Wie Extremisten Corona-Proteste für sich nutzen
Der Innenminister beobachtet die Entwicklung mit Sorge – und mahnt Teilnehmer, sich nicht vereinnahmen zu lassen
Augsburg Wütende Demonstranten, Protest mal mehr und mal weniger auf Abstand – seit einigen Wochen gehören diese Bilder genauso zum Alltag wie Schlangen vor den Läden oder vermummte Verkäufer in den Geschäften. Auch an diesem Wochenende sind in vielen Städten wieder Demonstrationen gegen die Corona-Auflagen geplant.
Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nutzen jedoch immer häufiger Rechtsextremisten die Proteste, um ihre Botschaften unterzubringen. Bundesinnenminister Horst Seehofer betonte in dieser Woche, diese Kräfte machten seinem Haus große Sorgen. Er warnte eindringlich: „Wir müssen darauf achten, dass Extremisten hier nicht Oberwasser bekommen.“
Nach Angaben des Innenministeriums planen Rechtsextreme aktiv, die Proteste zu unterwandern. In einem Papier des Ministeriums ist zu lesen, dass „mehrere rechtsextremistische Protagonisten“zuletzt dazu aufgerufen hätten, sich an den Demonstrationen zu beteiligen „und auch bei Kundgebungen außerhalb des rechtsextremistischen Spektrums Präsenz in der Öffentlichkeit zu zeigen“. Bisher seien die Proteste aber noch nicht wesentlich von Rechtsextremen geprägt gewesen, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der FDP, die unserer Redaktion vorliegt.
Das Ministerium betont aber auch, es sei nicht auszuschließen, „dass die Teilnehmerzahlen aus dem rechtsextremistischen Spektrum an demokratischen Kundgebungen ansteigen werden“. FDP-Innenexperte Benjamin Strasser mahnt vor diesem Hintergrund, dass die Menschen genau hinschauen sollten, „wer hinter den Demo-Aufrufen steckt und auch gegenhalten, wenn bei Versammlungen Grenzen überschritten werden, die nicht mehr auf dem Boden der Verfassung stehen“. Gleichzeitig müssten auch die Sicherheitsbehörden die Unterwanderungsversuche im Blick behalten.
Strasser hebt wie Innenminister Seehofer aber auch noch einmal die Bedeutung des Demonstrationsrechts hervor. „Wenn viele Menschen in Deutschland wegen der Einschränkungen von Bürgerrechten oder aus Sorge vor den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise aktuell demonstrieren, ist das erst mal ein Zeichen für eine lebendige Demokratie.“Es sei fatal, „wenn man jeden dieser Leute mit Rechtsextremen und Verschwörungstheoretikern über einen Kamm scheren würde“.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte zuletzt betont, dass er die Demonstranten ernst nehme. „Ich möchte verstehen, was die Menschen umtreibt“, sagte der CDU-Politiker, nachdem
In anderen Ländern wird seltener protestiert
er bei Protesten lange Gespräche mit Teilnehmern geführt hatte. Verständnis sei „eine zwingende Voraussetzung dafür, dass dieses Land sich nicht weiter spaltet“.
Im weltweiten Vergleich nimmt Deutschland mit seinen regen Protesten gegen die Corona-Auflagen eine Sonderrolle ein. In vielen anderen Ländern sind Massendemonstrationen nur ein Randphänomen – auch wegen teils noch strengerer Kontaktbeschränkungen. So gehen die Menschen etwa in Spanien nur vereinzelt auf die Straße – obwohl es auch dort Unmut über die CoronaPolitik der Regierung gibt.
Auf lesen Sie die Geschichte von Alfons Blum. Millionen TV-Zuschauer haben in dieser Woche verfolgt, wie der Rentner auf einer Demonstration in Gera niedergebrüllt wurde, weil er einem Kamerateam seine Lage schilderte.