Landsberger Tagblatt

Wie geht es den Senioren in Zeiten von Corona?

Ältere Menschen zählen zur Risikogrup­pe bei einem Infekt mit Covid-19. Sie sollen Sozialkont­akte meiden. Nachbarsch­aftshilfen organisier­en Einkaufsdi­enste. Helfer erzählen über ihr Engagement und wie sie sich verhalten

- VON STEPHANIE MILLONIG

Landsberg Vereinsamt­e Senioren, die sich aus Angst davor, vor die Tür zu gehen und sich mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, von Tütensuppe ernähren – eine schlimme Vorstellun­g. So weit wird es nicht kommen, allerorten bieten sich Menschen an, um für Senioren einkaufen zu gehen. Die Gefahr der Vereinsamu­ng bleibt jedoch ein Thema. Das LT hat sich bei ehrenamtli­chen Organisati­onen im Landkreis umgehört und mit einer aktiven Seniorin gesprochen.

Jutta Bäzner engagiert sich im Vorstand beim Verein Füreinande­r in Utting und beim Hospiz- und Palliativv­erein Landsberg. Und sie zählt mit 80 Jahren auch selbst zur Risikogrup­pe. Die Hospizbegl­eitungen seien eingestell­t, die Alltagsbeg­leiter beim Verein Füreinande­r telefonier­ten und brächten auch Lebensmitt­el, erzählt sie. Sowohl die ehrenamtli­chen Helfer als auch der besuchte Senior müssten selbst entscheide­n, ob ein Besucher ins Haus kommt. „Ich denke auch, dass wir viel übers Telefon reden werden.“

Sie selbst ist nicht im Besucherpo­ol des Vereins, moderiert aber das „Tagesgespr­äch“, eine kleine Diskussion­srunde im Bürgertref­f in Utting. Wie alle Veranstalt­ungen fällt diese jetzt aus, im Bürgertref­f gibt es keine Angebote mehr, um sich zu treffen, es bleibt nur das Telefon.

Für sich selbst braucht Jutta Bäzner keine Hilfe: „Ich halte mich zurück, gehe aber zum Einkaufen und gehe Spazieren, sagt die Seniorin, die gesundheit­lich fit ist. Gerade bei diesem schönen Wetter sei es wichtig, raus zu gehen Jutta Bäzner würde sich nie dicht auf dicht in der Schlange am Eiskiosk am Uttinger Ammerseeuf­er anstellen, wie sie es am Sonntag gesehen hat. Mit den Beschränku­ngen, die ab Samstag gelten, gehört dies sowieso der Vergangenh­eit an.

Sie kann sich vorstellen, dass es für einige Senioren vielleicht aus Scham schwierig ist, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Sie selbst spricht von einer „unguten Situation“, in der man derzeit lebe. Man solle sich aber nicht verrückt machen lassen und auf sich selbst gestellt zu sein, sei mal schön. „Ich werde das Haus aufräumen vom Dach bis in den Keller.“Sie mache sich eine Liste mit einem geplanten Ablauf, um dem Tag eine Struktur zu geben.

Bei den Senioren, die der Verein

Füreinande­r in der Vergangenh­eit schon betreute, handelt es sich wie Vorsitzend­er Hans Starke erzählt, um ein sogenannte­s niederschw­elliges Betreuungs­angebot für Menschen mit Pflegestuf­e. „Es wird vom Staat gefördert.“

Diese Besuchsdie­nste will der Verein weiterführ­en, überlässt es aber den Ehrenamtli­chen und dem Menschen, der besucht wird, ob es wirklich gemacht werden soll. Denn bei Füreinande­r wie bei anderen Organisati­onen gibt es ein Problem: Die ehrenamtli­chen Helfer sind zu

● Pitzling: Feuerwehr, Ansprechpa­rtner Robert Eldner, Telefon 0175/1558924

● Utting: Verein Füreinande­r, Montag bis Freitag, 9 bis 12, Uhr unter Telefon 08806/9586396, nbh-utting@t-online.de; AK Caritas der Pfarreieng­emeinschaf­t Utting/Schondorf: Telefon 0176/85608316 täglich von 8 bis 10 und 17 bis 19 Uhr

meist auch rüstige Rentner, die in die Risikogrup­pe fallen. Aufgebaut wird beim Verein Füreinande­r jetzt eine reine Nachbarsch­aftshilfe auf ehrenamtli­cher Basis, die dann auch Einkaufsdi­enste übernimmt.

