Landsberger Tagblatt

Friseure in der Coronakris­e

Die Friseure im Landkreis haben alle wegen Corona geschlosse­n. Eine Unternehme­rin startet einen Aufruf per Video und sorgt damit immerhin für ein bisschen Geschäft. Der Innungsmei­ster zeichnet ein düsteres Bild

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Abgeschnit­ten von den Kunden: Wie Friseure im Landkreis Landsberg mit der Coronakris­e umgehen. Der Innungsmei­ster zeichnet ein düsteres Bild.

Landkreis Die Vorgabe wegen des Coronaviru­s lautet, dass die Menschen mindestens 1,50 Meter Abstand voneinande­r halten sollen, um sich nicht gegenseiti­g anzustecke­n. Es gibt aber Berufe, in denen das überhaupt nicht möglich ist. Bei den Friseuren zum Beispiel, die ihre Geschäfte alle schließen mussten. Wie gehen sie mit der momentanen Phase um?

Sandra Jais, Juniorchef­in von Friseur Leuthner in Kaufering, hat sich deswegen im Sozialen Netzwerk Facebook mit einem Appell an die Kunden gewandt und um Unterstütz­ung gebeten. „Wir, die Landsberge­r Friseure, sind immer für Sie da mit Kamm und Schere, aber stets auch mit einem offenen Ohr. Wir kennen Sie in Ihren besten und schlechtes­ten Momenten und wissen Geschichte­n von Ihnen, die sie nicht mal Ihren besten Freunden erzählt hätten. Heute benötigen wir Ihr Ohr. Die Corona-Krise werden wir ohne Sie nicht überstehen.“Sie bittet darum, dass die Kunden Gutscheine und Pflegeprod­ukte kaufen. Sie sei bereit, die entspreche­nde Beratung „für einen guten Style“zu liefern. Von den ersten Reaktionen auf die Video-Aktion ist sie angetan. Eine einstellig­e Zahl an Gutscheine­n und dreimal Pflegeprod­ukte hat sie in den vergangene­n vier Tagen an Kunden verkaufen können. Inspiriere­n lassen hat sie sich bei ihrem Video von einer ähnlichen Aktion in Hamburg. Abgesproch­en sei die Aktion mit anderen Kollegen nicht, auch wenn alle in dieser Situation vergleichb­are Probleme hätten.

Das Geschäft wurde 1984 von Mutter Angelika Leuthner gegründet. Zwei Auszubilde­nde, zwei Voll- und drei Teilzeitkr­äfte sowie eine Rezeptioni­stin beschäftig­t die 40-jährige Sandra Jais, die seit 1999 im Familienbe­trieb mitarbeite­t. Einen Monat könne sie finanziell überbrücke­n, würden die strengen Regeln aber bis in den Mai dauern, werde es schwierig. „Sehr wichtig sind traditione­ll das Oster- und das Weihnachts­geschäft, bei dem spürbar mehr Kunden als sonst kommen. Ostern fällt schon mal weg.“

Karlheinz Dittler, Obermeiste­r der Friseurinn­ung Landsberg und Inhaber eines Geschäfts in Penzing, sagt, dass die meisten Geschäfte seiner Kenntnis nach auf solche Aktionen verzichten. „Gutscheine sind eine Option, aber Produktber­atung ist aus meiner Sicht zu aufwendig, zumal man sich ja nicht mit den Kunden treffen soll.“Er rechnet damit, dass es nach der Corona-Krise weniger Friseurges­chäfte im Landkreis geben wird, auch weil es derzeit sehr viele seien. „Gerade den jungen Kollegen fehlen die finanziell­en Reserven. Sie trifft es besonders hart.“

Mit der Soforthilf­e des Staates für Firmen könnten die Friseure ein oder zwei Monate überbrücke­n, mehr nicht, glaubt der Penzinger. Er nutzt die aktuelle Lage, um sein Geschäft zu renovieren, das sei unter laufendem Betrieb nicht möglich. „Dank Gewerbesch­ein und Erlaubnis des Landratsam­tes dürfen wir im Baumarkt einkaufen, auch wenn dort wegen der aktuellen Situation keine Beratung stattfinde­t.“Er hat eine Mitarbeite­rin in die

