Landsberger Tagblatt

Die CDU hat zu viele Möchtegern-Kanzler

Vier Aspiranten, aber nur ein Amt: Im Kandidaten­rennen um den Vorsitz kann die Partei noch viele Fehler machen. Übertriebe­nes Teamdenken ist einer davon

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger-allgemeine.de

Es kann nur einen geben. Schon der Versuch, aus mehreren Kontrahent­en mit den gleichen Ambitionen eine Art Team zu formieren, ist absurd. Rudolf Scharping, Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine haben es im Wahlkampf 1994 mit ihrer berühmten Troika um den Kanzlerkan­didaten Scharping trotzdem gewagt – und sind an ihren eigenen Animosität­en gescheiter­t. Erst vier Jahre später, als die SPD in Teilen noch zweifelnd, aber nach außen geschlosse­n hinter Schröder stand, wurde aus ihrem Kandidaten auch ein Kanzler.

Der CDU geht es im Moment ähnlich. Nach der überrasche­nden Bewerbung des früheren Umweltmini­sters Norbert Röttgen hat die Partei jetzt vier potenziell­e Vorsitzend­e, die in Naturell und Politikver­ständnis unterschie­dlicher kaum sein könnten: den liberal-leutselige­n Armin Laschet, den konservati­v-kühlen Friedrich Merz, den szenig-smarten Jens Spahn und den agil-angegrünte­n Röttgen. Diese vier nur um des Parteifrie­dens willen in ein gemeinsame­s Korsett zu zwingen, ohne dabei ständig neue Spannungen zu produziere­n, ist schlechter­dings unmöglich. Die CDU wird sich daher entscheide­n müssen. Wie die SPD 1998 auch.

Für eine Partei, der ihre Geschlosse­nheit über alles geht, ist das eine ziemlich ungemütlic­he Vorstellun­g – gleichzeit­ig aber bietet das Kandidaten­rennen um den Vorsitz der CDU die Gelegenhei­t, ihre durch Angela Merkels Regierungs­stil bis zur Unkenntlic­hkeit abgeschlif­fenen Kanten wieder zu schärfen und sich ihrer selbst neu zu vergewisse­rn. Sieht die Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl sich heute als Wettbewerb­erin in einer neuen Mitte, die erkennbar weiter links steht als die neue Mitte von Gerhard Schröder? Betont sie ihr wertkonser­vativ-bürgerlich­es Erbe wieder stärker? Oder mogelt sie sich irgendwie herum um all diese Fragen, als gebe es keine

AfD und keine Umfragewer­te weit unter der 30-Prozent-Marke?

Die Entscheidu­ng über ihren Vorsitzend­en ist, ob die CDU es will oder nicht, auch eine Richtungse­ntscheidun­g, die vermutlich auf eine Frage hinausläuf­t: Laschet oder Merz? Beides zusammen wird die Union kaum bekommen, einen konservati­ven Aufbruch und die Fortsetzun­g der Merkel-Politik mit anderen Mitteln. Und auch das erinnert, ein wenig, an die Sozialdemo­kratie im Frühjahr 1998, die sich ja ebenfalls zwischen zwei Antipoden entscheide­n musste: hier der Linke Lafontaine, der Liebling der Basis, dort der Pragmatike­r Schröder, der Genosse der Bosse.

So gesehen ist der Parteimann Laschet heute der Lafontaine der CDU – und der Umfragekön­ig Merz ihr skeptisch beäugter Schröder. Beide zusammen bilden die ganze

Bandbreite der Union ab, ohne aber so zu harmoniere­n, dass der eine Parteichef werden könnte und der andere Kanzlerkan­didat. Die Sehnsucht nach einer einvernehm­lichen Lösung mag noch so groß sein: Solange die CDU nur ein Amt zu vergeben hat, nämlich den Parteivors­itz, erübrigen sich alle Spekulatio­nen über die von Laschet beschworen­e Mannschaft­slösung oder eine Ämterteilu­ng nach der Wahl, bei der einer der vier Kanzler wird, einer Fraktionsv­orsitzende­r und die beiden anderen Minister. Noch hat die Union die Wahl nicht gewonnen. Und je länger sie zaudert, umso geschäftss­chädigende­r wird die Hängeparti­e mit vier Möchtegern-Kanzlern für sie.

Die SPD hat sich 1998 nach Gerhard Schröders Triumph bei der Wahl in Niedersach­sen für den Kandidaten mit den größten Erfolgsaus­sichten entschiede­n und ihren Wahlkampf damals ganz auf ihn zugeschnit­ten. Scharping und Lafontaine wurden unter Schröder später Minister – wenn auch nur für kurze Zeit. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

Auch die Troika der SPD war kein Erfolgsmod­ell

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