Klinsmann will seinen guten Ruf retten
32 Stunden nach seinem Rücktritt entschuldigt sich der Trainer für die Art und Weise. Seine Zukunft im Aufsichtsrat ist noch ungeklärt, am Donnerstag geben die Verantwortlichen Antworten
Berlin Mit ernstem Blick saß Jürgen Klinsmann an einem silbernen Laptop. In einem gut 13-minütigen Monolog entschuldigte sich der frühere Bundestrainer vor einer InternetKamera erst bei den Fans von Hertha BSC für die Umstände seines Hauruck-Abgangs und versuchte dann, mit emotionalen Worten seinen schwer beschädigten Ruf zu retten. „Die Art und Weise ist natürlich fragwürdig“, sagte Klinsmann im Videochat über den Rücktritt als Chefcoach nach nur elf Wochen. Aufgrund seiner Klage über viele „Nebenkriegsschauplätze“im Verein, der deutlichen Kritik an der Rolle von Manager Michael Preetz und seiner offenen Zukunft als Aufsichtsrat könnten die Schockwellen des Rücktritts beim Hauptstadtklub aber zu einer Zerreißprobe führen.
„Das ist allen überlassen bei der Hertha, da habe ich gar kein Problem damit“, sagte Klinsmann über eine mögliche Rückkehr ins Aufsichtsgremium. „Da sollen die Leute sagen, wie sie es wünschen.“In einem Krisen-Telefonat hatten zuvor Klub-Präsident Werner Gegenbauer und Investor Lars Windhorst den Weg aus der Notlage besprochen. Dem Vernehmen nach ist auch der Geldgeber nicht begeistert über den emotionalen Abschied Klinsmanns, den er selbst als engen Vertrauten in den Aufsichtsrat berufen hatte. Sein Abschied habe nichts mit Geldforderungen
zu tun gehabt, betonte Klinsmann, sondern lediglich mit seinem Wunsch nach mehr Kompetenzen. „Es kann nur einer sein, der entscheidet, und das ist der Trainer“, sagte der 55-Jährige und meinte mit Bezug auf Sport-Geschäftsführer Preetz: „Da haben wir uns aufgerieben in vielen, vielen Nebenkriegsschauplätzen.“Ihm sei „unglaublich aufgestoßen“, dass der Manager auf der Bank sitze und seine Kommentare abgebe.
Vor dem Videochat hatte Klinsmann angekündigt, Fragen beantworten zu wollen, ging aber anders als in seiner Zeit als Hertha-Coach nicht konkret auf einzelne Nutzer im Netz ein. Es droht eine öffentliche Schlammschlacht. Der Klub demonstrierte zumindest mit der Einladung für eine gemeinsame Pressekonferenz
von Windhorst, Vereinspräsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz am Donnerstag (11.30 Uhr) Geschlossenheit. Viele Fragen sind für das angekündigte Ende des Schweigens von den Vereinsverantwortlichen offen: Wer folgt dauerhaft auf Klinsmann als Chefcoach der Berliner? Ähnlich wie schon bei vergangenen Trainersuchen werden Bruno Labbadia und Roger Schmidt als mögliche Kandidaten gehandelt. Nachdem der frühere Wunschkandidat Niko Kovac bereits abgewunken hatte, wollte sich Schmidt auf Anfrage nicht äußern. Wie verschiebt sich das Machtgefüge im Klub durch den Rücktritt von Klinsmann mit Blick auf Investor Windhorst? Klinsmann hatte in einem Bild-Interview und wiederholt im Videochat seinen
Wunsch nach deutlich mehr Kompetenzen offenbart und beklagt, dass diese Situation sich zuletzt „noch verschlechtert“habe. Der damit angesprochene Manager Preetz wird dem alten Lager mit Klubchef Gegenbauer zugerechnet.
Die Kritik an Klinsmann reißt unterdessen nicht ab. Dass der frühere Bundestrainer „charakterlich so danebenliegt, einfach die Flinte ins Korn schmeißt und sagt ,Ich geh jetzt mal nach Kalifornien, das war’s jetzt für mich‘“, habe Preetz nicht wissen können, sagte Hertha-Legende Axel Kruse. Stefan Effenberg schlug sich hingegen auf die Seite Klinsmanns. „Wenn sich einige im Verein über den zunehmenden Druck beschweren oder damit nicht umgehen können, dann kann ich das schwer nachvollziehen.“