Sie holen das Rad aus der Garage
Sonnenstrahlen, viel Freizeit und wenig Sportalternativen: Fahrradfahren ist derzeit der ideale Sport. Das sieht auch Familie Abel aus Unterdießen so. Warum die Fahrradhändler trotzdem Sorgen haben
Landsberg In Zeiten von Corona zählen Spazierengehen und Radfahren zu den Sportmöglichkeiten, die erlaubt sind. So findet so mancher wieder sein Fahrrad in der Garage – wie Inga Abel, die diese Leidenschaft neu entdeckt hat. Wer sich aktuell ein neues Bike zulegen will, kann eine Bestellung nur online oder telefonisch aufgeben. Und in den Fahrradgeschäften stapeln sich die neuen Modelle, aber bald wird sich das ändern.
„Wir sind gar nicht mehr geradelt“, erzählt Inga Abel aus Unterdießen. Die Zeit habe gefehlt und auch der Ansporn. Doch seit der Corona-Krise sei mehr Zeit und so entdeckten die 46-Jährige und ihr 47-jähriger Mann Ralph das Radfahren neu. Sie hat ein Damenrad und fand auch noch ein Mountainbike, das sie vor 17 oder 18 Jahren gekauft hatte. Außer Luft aufpumpen und Kette ölen sei nichts weiter zu tun gewesen, erzählt Inga Abel. Und das Ehepaar konnte losfahren. Mittlerweile sind es 40- bis 50-Kilometertouren „zur Lechstaustufe, und am Donnerstag bis Kinsau“. Gefahren wird ohne elektronische Unterstützung, „wir treten noch richtig in die Pedale“.
Wer bei vielen freien Stunden und schönem Wetter Lust auf diese Form von Bewegung hat, aber kein Fahrrad sein Eigen nennt, hat ein Problem: Derzeit sind die Fahrradgeschäfte geschlossen. „Die Werkstatt ist offen und ich darf Ersatzteile verkaufen“, erzählt Marcus Schmid von der Sportschmiede in Dießen. Im Laden darf er keine Neuräder verkaufen, möglich ist, eine telefonische Beratung und eine Auslieferung an den Kunden, wenn sich jemand auf diesem Weg für ein Rad entscheiden kann. Der eine oder andere Kunde, der ihn kenne, mache das schon, sagt Schmid. „Die Kunden schauen sich die Kataloge der Hersteller online an oder ich schicke auch Fotos per Whatsapp.“
Eigentlich sind April, Mai und Juni die Hauptverkaufsmonate für die Fahrradhändler, wie Schmid sagt. „Unser umsatzstärkster Monat war 2019 der April.“Prognosen, wie sich das Geschäft entwickelt, wenn wieder geöffnet werden darf, kann Schmid nicht geben. Der Dießener kann sich vorstellen, dass manch einer aufs Geld schaut, angesichts von Kurzarbeit oder möglicherweise sogar drohender Arbeitslosigkeit. Andererseits machten viele sicherlich Urlaub in Deutschland und kauften sich dafür vielleicht auch ein neues Fahrrad, vermutet er. Die Ware haben die Händler schon auf Lager: „Ich habe 200 Räder hier“, sagt Marcus Schmid. Und sie seien bezahlt oder müssten demnächst bezahlt werden. Ein Hersteller habe jedoch eine Zahlungsstundung von 30 Tagen eingeräumt. Während bundesweit Läden bis 800 Quadratmeter Verkaufsfläche schon ab kommenden Montag wieder aufmachen, dauert in Bayern die Lockerung noch bis 27. April. Bis dahin wird sich Schmid noch mit Reparieren beschäftigen: „Die Werkstatt ist rappelvoll.“
Auch beim Bike-Center von Radsport Preiss in Landsberg „ist schon sehr viel Ware da und die Ausliefeläuft weiter“, wie Geschäftsführer Marc Ravidat dem LT berichtet. Damit der Neuverkauf nicht komplett ausfällt, versucht man auch beim Landsberger Bike-Center, Radverkäufe online abzuwickeln und kostenlos auszuliefern. Aber Kunden wollten zumeist auch Probefahren. „Es ist ein riesiger Umsatzeinbruch.“Auch Ravidat hat die Hoffnung, dass Urlaub daheim das Geschäft in den Sommermonaten noch ein wenig rettet. Per Zeitungsannonce wurde auf das derzeitige Werkstattangebot aufmerksam gemacht, und das habe auch funktioniert. Marc Ravidat hofft, dass die Nachfrage bleibt, wenn die Geschäfte wieder aufmachen. Das Radsport Preiss Bike Center in Landsberg hat 2000 Quadratmeter Fläche. Darf es ab 27. April geöffnet sein? Autohandlungen, Fahrradgeschäfte und Buchhandlungen seien von der 800-Quadratmeter-Beschränkung ausgenommen, sagt Ravidat: „Wir dürfen ab 27. April öffnen.“Natürlich mit den entsprechenden Abstands- und Hygieneregelungen, die auch der Einkaufsverband der Fahrradhändler (ZEG) empfiehlt, beispielsweise Radsitze und Lenker vor dem Probefahren zu desinfizieren.
Wer sich dann ein neues Rad kauft, hat es bis zum 28. Juni bestimmt schon eingefahren. Denn dann beginnt die Aktion Stadtradeln, an der wieder alle 31 Gemeinrung den im Landkreis teilnehmen. „Wir haben auch in jedem Ort wieder einen Koordinator“, erzählt Rainer Mahl, der im Landratsamt für die Förderung des Radverkehrs zuständig ist. Beim Stadtradeln geht es darum, dass die Teilnehmer viel radeln und die gefahrenen Kilometer online eintragen. Aufgerufen wird heuer natürlich dazu, nicht in Gruppen, sondern alleine zu fahren, wie Mahl sagt. Die üblichen Start- und Schlussfahrten fallen heuer weg.
„Viele entdecken derzeit das Radfahren wieder“, glaubt Mahl. Radfahren sei in verschiedener Hinsicht positiv: „Ich tue etwas für mich und wenn ich das Rad als Verkehrsmittel nutze, auch etwas für die Umwelt und für den Geldbeutel.“Damit Radfahren gesund bleibt, müsse natürlich unter anderem Helm getragen und das Rad verkehrstüchtig gehalten werden. Mahl hofft, dass die Kommunen trotz vielleicht künftig knapperer Mittel, das Radwegenetz weiter ausbauen. Man könne aufgrund der Vielzahl an Radfahrern, die jetzt – aber auch schon vorher – unterwegs sind, sehen, wie wichtig ein gut ausgebautes Radwegenetz sei.
Gefahren wird ohne elektrische Unterstützung
Sitze und Lenker werden vor der Probefahrt desinfiziert