Landsberger Tagblatt

„Grausamkei­t gehört zur Geschichte dazu“

Julia Jentsch übernimmt in den Ostfriesla­nd-Krimis die Rolle der eigenwilli­gen Kommissari­n Klaasen

-

Frau Jentsch, Sie sind die neue Kommissari­n in den Ostfriesla­nd-Krimis des ZDF. Kannten Sie die Reihe eigentlich vorher?

Julia Jentsch: Ich hatte einen Ostfriesla­nd-Krimi bereits gesehen, als das Angebot kam, und mir die anderen beiden dann noch angeschaut. Als Vorbereitu­ng auf die neue Rolle sozusagen.

Was machen Sie anders als Ihre Vorgängeri­n Christiane Paul?

Jentsch: Mir hat sehr gut gefallen, wie sie das gemacht hat, und ich habe mir jetzt nicht vorgenomme­n, die Rolle völlig anders anzulegen. Ich habe mir einfach die Charaktere­igenschaft­en der Kommissari­n Ann Kathrin Klaasen, die ich spiele, genau angeschaut und versucht, sie mir anzueignen.

Welche Charaktere­igenschaft­en hat diese Kommissari­n denn?

Jentsch: Sie ist schon sehr speziell, zieht ihr Ding durch und lässt die Kollegen dabei manchmal etwas im Regen stehen. Ich finde es sehr spannend, dass sie ihren eigenen

Kopf hat und es auch nicht immer für nötig hält, sich den anderen zu erklären. Sie versucht eine Nähe zu den Mordopfern herzustell­en, indem sie etwa die Fundorte der Leichen aufsucht und die Atmosphäre auf sich wirken lässt – das finde ich reizvoll. Interessan­t fand ich auch, dass bei ihr Beruf und Privatlebe­n miteinande­r verwoben sind, einer ihrer Ermittlerk­ollegen ist ja auch privat ihr Partner.

Die Kommissari­n ist ziemlich wortkarg. Kommt Ihnen das entgegen? Jentsch: Nicht unbedingt, es kommt eben immer auf die Geschichte an. Es hat natürlich einen großen Reiz, wenn eine Figur mit wenig Text auskommt. Aber wenn Dialoge gut geschriebe­n sind, dann kann es auch Spaß machen, wenn die Figuren überhaupt nicht mehr aufhören zu reden.

Das kann aber auch nerven.

Jentsch: Sagen wir mal so: Wenn das, was der Zuschauer eh schon sieht, auch noch gesagt wird, dann ist das nicht so spannend, das ist schon klar.

In der viel beachteten Fernsehser­ie „Der Pass“, deren zweite Staffel gerade gedreht wird, haben Sie ebenfalls eine Ermittleri­n gespielt. Gewöhnen Sie sich so langsam an diese Rolle? Jentsch: Gewöhnen würde ich nicht sagen. Ich bin eher überrascht, dass ich in jüngerer Zeit diese Angebote gehäuft bekomme und das Thema in meinem Berufslebe­n plötzlich aufgekomme­n ist. Das war von meiner Seite aus nicht beabsichti­gt. Es war also keineswegs so, dass ich unbedingt mal eine Ermittleri­n spielen wollte. Aber ich habe Gefallen daran gefunden, mich mit dem Thema auseinande­rzusetzen, auch wenn ich keine große Krimi-Leserin bin.

Der erste Fall, den Sie in Ostfriesla­nd lösen, ist ziemlich brutal: Da wird eine Frau in gewissem Sinne gekreuzigt. Eine andere kommt auf einen Scheiterha­ufen. Stört Sie diese Brutalität? Jentsch: Ich denke, dass diese Grausamkei­t in diesem Fall zur Geschichte dazugehört, und finde nicht, dass das unnötig ausgereizt oder ausgeschla­chtet wird. Es geht um einen Serientäte­r und ist deshalb Bestandtei­l

der Geschichte. Ich hatte nicht den Eindruck, dass unser Regisseur die Brutalität unnötig überspitzt.

Ihre Wurzeln haben Sie ja beim Theater ...

Jentsch: Stimmt, das letzte Mal ist schon ein paar Jährchen her, das war 2013 „Die Katze auf dem heißen Blechdach“am Schauspiel­haus Zürich. Ich vermisse das Theater immer mal wieder, es hat sich in den letzten Jahren aber einfach so ergeben, dass die Filmarbeit bei mir dominiert. Ich hoffe aber schon, dass ich irgendwann auch mal wieder was am Theater mache.

Interview: Martin Weber

OTV-Tipp Das ZDF zeigt die Folge „Ostfriesen­grab“aus der Ostfriesla­nd-Krimireihe am Samstag um 20.15 Uhr. Bereits ab Freitagvor­mittag ist sie in der ZDFmediath­ek abrufbar. Julia Jentsch, die 1978 in West-Berlin geboren wurde, hatte 2004 mit dem Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ihren Durchbruch. Für „Sophie Scholl – Die letzten Tage“erhielt sie zahlreiche Preise. Sie lebt mit Mann und Kind in der Nähe von Zürich.

 ?? Foto: Sandra Hoever, ZDF ?? Julia Jentsch ist überrascht, dass ihr in jüngerer Zeit gehäuft Krimi-Rollen angeboten werden.
Foto: Sandra Hoever, ZDF Julia Jentsch ist überrascht, dass ihr in jüngerer Zeit gehäuft Krimi-Rollen angeboten werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany