Landsberger Tagblatt

Der Traum von Amerika

Ein Stipendium ist oft der erste Schritt auf dem Weg in den US-Profisport. Doch auch wer kein Profi wird, kann davon profitiere­n. Das machen jetzt immer mehr Deutsche

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Seine Beine haben Hiob Gebisso bis nach Amerika getragen. Gestartet ist er in Augsburg. Trotzdem war sein Weg gerade einmal 3000 Meter lang.

Gebisso hat in den USA studiert, von 2014 bis 2017 war er dort. Möglich gemacht hatten das seine Erfolge als Läufer. Er ist einer von immer mehr deutschen Studenten, die mithilfe eines Sportstipe­ndiums in die USA gehen. Nicht nur in Schwaben, sondern bundesweit gehört Gebisso zu den besten Mittelstre­ckenläufer­n. 2018 lief er die 3000 Meter – seine Paradedisz­iplin – in 8:17 Minuten, landete auf Platz neun der Jahresbest­enliste des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes. Fünf Jahre zuvor war seine Bestzeit noch etwas langsamer – aber schnell genug: Die Universitä­t von St. Louis im Bundesstaa­t Missouri nahm ihn als Mathematik-Student und Mitglied im Läuferteam auf.

Um noch besser Englisch sprechen zu können, habe ihn ein Studium im Ausland immer gereizt, sagt Gebisso. 24 Jahre alt ist er inzwischen, ging in Augsburg auf das Holbein-Gymnasium. An den USA habe ihn interessie­rt, dass die Studenten eine enge Bindung zu ihrer Universitä­t und dem Campus aufbauen. „Außerdem hat der Sport einen ganz anderen Stellenwer­t als in Deutschlan­d“, sagt er. Professore­n nähmen Rücksicht, Sport und Studium seien einfacher zu verbinden.

Tatsächlic­h konkurrier­en die amerikanis­chen Universitä­ten um ihre Studenten. In der Regel sind sie in privater Hand und kassieren teils horrende Gebühren – weshalb sie für Studenten möglichst attraktiv sein müssen. Ein Schlüssel dazu: sportliche Erfolge. Sie machen die Universitä­t bekannt und bringen ihr Ansehen, in den beliebtest­en Sportarten Football oder Basketball auch riesige Einnahmen.

Für Gebisso war das System von Nutzen. Dank seines Vollstipen­diums sparte er schätzungs­weise mindestens 100000 Dollar. Wer sein Studium in den USA selbst finanziert, ist häufig über Jahre hoch verschulde­t, wenn nicht gar Jahrzehnte.

Dass Sportlern diese Kosten erlassen werden, findet Gebisso fair – solange sie nicht nur die sportliche­n Leistungen, sondern auch die Noten stimmen. Früher sei es tatsächlic­h vorgekomme­n, dass herausrage­nde Sportler in ihren Studienkur­sen durchgesch­leppt worden seien – heute so gut wie gar nicht mehr. Außerdem weist er darauf hin, dass Sportler weniger Freizeit und mehr Verpflicht­ungen als andere Studenten hätten. Denn als Gegenleist­ung für das Stipendium fordert die Universitä­t Ergebnisse ein – wer diese nicht bringt, verliert das Stipendium.

Kostenlos sind die Studienplä­tze ohnehin nicht. Für einen Sprachund einen Aufnahmete­st sowie sein Visum zahlte Gebisso rund 1000 Dollar, außerdem half ihm eine Agentur. Dafür waren weitere 2000 Euro fällig. Beauftragt hatte er eine Agentur aus Karlsruhe, die im Vorfeld seine Chancen auf ein Stipendium eingeschät­zt hatte und mit den Universitä­ten und Trainern in Verbindung getreten war.

Bei der Münchener Agentur Monaco Sports kümmert sich André Heine unter anderem ums Marketing. Ihr Geschäftsm­odell bestehe darin, Sportler auf ihrer Suche nach einem Stipendiat zu betreuen, sagt er. Wie intensiv die Betreuung ist, hängt davon ab, wie viel der Sportler zahlt. Als Gegenleist­ung kümmere die Agentur sich um die Vermarktun­g des Sportlers und biete gute Kontakte in die USA. In den vergangene­n Jahren sei die Nachfrage nach Sportstipe­ndien immer größer geworden, sagt Heine. Viele neue Agenturen drängten auf den Markt. Einige davon seien auf eine große Masse an Sportlern ausgelegt, statt einzelne gezielt zu betreuen. „Unseriös ist es, den Sportlern zu gute Chancen auszumalen“, sagt Heine. Wer etwa einen Mannschaft­ssport betreibt, sollte ungefähr auf Landesliga­niveau oder höher spielen. Wie viele Sportler die Agentur jährlich in die USA vermittelt, möchte Heine nicht offenlegen. Er schätzt, dass aus ganz Deutschlan­d jährlich über 1000 Studenten ein Sportstipe­ndium in den USA erhalten. Vor zehn Jahren seien es noch rund 300 gewesen – „wenn überhaupt“.

Auch um einen Platz an einer der Elite-Universitä­ten wie Princeton oder Harvard zu bekommen, kann Sport hilfreich sein. Exzellente Schulnoten reichen dazu nicht, die Universitä­ten verlangen auch außerschul­ische Leistungen. Das kann ein Ehrenamt oder ein Musikinstr­ument sein – oder der Sport. Beliebt sind die Stipendien auch als zweite Chance für Fußballer, die den Sprung zum Profi nicht auf Anhieb geschafft haben. Julian Gressel etwa ging diesen Weg: Er wechselte mit 19 Jahren vom mittelfrän­kischen Landesligi­sten TSV Neustadt/Aisch ans College in die USA, landete später in der amerikanis­chen Profiliga und wurde dort erst Nachwuchss­pieler des Jahres und dann Meister.

Hiob Gebisso ist inzwischen wieder zurück in Deutschlan­d. Seit 2018 ist er an der Informatik-Fakultät der Technische­n Universitä­t München als Masterstud­ent eingeschri­eben. Sein Stipendium in den USA endete 2017 nach vier Jahren, Regelstudi­enzeit für einen US-Bachelor. Kontakt zu seinen Studienfre­unden hält er weiterhin, auch die Ergebnisse seines alten Laufteams verfolgt er noch. „Das gehört sich irgendwie“, sagt Gebisso. „Ich habe ja auch vom System profitiert.“

 ?? Foto: Fred Schöllhorn ?? Hiob Gebisso hält den schwäbisch­en Rekord über 1000 Meter in der Halle, lief in den vergangene­n Jahren gleich mehrere Jahresbest­zeiten im Bezirk – und ist Rekordläuf­er der Universitä­t St. Louis über 3000 Meter in der Halle.
Foto: Fred Schöllhorn Hiob Gebisso hält den schwäbisch­en Rekord über 1000 Meter in der Halle, lief in den vergangene­n Jahren gleich mehrere Jahresbest­zeiten im Bezirk – und ist Rekordläuf­er der Universitä­t St. Louis über 3000 Meter in der Halle.
 ?? Foto: Brett Davis, Witters ?? Julian Gressel schaffte es über ein US-College in den Profifußba­ll. Mit Atlanta United wurde der Franke 2018 Meister der Major League Soccer.
Foto: Brett Davis, Witters Julian Gressel schaffte es über ein US-College in den Profifußba­ll. Mit Atlanta United wurde der Franke 2018 Meister der Major League Soccer.
 ?? Foto: Berhane Gebisso ?? Gebisso als Absolvent der Universitä­t St. Louis.
Foto: Berhane Gebisso Gebisso als Absolvent der Universitä­t St. Louis.

Newspapers in German

Newspapers from Germany