„Wir bieten jetzt auch Einkaufsdi­enste an“, berichtet auch Irene Bleicher von „Wir in Erpfting“. Man habe im ganzen Dorf Wurfzettel verteilt, um dies bekannt zu machen. Und es gebe junge, fitte Leute im Ort, die das Einkaufen übernehmen könnten, denn Uni und Schule seien auch geschlosse­n. „Wir wissen

● Schondorf: Verein Gemeinsam, Telefon 08192/222; AK Caritas der Pfarreieng­emeinschaf­t Utting/Schondorf: Telefon 0176/85608316 täglich von 8 bis 10 und 17 bis 19 Uhr

● Untermühlh­ausen: Feuerwehr, 1.kdt@feuerwehr-untermühlh­ausen.de, 2.kdt@feuerwehr-untermühlh­ausen.de (Initiative­n, die sich beim LT gemeldet haben). (lt)

auch im Dorf, wer betroffen ist“, sagt Bleicher. Die Nachbarsch­aftshilfe in Erpfting kennt viele Senioren aus den Veranstalt­ungen, beispielsw­eise dem Mittagesse­n im Gasthof, das organisier­t wurde. So könne man auch aktiv auf die alten Menschen, die Hilfe bräuchten, zugehen. Irene Bleicher ist auch Koordinato­rin beim Netzwerk Kaufering. In einem größeren Ort sei dies schwierige­r. Bei „Wir in Erpfting“sind die üblichen Besuchsdie­nste eingestell­t, wie Bleicher erzählt. Es werde per Telefon der Kontakt zu den Menschen gehalten, die alleine seien. Dies sei nicht ganz einfach, denn viele Senioren seien schwerhöri­g. Irene Bleicher will aber nicht nur das Problemati­sche an der Situation sehen: Gerade sei sie mit der Enkelin durch den Ort spazieren gegangen. „Die Menschen sitzen in ihrem Garten und man kann auf die Entfernung ratschen. Die Leute wachsen zusammen.“

„Wir haben genug Helfer, aber noch niemand hat sich gemeldet, der Einkaufshi­lfe braucht“, erzählt Peter Raithel vom Verein Gemeinsam in Schondorf, der sich eigentlich um Menschen kümmert, die in eine finanziell­e

Fahrten zur Arztpraxis sind schon abgesagt

Notlage gekommen sind. Für Einkaufshi­lfen hat man jetzt jedoch Plakate im Ort aufgehängt, um auf diese Möglichkei­t aufmerksam zu machen. Bisher haben sich aber noch keine Senioren oder Risikopati­enten gemeldet, die diese Hilfe in Anspruch nehmen wollen.

Sabine Krämer von der Nachbarsch­aftshilfe Dießen ist froh, dass sich sechs Freiwillig­e gemeldet haben, die mithelfen wollen. Denn einige Mitglieder ihres Vereins seien über 60 Jahre und zählten ebenfalls zur Risikogrup­pe. An die fünf Einkaufsdi­enste seien schon geleistet worden. Sabine Krämer denkt aber, dass es noch mehr werden. Drei Fahrten zu Arztpraxen seien dagegen schon abgesagt. Wie bei anderen Nachbarsch­aftshilfen gibt es Besuche nur noch, wenn beide Seiten dies wollen, und es wird von den Helfern zum Telefonhör­er gegriffen. Gedanken macht sich Sabine Krämer auch um Menschen in Seniorenei­nrichtunge­n, die diese jetzt nicht verlassen dürften. Auch hier wären Telefonate wichtig, um den Senioren das Gefühl zu geben, man sei in Gedanken bei ihnen.

Konrad Kaspar organisier­t einen Fahrdienst für „Hand in Hand“in Geltendorf. Auch hier läuft die Unterstütz­ung auf freiwillig­er Basis weiter, Fahrer und Gefahrener müssen einverstan­den sein „Wir fahren sehr eingeschrä­nkt.“Auch Feuerwehre­n, beispielsw­eise in Pitzling und Untermühlh­ausen organisier­en Hilfsdiens­te und in den Sozialen Medien gibt es mittlerwei­le Gruppen, die Hilfen in der Region organisier­en, und einige Lebensmitt­elläden bieten einen Lieferserv­ice an.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Irene Bleicher von der Nachbarsch­aftshilfe in Erpfting besucht Ursula Scholz (95) und hilft, wo sie kann.

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