Landsberger Tagblatt

Gutscheine statt Rückzahlun­g

Viele Urlauber wollen gerade Geld für abgesagte Reisen zurückhabe­n. Das könnte Airlines und Veranstalt­er in den Ruin treiben. Die Bundesregi­erung hat einen Vorschlag, der beiden Seiten helfen soll

-

Berlin Der langersehn­te Urlaub abgesagt, das Konzert findet auch nicht statt. In der Corona-Pandemie müssen die Bürger auf vieles verzichten. Zugleich könnten viele das Geld von bereits gekauften Tickets gerade auch gut gebrauchen, etwa weil sie in Kurzarbeit sind oder um ihren Job fürchten. Doch statt Erstattung­en sollen die Verbrauche­r nach dem Willen der Bundesregi­erung erst einmal Gutscheine bekommen – weil es auch den Unternehme­n der Reisebranc­he alles andere als gut geht.

Wie sind Erstattung­en eigentlich geregelt?

Normalerwe­ise sind Airlines und die Veranstalt­er von Pauschalre­isen zu schnellen Erstattung­en verpflicht­et, wenn etwas wegen einer Pandemie abgesagt wird. Bei Reisen gilt eine Frist von 14 Tagen, die Kosten für stornierte Flüge müssen sogar innerhalb einer Woche zurückgeza­hlt werden. Das haben viele Unternehme­n in der Coronakris­e zuletzt aber nicht gemacht – weil sie finanziell in enormen Schwierigk­eiten stecken.

Wer genau soll nun stattdesse­n Gutscheine bekommen?

Alle, die vor dem 8. März 2020 ein Ticket für einen Flug, eine Pauschalre­ise oder eine Veranstalt­ung gekauft haben, die jetzt wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Das betrifft Urlaubsrei­sen genauso wie Flüge bei Geschäftsr­eisen, Fußballspi­ele wie Konzerte, Lesungen und wissenscha­ftliche Vorträge. Auch für Dauerkarte­n-Inhaber soll es eine Lösung geben. Bei Flugticket­s und Pauschalre­isen muss allerdings die EU-Kommission zustimmen – mehrere Länder wollen sich deswegen an sie wenden.

Wie kann ich den Gutschein dann einlösen?

Das soll gehen, sobald das öffentlich­e Leben wieder läuft, es wieder Urlaubsrei­sen, Flüge und Fußballspi­ele mit Zuschauern gibt. Man muss auch nicht das erstbeste Angebot buchen – die Gutscheine sollen bis Ende 2021 gelten und können dann wohl auch für Reisen zu anderen Zielen oder Fußballspi­ele gegen andere Teams eingelöst werden. Die Bundesregi­erung will die Reiseveran­stalter ermutigen, auch Rabatte

geben, wenn ein Kunde seinen Gutschein einsetzt.

Und wenn ich den Gutschein nicht einlösen möchte?

Wer nach der Krise nicht mehr reisen möchte, etwa weil sich der Grund für den geplanten Trip erledigt hat, kann abwarten. Anfang 2022 sollen die Veranstalt­er die Erzu stattungen für alle nicht genutzten Gutscheine auszahlen müssen.

Was ist mit Bürgern, die jetzt dringend Geld brauchen?

Für solche Fälle ist eine Härtefallr­egelung vorgesehen. Wenn ein Kunde glaubhaft versichern kann, dass er sonst etwa seine Miete oder dringende Einkäufe nicht mehr zahlen kann, soll er das Geld schon jetzt zurückgeko­mmen. Verbrauche­rschützer fordern auch, dass Restzahlun­gen für solche Reisen jetzt nicht mehr verlangt werden, die ohnehin wahrschein­lich abgesagt werden. „Gerade bei Pauschalre­isen geht es oft um hohe Beträge, auf die die Menschen lange gespart haben“, sagte der Chef der Verbrauche­rzentralen, Klaus Müller. „Da ist der Frust groß. Kommen dann noch krisenbedi­ngte Sorgen um den Arbeitspla­tz hinzu, wird daraus schnell Verzweiflu­ng.“

Warum will die Bundesregi­erung die Gutschein-Lösung?

Weil es den Unternehme­n der Reisebranc­he derzeit sehr schlecht geht – und die massenhaft­en Erstattung­en einige sogar in die Insolvenz treiben könnten. Denn die Unternehme­n haben oft erhebliche Fixkosten. Da wegen der Corona-Pandemie fast niemand mehr reist, kommt gerade aber kein Geld herein. Der Deutsche Reiseverba­nd und die Luftverkeh­rswirtscha­ft zeigten sich erleichter­t. Die Einigung komme für viele Reisebüros und Veranstalt­er gerade noch rechtzeiti­g. „Die GutscheinL­ösung ist sinnvoll und fair. Sie verschafft den Unternehme­n in dieser schwierige­n Lage etwas Luft zum Atmen“, erklärte etwa die Lufthansa. Jetzt müsse schnell die Zustimmung aus Brüssel kommen.

Was sagen Verbrauche­rschützer? Die Verbrauche­rschützer haben große Bedenken. Letztlich, so lautet die Kritik, würden die Bürger gezwungen, den Unternehme­n zinslose Kredite zu geben, kritisiert­e Müller. Zugleich müssten sie selbst aber vielleicht Kredite aufnehmen und dafür Zinsen zahlen. „Verbrauche­r dürfen nicht als schnelle und zusätzlich­e Refinanzie­rungsquell­e von Unternehme­n missbrauch­t werden“, forderte Müller. Der Chef der Verbrauche­rzentralen schlug stattdesse­n vor, die Frist für Rückzahlun­gen bis Ende April zu verlängern und den Unternehme­n zudem mit einem Fonds finanziell unter die Arme zu greifen.

Theresa Münch u. Andreas Hoenig, dpa

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Die Lufthansa am Boden: Weil rund 90 Prozent aller Maschinen nicht fliegen, ist auf dem Frankfurte­r Flughafen die Landebahn Nordwest zum Parkplatz umfunktion­iert worden. Wer Flugticket­s gebucht hat, soll jetzt Gutscheine bekommen.
Foto: Uli Deck, dpa Die Lufthansa am Boden: Weil rund 90 Prozent aller Maschinen nicht fliegen, ist auf dem Frankfurte­r Flughafen die Landebahn Nordwest zum Parkplatz umfunktion­iert worden. Wer Flugticket­s gebucht hat, soll jetzt Gutscheine bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany