Endlich wieder waschen, schneiden, föhnen
Am 4. Mai dürfen in Bayern Friseursalons wieder öffnen. Sie müssen sich aber an strenge Schutzmaßnahmen halten. Für viele geht es um mehr als nur einen Haarschnitt – es geht um die vertrauensvolle Beziehung zwischen Friseur und Kunde
Augsburg 17 Punkte auf sechs Seiten Blatt Papier. Es ist eine lange Liste an Schutzvorkehrungen, die Friseure bayernweit beachten müssen, wenn sie ab kommenden Montag wieder ihre Salons öffnen dürfen. Wie sie ihre Mitarbeiter, die Kunden auf dem Friseurstuhl und sich selbst schützen kann, damit hat sich Sandra Gareiß, die in Unterthingau im Ostallgäu den Salon Haar Spa betreibt, schon intensiv beschäftigt. „Jeder muss Abstand halten, man muss Schutzkleidung ähnlich einer Kochjacke tragen, die im Salon bleibt und dort gewaschen wird, Handschuhe und Mundschutz bei Friseur und Kunde sind Pflicht“, zählt die Obermeisterin der Friseurinnung Ostallgäu nur einige Maßnahmen auf, die ab 4. Mai gelten. „Ich freue mich schon sehr, wenn wir wieder öffnen dürfen. Aber etwas nervös bin ich ja doch als Chefin, dass alles richtig läuft und sich keiner ansteckt.“Auch muss genau dokumentiert werden, welcher Kunde zu welchem Zeitpunkt den Salon besucht und wieder verlässt.
Wenn Gareiß sich nicht an diese Vorschriften halten würde, würde ihr eine Strafe von bis zu 5000 Euro drohen, erklärt die Obermeisterin. Orientierung gibt ihr in der aktuellen Situation das sechsseitige Hygienekonzept, abgestimmt vom Landesverband des bayerischen Friseurhandwerks und der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).
Auch Timo Seitz hat sich bereits mit diesem Konzept auseinandergesetzt und entsprechende Maßnahmen für seinen Salon Stylemanufaktur in Ichenhausen bei Günzburg getroffen. Er wird für seine Mitarbeiter sogar eine Schulung anbieten und jedem eine Checkliste aushändigen, damit nichts vergessen wird. „Es ist schwierig, die Arbeitszeit und die Pausen zusätzlich zu entzerren. Wir müssen Sitze, Flächen und unser Werkzeug desinfizieren, und manche Sachen sind gar nicht erlaubt.“Dazu zählt alles Kosmetische wie Bartpflege, Augenbrauen zupfen und Wimpern färben. „Aber ich bin einfach so froh, wenn ich wieder arbeiten kann“, sagt Seitz, der viele Jahre Innungsobermeister war. Den Kunden ginge es genauso.
„Sie rufen ganz viel an, sind verständnisvoll und haben unglaublich viel Gesprächsbedarf. Es hat sich bei ihnen so viel angestaut in den letzten Wochen, dass sie bis zu zehn Minuten mit uns reden, obwohl sie eigentlich nur einen Termin vereinbaren möchten.“
Auch bei Sandra Gareiß im Ostallgäu steht das Telefon nicht mehr still. „Seit klar ist, dass wir wieder öffnen dürfen, haben wir bisher 430 Termine vergeben. Ich freue mich so. Wie wichtig wir Friseure sind, das wird mir erst jetzt so richtig bewusst.“Friseure seien wie ein Kummerkasten, eine Art psychologische Hilfe, sagt Gareiß. „Wir hören zu, geben Rat, stellen Kontakte her, trösten. Uns kann man Dinge anvertrauen, manche Kunden rufen mich sogar privat an und schütten mir ihr Herz aus.“
Ähnliche Erfahrungen macht auch Timo Seitz. „Die Beziehung zum eigenen Friseur ist oft sehr vertrauensvoll. Manchmal kennt man sich schon seit vielen Jahren.“Seitz vermutet, dass dieses Vertrauen auch durch die körperliche Nähe hergestellt wird. „Wir arbeiten sehr dicht an den Kunden und dürfen sie berühren, sogar für längere Zeit, was eigentlich nur der Partner, der
Arzt oder die eigenen Kinder machen dürfen.“Dazu kommt, dass ein Friseursalon auch ein sozialer Treffpunkt sei. „Gerade ältere und alleinstehende Menschen können sich dort austauschen und haben Kontakt zu anderen.“Dazu komme natürlich noch das Handwerk selbst. „Wir Friseure machen die Menschen schön. Das macht etwas mit ihnen, gibt ihnen ein gutes Gefühl, wenn sie den Salon verlassen. Sie gönnen sich bei uns eine Auszeit, das ist ein kleiner Wellnessfaktor.“
All diese Dinge in ihren Salons wieder zu erleben, darauf freuen sich Sandra Gareiß und Timo Seitz jetzt schon. Aber bis dahin steht noch viel Arbeit an und viele offene Fragen bleiben. „Ich selbst als Brillenträger bin gespannt, wie es sich mit der Maske arbeiten lässt, wie stark zum Beispiel die Brille beschlägt.“Und auch die Arbeit mit dem Kunden, der ja durchgehend eine Maske tragen muss, kann sich Seitz noch nicht richtig vorstellen. „Aber wir haben auf jeden Fall mehr Zeit für den Schnitt eingeplant.“
Viele Kunden hätten für all das auch Verständnis, sagt Sandra Gareiß. „Auch für einen Preisaufschlag, den wir erheben müssen.“Denn das ganze Hygienematerial und die Schutzkleidung sei ein erheblicher Kostenfaktor für Salons. „Das müssen wir umlegen“, sagt Gareiß. Auch im Salon von Timo Seitz wird es ähnlich gehandhabt. „Die Kunden spüren und sehen aber auch die ganzen Maßnahmen, wenn wir Flächen und Werkzeug ständig desinfizieren.“
Trotz allem sehen die beiden Friseurmeister der kommenden Zeit mit gemischten Gefühlen entgegen. Da ist zum Beispiel die Sorge, dass sich nicht alle Kollegen an die Maßnahmen halten und manche die Schutzvorkehrungen zu lasch angehen. „Ich habe Angst, die Lockerungen könnten wieder rückgängig gemacht werden“, sagt Gareiß. „Ich appelliere an meine Kollegen, das nicht zu leichtfertig zu nehmen.“
Beide Friseurmeister sind auch schon ganz gespannt auf die vielen verschiedenen Haarprachten, die in den vergangenen Wochen gewachsen sind. „Jetzt sehen bestimmt alle aus wie Reinhold Messner“, witzelt Seitz. Und Gareiß sagt aufgeregt: „Da ergeben sich jetzt bestimmt ganz neue Stile und Farben und Frisuren. Man muss einfach jetzt positiv an die Sache rangehen und darf im Leben nicht immer alles so negativ sehen.“
Erst einmal keine Bartpflege