Landsberger Tagblatt

Die Stille beim Begräbnis

Die Ausgangsbe­schränkung­en des Freistaats haben auch drastische Folgen für Begräbniss­e. Was das für Hinterblie­bene, aber auch für das Gemeinscha­ftsleben gerade auf dem Land bedeutet. Ein Fall in Eresing

- VON GERALD MODLINGER

Die Ausgangsbe­schränkung­en des Freistaats haben teils drastische Auswirkung­en auf Beerdigung­en. Das LT berichtet heute über einen Fall in Eresing.

Landkreis Es wäre wohl eine größere Beerdigung geworden, doch als Franz Rother am Freitag in Eresing zur letzten Ruhe gebettet wurde, standen nur ganz wenige Menschen am Grab des 93-Jährigen, der jahrzehnte­lang in Pflaumdorf und Eresing eine der prägenden Gestalten im gesellscha­ftlichen Leben war. Die aktuelle Corona-Krise lässt keinen Raum mehr für große Trauerfeie­rn, wie sie gerade auf den Dörfern das soziale Leben prägen.

Am Grab von Franz Rother, der unter anderem Ehrenschüt­zenmeister der Edelweiß-Schützen in Pflaumdorf war, hätten sich Fahnen gesenkt und Vereinsvor­sitzende hätten ehrende Nachrufe gesprochen, doch die aktuellen Beschränku­ngen ließen all das nicht zu. Nur wenige Minuten dürfte die von Pfarrer Thomas Wagner geleitete Bestattung­szeremonie gedauert haben, sagt Christa Seiter, Schützenme­isterin der Edelweiß-Schützen. „Die Beerdigung war um halb drei, und um zehn vor drei ist der Pfarrer schon vor mir in Richtung Geltendorf gefahren“, erzählt sie dem LT.

Das ist vor allem auf den Dörfern eine ungewöhnli­che Situation. Wenn jemand beerdigt wird, sei das oft ein „gesellscha­ftliches Ereignis“, sagt Seiter. Sie hat das selbst vor neun Jahren erfahren, als ihr Mann Peter bei einem Motorradun­fall auf dem Weg zur Arbeit ums Leben kam. Hunderte Menschen seien damals bei der Beerdigung gewesen. Seit dem allgemeine­n Veranstalt­ungsverbot ist dies bis vorerst 19. April nicht mehr denkbar. Damit sind auch Trauergott­esdienste, Aussegnung­en, Verabschie­dungen und Beisetzung­en grundsätzl­ich untersagt. Der Rahmen für Ausnahmen ist eng gesteckt: Es dürfen höchstens 15 Personen plus Bestattung­spersonal und Pfarrer teilnehmen, der Bestattung­stermin dürfe nicht bekannt gegeben werden und wer Fieber oder Symptome einer Atemwegser­krankung zeigt, darf nicht dabei sein. Mindestabs­tände von eineinhalb Metern sind einzuhalte­n, Erde auf den Sarg im offenen Grab zu werfen und diesen mit Weihwasser zu besprengen, ist verboten.

Die katholisch­e Kirche reduziert deshalb die dreiteilig­e Zeremonie aus Aussegnung, Requiem und Bestattung auf die Bestattung, erklärt Pfarrer Thomas Wagner. Rosenkranz­gebete, die in den Tagen zwischen Sterben und Beerdigung gehalten werden, hat das Gesundheit­sministeri­um ebenfalls untersagt.

„Das ist einfach würdelos“, sagt Christa Seiter, „und das wird in den nächsten Wochen noch mehr Menschen treffen.“Es geht ihr dabei nicht um das äußere Ereignis. Aber den Hinterblie­benen sei auch oft die öffentlich­e Anteilnahm­e wichtig, um die Trauer zu bewältigen. Auch der sogenannte Leichensch­maus, der derzeit wegen der geschlosse­nen

Gaststätte­n nicht möglich sei, sei „unheimlich wichtig“, in schweren Stunden müsse auch gelacht werden können, sagt Seiter, „das gehört alles dazu“. Gerade auch für die Älteren seien Beerdigung­en wichtige soziale Kontakte. Nicht umsonst heiße es: „Früher hat sich die Verwandtsc­haft bei den Hochzeiten getroffen, jetzt bei den Beerdigung­en.“Freilich sei ihr auch bewusst, dass es derzeit keine Alternativ­e gebe. Sie hoffe nur, dass die Ausgangsbe­schränkung­en wie erhofft das Infektions­geschehen beruhigen und sich der Alltag bald wieder normalisie­re.

Drei Beerdigung­en seien bislang in seiner Pfarreieng­emeinschaf­t innerhalb von acht Tagen von den Beschränku­ngen betroffen gewesen, berichtet Pfarrer Wagner, eine für die Angehörige­n und die Vereinsver­treter oft „schmerzhaf­te“Situation, wie er einräumt. Dazu komme, dass auch die Krankenbes­uche nicht mehr möglich seien, nur die Krankensal­bung dürfe (auch im Krankenhau­s) gespendet werden, berichtet Wagner weiter. Er versuche aber, telefonisc­h mit den Kranken in Kontakt zu bleiben, wie er überhaupt auch für alle seine Priesterko­llegen versichert: „Wir sind zwar daran gehindert, persönlich bei den Menschen zu sein, wir sind aber da, wir schauen, wie wir nach bestem Wissen und Gewissen die Menschen unterstütz­en können.“

Auch er hofft, dass die Beschränku­ngen des öffentlich­en Lebens bald wirken. Dabei hat er auch die Karwoche und Ostern und die abgesagten Erstkommun­ionfeiern im Blick. „Euer Fest wird das erste sein, das wir feiern werden“, verspricht Wagner den Kindern. Die ausfallend­en Trauergott­esdienste will er nachholen. Er stellt sich vor, in jeder Pfarrei, in der keine Trauerfeie­rn stattfinde­n konnten, ein Requiem gegebenenf­alls auch für mehrere Verstorben­e gemeinsam abzuhalten, so wie an Allerheili­gen. Darauf hofft auch Schützenme­isterin Christa Seiter, und sie wünscht sich, dass dabei auch den Vereinen Gelegenhei­t gegeben wird, ihren verstorben­en Mitglieder­n in geeigneter Weise die letzte Ehre zu erweisen.

Das Gesundheit­sministeri­um rät, Bestattung­en zu verschiebe­n. Am leichteste­n gehe dies bei Feuerbesta­ttungen, sagt der Landsberge­r Bestatter Wolfgang Engelmann. Erdbestatt­ungen müssten jedoch normalerwe­ise binnen 96 Stunden stattfinde­n. Einen Trend zu mehr Urnenbesta­ttungen habe er wegen der aktuellen Situation aber noch nicht feststelle­n können. Für ihn stelle sich aber auch noch eine andere Frage: Könne man überhaupt noch von einer Trauerfeie­r sprechen, wenn diese vier oder acht Wochen später stattfinde? » Seite 23

Mehr als 15 Personen dürfen nicht teilnehmen

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Foto: Thorsten Jordan Die aktuellen Ausgangsbe­schränkung­en wegen der Corona-Krise haben auch deutliche Auswirkung­en auf die Begräbnisr­iten. Unter anderem dürfen nur noch wenige Personen an Bestattung­en teilnehmen.

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