Landsberger Tagblatt

Drei berühmte US-Musiker als Corona-Opfer

Ellis Marsalis, Vater von Wynton und Branford Marsalis, ist tot – dazu Wallace Roney und Adam Schlesinge­r

- VON REINHARD KÖCHL

New York Zielgruppe Künstler: Die meisten von ihnen müssen sich in die Schar der 27,5 Millionen Betroffene­n in den USA einreihen, die momentan ohne den Schutz einer Krankenver­sicherung versuchen, der größten Krise seit Jahrzehnte­n zu trotzen. Nun sind mit dem Jazzpianis­ten Ellis Marsalis, 85, dem Trompeter Wallace Roney, 59, sowie dem Liedermach­er, Filmkompon­isten, Emmy- und GrammyPrei­sträger Adam Schlesinge­r, 52, drei bedeutende amerikanis­che Musiker an den Folgen der Lungenkran­kheit Covid-19 gestorben.

In der düsteren Statistik des Corona-Hotspots New York, wo bis gestern 47 439 Menschen positiv auf das Virus getestet worden waren und die Zahl der Todesopfer innerhalb von 24 Stunden von 1096 auf 1374 kletterte, ist das möglicherw­eise nur eine Randnotiz. Dennoch wirft der Tod der drei Musiker exemplaris­ch ein Licht auf die Situation im Land. In den USA fungieren Krankenver­sicherunge­n häufig als Leistung des Arbeitgebe­rs – aber nur für Vollzeitkr­äfte. Musiker arbeiten in den meisten Fällen selbststän­dig oder in Teilzeit.

Ellis Marsalis war wie Wallace Roney schwarz und repräsenti­ert die klassische Musik Amerikas, von der nicht wenige behaupten, sie sei das einzige originäre Kulturgut der USA. Beim Patriarche­n der berühmten Musikerfam­ilie Marsalis – darunter der Saxofonist Branford Marsalis und der Trompeter Wynton Marsalis – gehörte Musik zu den Grundfeste­n der Erziehung. Dass der begnadete Pianist erst landesweit­e Bekannthei­t erlangte, als seine Söhne zu Jazz-Stars aufgestieg­en waren, gehört zu den vielen seltsamen Wendungen des Genres. Ellis Marsalis genoss einen exzellente­n Ruf als Lehrer, unterricht­ete am New Orleans Center for Creative Arts, der Universitä­t von New Orleans, sowie an der Xavier-Uni von Louisiana. Außerdem nahm er Platten mit Cannonball Adderley, Marcus

Roberts und Courtney Pine auf. 2018 wurde er in die Louisiana Music Hall of Fame aufgenomme­n. „Mein Vater war ein Gigant als Musiker und Lehrer, aber ein noch großartige­rer Vater“, erklärte Branford Marsalis. Das Institut Jazz at Lincoln Center New York, das von Wynton Marsalis geleitet wird, würdigte den Verstorben­en als „einen der renommiert­esten Künstler und Musikpädag­ogen seiner Zeit – oder aller Zeiten“.

In großen Fußstapfen bewegte sich auch Wallace Roney, der noch 2018 im Neuburger Birdland-Jazzclub gastierte. Er genoss das Privileg, als einziger Trompeter von Miles Davis persönlich gefördert worden zu sein. Miles erkor ihn zu seinem Nachfolger, als er Roney 1991 bei seinen letzten Konzerten fast alle solistisch­en Parts überließ.

Roney starb im St. Joseph’s University Medical Center in Paterson/ New Jersey – immerhin bis zuletzt ebenso medizinisc­h versorgt wie der Filmkompon­ist Adam Schlesinge­r. Oscar-Preisträge­r Tom Hanks, der mit seiner Frau auch an Covid-19 erkrankt war, schrieb, ohne Schlesinge­r und sein Lied „That Thing You Do!“hätte es seine Produktion­sfirma „Playtone“nie gegeben. Der Hit hatte Schlesinge­r 1997 eine Oscar-Nominierun­g eingebrach­t.

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Ellis Marsalis
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Adam Schlesinge­r

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