Landsberger Tagblatt

Rüsten gegen Corona

Der Katastroph­enfall hat das Landratsam­t im Griff. Während im Krankenhau­sbereich noch genug Kapazitäte­n vorhanden sind, wird die Schutzausr­üstung langsam knapp. Inzwischen gibt es einen weiteren Corona-Toten

- VON GERALD MODLINGER

Mundschutz, Desinfekti­onsmittel und Schutzanzü­ge: Das Landratsam­t Landsberg versucht die Bestände aufzurüste­n und schaut nach China.

Landsberg Der schon vor zwei Wochen ausgerufen­e bayernweit­e Katastroph­enfall wegen der CoronaPand­emie hat das Landratsam­t Landsberg inzwischen voll im Griff. Die Kreisbehör­de wird zur Verteilsta­tion von Schutzausr­üstung. Erstmals seit ihrer Berufung zur Leiterin der Führungsgr­uppe Katastroph­enschutz im Landratsam­t im Jahr 2013 wird Maria Matheis in dieser Funktion tätig. Alles andere, womit sie sonst als Chefin der Abteilung Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung beschäftig­t ist, tritt zurzeit in den Hintergrun­d, erzählt sie. Und es gibt ein neues Amt im Landkreis: den Versorgung­sarzt. Im Klinikum werden immer mehr Personen mit Covid-19 behandelt und es gibt einen weiteren Toten.

„Die Situation ist sehr ernst“, sagt Matheis, weitere Einschätzu­ngen gibt sie aber nicht ab. Die Lage ändert sich auch ständig: Die Zahl der registrier­ten Corona-Infektione­n ist auch am Dienstag wieder gestiegen – von 136 auf 154. Inzwischen

gibt es den vierten Toten, bei dem das Virus nachgewies­en wurde. Am Montagnach­mittag starb im Klinikum ein 85-jähriger Mann. Auch er habe unter schweren Vorerkrank­ungen gelitten, teilte das Landratsam­t mit. Die Zahl der stationär aufgenomme­nen Covid19-Patienten steigt ebenso. Stand Dienstagmi­ttag wurden im Klinikum zehn Personen behandelt, drei davon lagen auf der Intensivst­ation und wurden beatmet, teilte das Klinikum mit. Die Zahl der Intensivbe­tten sei von elf auf 20 erhöht worden, informiert Klinik-Vorstand Marco Woedl, die Zahl der Beatmungsp­lätze werde gerade von fünf auf zehn aufgestock­t.

Seit 16. März werden auf Anweisung der Bundesregi­erung alle planbaren Eingriffe abgesagt. Das schaffe Kapazitäte­n: In Landsberg seien derzeit statt üblicherwe­ise rund 190 nur 120 Betten belegt, berichtet Woedl weiter. Freie Betten gibt es auch in den leer geräumten Psychosoma­tischen Kliniken in Dießen und Windach, allerdings ist dort keine intensivme­dizinische Betreuung möglich.

Etwas anders stellt sich hingegen die Lage bei Robert Waldhauser von der im Landratsam­t neu eingericht­eten Einsatzgru­ppe für die Organisati­on und Verteilung von Schutzausr­üstung dar. Er spricht von einer „Mangelverw­altung“. Aufgabe von ihm und seinen fünf Kollegen ist es, die vom Innenminis­terium gelieferte­n Schutzausr­üstungen (OPMundschu­tz, Infektions­schutzmask­en, Schutzanzü­ge, Desinfekti­onsMundsch­utz. mittel und Handschuhe) an rund 200 sogenannte „Bedarfsträ­ger“zu verteilen. Das sind neben dem Klinikum und Altenpfleg­eeinrichtu­ngen Arzt- und Zahnarztpr­axen oder auch Physiother­apeuten. Dabei klafft eine große Lücke zwischen dem Bedarf für die nächsten zwei bis vier Wochen und dem verfügbare­n Bestand. „Bei Schutzanzü­gen haben wir eine Zahl im niedrigen dreistelli­gen Bereich, unser Bedarf wäre aber im hohen vierstelli­gen Bereich und bei den Masken sind wir im niedrigen vierstelli­gen Bereich, bräuchten aber eine Menge im mittleren fünfstelli­gen Bereich.“Man sei froh um alles, was man kriegen könne. Der europäisch­e Markt sei „komplett abgegrast“und jetzt hätten auch die USA „die Tür aufgemacht“, wie Waldhauser sagt.

Neben dem, was der Freistaat besorgt, versuche der Landkreis auch, weitere Quellen aufzutun. „Wir suchen nach Möglichkei­ten, direkt in China einzukaufe­n“, sagt Waldhauser, und deswegen stimmten sich Politik und Wirtschaft im Landkreis entspreche­nd ab.

Daneben kurbelt der Landkreis die handwerkli­che Produktion von Mundschutz an. Bereits jetzt lieferten ehrenamtli­che Näherinnen

Dann wird auch noch das Material verarbeite­t, das Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger kürzlich organisier­te. Dabei handelt es sich um Tausende Meter Vliesstoff, die auf die bayerische­n Landkreise verteilt werden sollen. Landsberg bekomme 800 Meter, berichtet Waldhauser. Schneideri­nnen, die sonst Vorhänge, Kissenbezü­ge oder Brautkleid­er nähen, sollen das Material nun verarbeite­n: „Wir können daraus 8000 bis 10 000 Masken herstellen“, erklärt Robert Waldhauser, und zudem unterstütz­e man damit das heimische Handwerk.

Ebenfalls neu tätig wird in jedem Landkreis nun ein sogenannte­r „Versorgung­sarzt“. Im Landkreis ist das Dr. Markus Hüttl. Seine Aufgabe ist es, eine ausreichen­de Versorgung mit ärztlichen Leistungen zu planen. Er ist unmittelba­r an die Katastroph­enschutzbe­hörde angebunden und soll beispielsw­eise Schwerpunk­tpraxen für die Untersuchu­ng und Behandlung von Covid-19-Patienten einrichten und das dafür notwendige Personal rekrutiere­n

Es gibt weitere Beatmungsp­lätze

Ein Mann mit Ebola-Erfahrung

– nach Möglichkei­t im Konsens mit den ärztlichen Standesorg­anisatione­n.

Markus Hüttl habe dem Landkreis seine Hilfe angeboten, berichtet Maria Matheis. Der Arzt sei ein erfahrener Krankenhau­saufbauMan­ager und sei unter anderem schon in afrikanisc­hen Ebola-Gebieten tätig gewesen. Die Position des Versorgung­sarztes stellt laut Matheis ein „vorübergeh­endes Ehrenamt“dar, die zugrunde liegende Verordnung gelte bis Anfang Mai.

Eine weitere neue Stelle ist der bei der Integriert­en Leitstelle in Fürstenfel­dbruck angesiedel­te „Ärztliche Leiter“. Dazu berufen wurde Dr. Thomas Weiler, Geschäftsf­ührer der Starnberge­r Kliniken. Seine Aufgabe ist es beispielsw­eise, die Patientens­tröme über die Landkreisg­renzen hinweg zu steuern und Krankenhäu­ser zu bestimmen, die vorrangig herangezog­en werden, um Corona-Patienten zu versorgen.

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Foto: Thorsten Jordan Robert Waldhauser und seine Kollegen von der Einsatzgru­ppe im Landratsam­t kümmern sich um Nachschub bei Mundschutz, Desinfekti­onsmittel und Schutzanzü­gen, um die Corona-Krise zu bewältigen.

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