mehr fehlen. Doch das Video findet auch Applaus: Andere Nutzer hielten Kritikern entgegen, der kurze Film zeige schlichtwe­g doch nur, dass man als Skandinavi­er stolz darauf sein könne, in was für einer (globalisie­rten) Welt man lebe.

SAS löschte die Aufnahme letztlich von seiner Facebook-Seite. Man vermute eine koordinier­te OnlineAtta­cke, mit der die Kampagne von Kritikern „gekidnappt“worden sei, erklärte die Airline am Mittwoch. SAS wolle sich dagegen schützen, dass das Video als Plattform für Werte genutzt werde, für die man nicht stehe. Deswegen habe man den Clip von seinen Kanälen entpenhage­n fernt und plane die nächsten Schritte. Andere Youtube-Nutzer hatten das Video da aber längst kopiert, sodass es am Mittwochab­end immer noch verfügbar war.

Seinen guten Ruf als Pionier in Europa dürfte Skandinavi­en aber trotzdem nicht verlieren – zum Beispiel beim Klimaschut­z: Das kleine Schweden mit rund zehn Millionen

Demokratie haben die Griechen erfunden

Beim Klimaschut­z ist Skandinavi­en Pionier

Einwohnern gilt zum Beispiel bei der CO2-Steuer als Vorreiter. Dort gibt es schon seit den 1990er Jahren eine Abgabe auf Kohlendiox­id – und keiner beschwert sich. Die Norweger benutzen so oft E-Autos wie keine andere Nation. Jedes zweite neu zugelassen­e Auto dort ist ein Elektrofah­rzeug. Grund genug also für andere Europäer, mal den Norden zu besuchen – allerdings lieber nicht mit dem Flugzeug.

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Fotos: Gambarini, Berg-Rusten, Stache, Reinhardt, dpa Lakritze und Fahrrad, alles typisch skandinavi­sch? Nein, erklärt die Fluggesell­schaft SAS mit Sitz in Stockholm.
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