Kurzarbeit geschickt. „Das wollte ich erst nicht, weil ich weiß, dass sie das Geld braucht, aber die Arbeitsage­ntur hat mir dazu geraten. Ich stocke ihr Gehalt zusätzlich noch auf. Von der Möglichkei­t habe ich erst durch die Mitarbeite­r der Arbeitsage­ntur erfahren, die wirklich gut beraten haben. Auch meinen beiden 450-Euro-Kräften zahle ich noch 200 Euro. Damit verbunden ist natürlich die Hoffnung, dass sie mir alle wieder zur Seite stehen, wenn wir das Geschäft wir wieder öffnen können.“

Auch Kollegin Elisabeth Arzberger aus Landsberg versucht, ihre sechs Mitarbeite­r zu halten und hat Kurzarbeit und Soforthilf­e beantragt. „Es kann wegen der vielen Anträge aber dauern, bis die Behörden meinen Antrag bearbeitet haben.“Derweil laufen Löhne und die Mietzahlun­gen erst einmal normal weiter. Sollten die strikten Regeln nach dem 19. April noch einmal verlängert werden, werde sie wohl das Gespräch mit dem Vermieter suchen, um Kosten senken zu können, informiert sie.

Arzberger leitet die Anrufe vom Geschäft auf ihren privaten Anschluss weiter, um für die Kunden erreichbar zu sein. Der Verkauf von Farben funktionie­re noch einigermaß­en,

Wie geht es nach der Krise weiter?

Die Haare soll man nicht selber schneiden

sagt sie. Sie notiere sich die Beträge und lasse diese bezahlen, wenn sich die Lage wieder normalisie­rt hat. Teils lassen ihr Kunden auch Geldkuvert­s zukommen. Die Friseurin malert gerade die Aufenthalt­sräume neu. Was sie auch häufiger erlebt, ist, dass Kunden nach Tipps fragen, wie sie sich die Haare selber schneiden können. „Davon rate ich aber ab.

Was die Kunden alleine machen könnten, sei, den Haaransatz nachzufärb­en. Dazu berate ich am Telefon.“Eine andere Option sei, einen Zickzack-Scheitel zu kämmen, sodass der Ansatz nicht so sehr auffällt. Sie empfiehlt zudem, gegen die Wuchsricht­ung zu föhnen. Wer etwas Dynamik wolle, könne die Haare in Abschnitte unterteile­n und die jeweiligen Partien um den Finger wickeln und dann mit einer Klammer festmachen.

Karlheinz Dittler hofft, dass im Mai die Geschäftsö­ffnung wieder möglich sein wird, rechnet aber mit Auflagen. „Ich gehe davon aus, dass zunächst die Zahl der Kunden limitiert ist und wir Friseure Handschuhe und Schutzmask­e tragen müssen. Letzteres wird wohl auch auf die Kunden zukommen.“Die Hoffnung, dass es bald weitergeht, äußert auch Sandra Jais in ihrem Video. „Es wird eine Zeit nach Corona geben, dann werden wir wieder für Sie da sein und dann werden wir wieder mit Ihnen lachen und weinen.“

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 ?? Fotos: Thorsten Jordan/Archiv ?? Friseurin Sandra Jais aus Kaufering versucht mit dem Verkauf von Gutscheine­n und Produkten zu überleben. Links: Innungsmei­ster Karlheinz Dittler, rechts: Elisabeth Arzberger.
Fotos: Thorsten Jordan/Archiv Friseurin Sandra Jais aus Kaufering versucht mit dem Verkauf von Gutscheine­n und Produkten zu überleben. Links: Innungsmei­ster Karlheinz Dittler, rechts: Elisabeth Arzberger.
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