Sorgen um die Hilfsbedürftigen
Jutta Speidel
Theater, Konzerte, Ausstellungen, Lesungen – alles abgesagt, stillgelegt und aus der Öffentlichkeit verschwunden. In Corona-Zeiten bringen wir an dieser Stelle – und heute zum letzten Mal – Wortmeldungen aus der Kultur, die ins Private verbannt ist.
Ich habe ja seit 23 Jahren einen Verein, Horizont e.V., für obdachlose Kinder und Mütter. Um den mache ich mir gerade große Sorgen. Wir haben zwei Häuser mit Restaurant, Kulturbetrieb, Werkstätten, Bildungsstätten und Kitas. Da ist so vieles weggebrochen. Wir haben Nachtdienste, die sagen, das ist mir zu gefährlich. Das Betreuungssystem bricht zusammen. Wir suchen nach einer Lösung für die Besetzung. Wir haben Verpflichtungen, denen wir nachkommen müssen. Wir haben, seitdem die Kita geschlossen ist, so gut wie keine Einkünfte mehr.
Denn auch die Spenden für unseren privaten Nonprofit-Verein sind stark zurückgegangen. Wir mussten uns deswegen sogar von Mitarbeitern trennen. Noch habe ich 40 Angestellte, deren Gehälter bezahlt werden müssen. Momentan leben wir noch vom Eingemachten. Aber lange wird das nicht reichen. Kurz gesagt: Das alles ist eine Katastrophe!
Und das beschäftigt mich gerade wesentlich mehr als die Tatsache, dass mir ein Film weggebrochen ist und mein neues Theaterstück in der Komödie am Bayerischen Hof im Juni Premiere hat. Ich bin privat, nach 50 Jahren in diesem Beruf, in dem ich viel gearbeitet und auch Rücklagen gebildet habe, auf der sicheren Seite. Aber alles andere beschäftigt mich rund um die Uhr und macht mir ganz, ganz große Sorgen.
Ansonsten haben wir es innerhalb der Familie gut geregelt. Ich lebe in einer Wohngemeinschaft zusammen mit meinem Enkel und meiner Tochter. Das klappt gut. Ich telefoniere viel mit meinen Freunden, suche mir im Garten eine Arbeit. Auch den Keller will ich endlich mal ausmisten. Bei noch strikteren Ausgangsbeschränkungen hätten wir aber ein Problem: nämlich unsere zwei Hunde. Die verstehen das nicht, warum sie nicht Gassi gehen dürfen.
Ich schaue auch gerne Filme und Nachrichtensendungen. Und ich lese sehr gerne: im Moment drei Bücher parallel: die Biografie über Elton John, dann Yuval Harari „Eine kurze Geschichte der Menschheit“und Stephan Zweig „Die Ungeduld des Herzens“.
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Jutta Speidel, 1954 in München geboren, ist Schauspielerin.