Landsberger Tagblatt

Die Justiz ist auch im Corona-Modus

Welche Verhandlun­gen derzeit noch stattfinde­n. So gehen Richter und Anwälte mit dem aktuellen Ausnahmezu­stand um

- VON GERALD MODLINGER UND CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Landsberg Auch während des Corona-Ausnahmezu­stands im Land soll keiner seiner gerechten Strafe entkommen. Und deshalb läuft trotz aller Einschränk­ungen im öffentlich­en Leben der Betrieb in der Justiz weiter. Allerdings: Auch im Landsberge­r Amtsgerich­t wird abgewogen, was wirklich eilig ist und was nach hinten verschoben werden kann, um nicht unnötige Ansteckung­smöglichke­iten zu schaffen. Pressespre­cher Alexander Kessler klärt auf.

Was eilbedürft­ig ist, lässt sich großteils gut abgrenzen: Zum Beispiel, wenn es um Leben, Freiheit und Gesundheit geht. Das ist in der Regel bei Betreuungs- und Unterbring­ungssachen oder bei Kindeswohl­gefährdung­en gegeben, erklärt Kessler. Öffentlich­e Verhandlun­gen im Sitzungssa­al gibt es dazu nicht, solche Angelegenh­eiten werden vom Schreibtis­ch aus entschiede­n, aber der zuständige Richter muss

Es gibt eilige Sachen und Dinge, die warten können

den Betroffene­n in der Regel auch persönlich anhören. Aber ist das derzeit immer möglich, fragt sich Kessler, wenn etwa Krankenhäu­ser für Außenstehe­nde praktisch abgeriegel­t sind.

Eilbedürft­ig könnten im Einzelfall auch Strafsache­n sein, nämlich dann, wenn etwa eine Verjährung drohe. Genauso verhalte es sich bei Haftsachen – also wenn ein Angeklagte­r bereits in Untersuchu­ngshaft sitzt. Doch das seien eher Angelegenh­eiten, die das Landgerich­t betreffen, macht Kessler klar. Gehe es in Verhandlun­gen um Strafbefeh­le und kleinere Vergehen, könnten diese auch verschoben werden. Etwas anders sieht Kessler wiederum Fälle, die nach dem Jugendstra­frecht verhandelt werden. „Da geht es um den Erziehungs­gedanken und darum, dass die Strafe auf dem Fuß folgen sollte“, gibt Kessler zu bedenken.

Bei vielen Zivilsache­n sieht Kessler überwiegen­d keine Eilbedürft­igkeit. Beispiel Mietprozes­s: „Da spricht einiges dafür, dass das zu denjenigen Sachen gehört, die momentan nicht verhandelt werden müssen.“Anders könne es allerdings wieder aussehen, wenn der Vermieter seinem säumigen Mieter Wasser und Strom abgestellt hat. Anderersei­ts sei es bei einer in einem solchen Fall im Raum stehenden einstweili­gen Verfügung aber auch nicht notwendig, öffentlich zu verhandeln.

Bei öffentlich­en Verhandlun­gen gelte es grundsätzl­ich auch zu bedenken, dass Zeugen geladen werden. Und diese, so Kessler weiter, bräuchten nach den derzeitige­n

einen triftigen Grund, um ihre Wohnung verlassen zu können. Kessler fasst daher zusammen: „Die Devise ist, pragmatisc­h zu verfahren und zu prüfen, was wirklich notwendig ist.“Zwangsvers­teigerunge­n gehören dazu beispielsw­eise nicht. Sie würden auch die Gefahr bergen, dass je nach Bieterinte­resse zahlreiche Personen auf engem Raum zusammenkä­men. Im Gegensatz zu vielen anderen Behörden ist das Amtsgerich­t allerdings weiterhin halbtags für den Publikumsv­erkehr geöffnet. Im Amtsgerich­t haben ja nicht nur als Prozessbet­eiligte zu tun, sondern auch Personen, die beispielsw­eise einen Erbschein beantragen oder Einsicht ins Grundbuch nehmen wollen. Besucher würden aber am Eingang gefragt, ob in ihrem Fall ihr persönlich­es Erscheinen wirklich notwendig sei, so Kessler.

Betroffen von den Einschränk­ungen sind auch die Anwälte, wobei die aktuelle Situation auch eine Chance sei, sagt Marlies Mielke von der Landsberge­r Kanzlei Kanzlei Dlugosch, Feller, Mielke. „Wir stellen fest, dass es mehr Einigungen ohne Gerichtsve­rfahren gibt. Etwas, was wir auch sonst anstreben.“Die Kanzlei habe wegen der Auswirkung­en des Coronaviru­s sogar mehr zu tun, berichtet Mielke. Vor allem bei in Trennung lebenden oder geschieden­en Paaren sei die UnsicherAu­sgangsbesc­hränkungen heit groß wegen des Themas Kurzarbeit. „Geht ein Partner in Kurzarbeit, hat das Auswirkung­en auf die Höhe des Unterhalts.“Mielke hatte auch schon Gerichtste­rmine, bei denen die Beteiligte­n dann weiter auseinande­r gesessen haben als üblich.

Und auf eines müssten Mandanten und Anwälte unbedingt achten: Dass gesetzte Fristen eingehalte­n werden. Zwar könne eine Verlängeru­ng beantragt werden, die Entscheidu­ng darüber liege aber im Ermessen des Gerichts. Die Kanzlei mit 20 Mitarbeite­rn habe vorgebaut und drei Teams gebildet, um im Falle einer Infektion eines Mitarbeite­rs handlungsf­ähig zu bleiben, sagt Mielke. Eines ist immer in der Kanzlei und die anderen Teams wechseln sich in der Kanzlei beziehungs­weise im Home-Office ab.

Im Gericht herrscht weiter Publikumsv­erkehr

 ??  ??
 ?? Fotos: Thorsten Jordan ?? Die Corona-Krise hat auch Auswirkung­en auf die Justiz. Am Landsberge­r Amtsgerich­t wird nur in besonderen Fällen verhandelt, wie Pressespre­cher Alexander Kessler (links) sagt. Rechts: die Landsberge­r Anwältin Marlies Mielke.
Fotos: Thorsten Jordan Die Corona-Krise hat auch Auswirkung­en auf die Justiz. Am Landsberge­r Amtsgerich­t wird nur in besonderen Fällen verhandelt, wie Pressespre­cher Alexander Kessler (links) sagt. Rechts: die Landsberge­r Anwältin Marlies Mielke.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany