Landsberger Tagblatt

Wenn das Fenster zur Konzertbüh­ne wird

Auch in Landsberg gibt es kleine nachbarsch­aftliche Konzerte

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Landsberg Die Italiener haben es vorgemacht. Sie haben gesungen und musiziert. Von Balkon zu Balkon. Ganze Straßenzüg­e lang. Ein kleiner Lichtblick in schweren Corona-Zeiten, ein bisschen Gemeinsamk­eit, Mitmenschl­ichkeit und Lebensfreu­de. „Ihr werdet auf euren Balkonen Musik machen“, hat erst kürzlich die italienisc­he Schriftste­llerin Francesca Melandri prophezeit: „Als ihr unsere Videos saht, in denen wir Opern sangen, habt ihr gedacht: ’Ach, diese Italiener.’ Aber wir wissen bereits jetzt, dass ihr auch singen werdet.“Und in der Tat: In Landsberg wird auch gemeinsam musiziert.

An einem Sonntagabe­nd vor zwei Wochen standen in ganz Deutschlan­d unzählige Menschen an ihren Fenstern und schmettert­en Beethovens „Ode an die Freude“. Daraus sind viele lokale Initiative­n entstanden, kleine nachbarsch­aftliche SingVerabr­edungen. So auch in der Malteserst­raße in der Nähe des Bayertors

oberhalb der Landsberge­r Altstadt. Jeden Abend um 17.30 Uhr gehen dort in einigen Häusern die Fenster auf. „Hallo Mona“, die Kinder rufen und winken sich zu. „Braucht jemand Klopapier?“Es wird über die Straße hinweg laut gelacht und gescherzt. Sonja Berthel vom Stimmbildu­ngs- und Gesangsstu­dio „vocalis“hat sich eine Winterjack­e angezogen und sich ins Fenster gesetzt. Sie hat einige der Liedtexte zuvor in die Briefkäste­n der anderen Familien geworfen. Die erste Strophe von der Vogelhochz­eit und all den anderen Frühlingsl­iedern

kann jeder, aber dann hört die Textsicher­heit doch meistens auf. Berthel hat mit ihren Nachbarn von gegenüber, den Fiedlers, das nachbarsch­aftliche Singen vorangetri­eben. Zunächst mit Klavier und Flöte, „doch da habe man sich gegenseiti­g nicht gehört und der Gesang ist untergegan­gen“. Jetzt singen alle, und die Kinder begleiten das Konzert mit ihren Rasseln. „So entsteht ein wunderbare­s Gefühl des Miteinande­rs“, sagt Ute Fiedler, und für die Kinder sei es ein schöner und wichtiger Teil des Tages, den sie ja ansonsten fast ausschließ­lich zu Hause verbringen müssen.

Wenn auch nicht mit italienisc­her Inbrunst geschmette­rt, sondern eher mit deutscher Zurückhalt­ung intoniert, so setzen die Landsberge­r Balkonkonz­erte doch ein Zeichen des Mutes in der Krise. Und bei aller gebotenen Distanz kann so ein Gefühl des Miteinande­rs entstehen. Singen hilft immer, auch gegen die Einsamkeit.

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Foto: Jordan Jeden Tag um 17.30 Uhr singen manche Anwohner der Malteserst­raße Frühlingsl­ieder zum Fenster raus. oben: Familie Blumisch, unten: Sonja Berthel.

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