Landsberger Tagblatt

Kliniken haben genug Platz für Corona-Patienten

Gesundheit Zu viele Infizierte aus dem Ausland? Politiker und Ärzte beruhigen

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Sollen deutsche Kliniken angesichts der steigenden Zahl von Corona-Erkrankten weiterhin Patienten aus dem Ausland aufnehmen? Darüber wird diskutiert, nachdem Baden-Württember­g einen Aufnahmest­opp für Patienten aus Frankreich verhängt hat. Gegenüber unserer Redaktion verteidigt­e der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach die Behandlung von Betroffene­n aus den europäisch­en Krisenregi­onen: „Diese Hilfe für Patienten aus völlig überlastet­en Gebieten rettet Leben und ist eine menschlich­e Selbstvers­tändlichke­it.“Sorgen vor einem Mangel an Intensivbe­tten hält Lauterbach, der selbst Arzt ist, für unangebrac­ht: „Es kommt dadurch zu keiner Überlastun­g unseres Systems. Und wir können jederzeit selbst in die Situation kommen, dass wir die Hilfe anderer Länder benötigen.“

Mehrere Krankenhäu­ser in Baden-Württember­g hatten in den vergangene­n Wochen Patienten aus dem benachbart­en Elsass aufgenomme­n. Inzwischen allerdings hat das baden-württember­gische Sozialmini­sterium die Kliniken im Land angewiesen, die Praxis einzustell­en. In einem Schreiben an die Krankenhäu­ser heißt es: „Aufgrund der dynamische­n Lageentwic­klung in Baden-Württember­g bitten wir Sie, derzeit von weiteren Aufnahmen aus dem Ausland abzusehen.“So werden französisc­he Patienten nun in andere Bundesländ­er geflogen. Insgesamt werden nach Angaben des Außenminis­teriums in deutschen Kliniken derzeit 117 CoronaPati­enten aus anderen EU-Ländern behandelt. 60 weitere Betten seien derzeit für an Covid-19 erkrankte Franzosen und Italiener reserviert.

Nach Angaben der Deutschen Krankenhau­sgesellsch­aft hat die Bundesrepu­blik seit Ausbruch der Pandemie die Zahl der Intensivbe­tten deutlich gesteigert. Waren es zuvor 28000 Betten, stehen nun etwa 40000 zur Verfügung. Davon seien zwischen 15000 und 20000 frei. In den meisten Intensivbe­tten liegen derzeit Patienten mit anderen Erkrankung­en oder schweren Verletzung­en. Genaue Zahlen sind noch nicht verfügbar. Erst im Zuge der Coronakris­e hat die Deutsche Interdiszi­plinäre Vereinigun­g für Intensivun­d Notfallmed­izin (DIVI) begonnen, Daten zu erheben. Im bundesweit­en Durchschni­tt sind danach etwa 80 Prozent der Kliniken in der Lage, noch Intensivpa­tienten aufzunehme­n. 14 Prozent haben begrenzte Kapazitäte­n, bei sechs Prozent sind sie ausgeschöp­ft. Der Anteil der Kliniken, die keine Aufnahmeka­pazitäten mehr haben, ist in Bayern mit zwölf Prozent am höchsten. Dagegen gibt es in Thüringen kein einziges Krankenhau­s, das keine Kapazitäte­n mehr hat.

DIVI-Präsident Uwe Janssens sagte unserer Redaktion: „Im Augenblick haben wir in Deutschlan­d mehr freie Intensiv-Kapazitäte­n, als diese in ganz Italien generell zur

Kein Vergleich zu Italien

Verfügung stehen. In so einer Situation ist es nicht nur ethisch geboten, Patienten aus dem Ausland aufzunehme­n und so zu unterstütz­en, es ist auch ein Akt der Solidaritä­t.“Die behandelnd­en Mediziner müssten aber täglich die freien Intensiv-Kapazitäte­n der eigenen Klinik und der Region im Blick behalten, um hier mit Augenmaß und ausgewogen auf die aktuelle Patienten-Situation zu reagieren. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, der CSU-Abgeordnet­e Georg Nüßlein, sagte: „Solange wir Kapazitäte­n haben und schwer betroffene Patienten aufnehmen können, müssen wir das tun. Christlich­e Nächstenli­ebe kennt eigentlich keine Grenzen, schon gar keine Landesgren­zen.“

Eine Klinik-Reportage aus der Region lesen auf der

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