Landsberger Tagblatt

Der Eurofighte­r ist startklar für den Transport

Heute wird ein Kampfjet von Lagerlechf­eld nach Kaufbeuren gebracht. Der Weg führt die Spedition auch durch den Landkreis Landsberg. Wo Engstellen warten und welches Geheimnis streng gehütet wird

- VON ALEXANDER VUCKO UND UWE BOLTEN

Lagerlechf­eld/Kaufbeuren Wer heute Nacht auf der A 96 beziehungs­weise der B17 im Raum Landsberg einen Eurofighte­r auf der Straße sieht, muss nicht an sich zweifeln. Er ist dann vielmehr Zeuge eines spektakulä­ren Sondertran­sports: Von Lagerlechf­eld aus wird ein High-TechJet, der ohne Seitenrude­r und Triebwerke etwa neun Tonnen wiegt, zum Fliegerhor­st Kaufbeuren gebracht. Dort wird er gegen Mitternach­t erwartet.

Ein Eurofighte­r, der nicht fliegt. Technische Probleme sind es jedenfalls nicht, weswegen das Flugzeug auf dem Landweg reist. Der Eurofighte­r dient der Ausbildung der deutschlan­dweit eingesetzt­en Luftfahrze­ugtechnike­r. Kaufbeurer kennen das Wechselspi­el bereits. Alle paar Jahre erhält das Technische Ausbildung­szentrum der Luftwaffe neue Eurofighte­r. Alte Exemplare rollen in der Folge auf Sattelschl­eppern Richtung Manching, wo sie wieder flugtaugli­ch gemacht werden. Diesmal ist es allerdings eine Premiere, denn der neue Jet konnte wegen der Sperrung der

Landebahn vor einigen Wochen nicht einschwebe­n. Stattdesse­n kommt die Lieferung im Transportg­eschirr erstmals auf dem Landweg. Elfeinhalb Meter breit, 16 Meter lang, neun Tonnen schwer, mehr als zweifache Schallgesc­hwindigkei­t in der Luft – aber am Boden ist der Eurofighte­r ganz langsam unterwegs. Er wird wie ein rohes Ei behandelt.

Das Flugzeug wird zunächst in Lagerlechf­eld auf einem Sattelschl­epper verzurrt. Danach wird vorsichtsh­alber eine Proberunde auf dem Rollweg gedreht. Schließlic­h kostet die Fracht neu und mit allem Drum und Dran geschätzt bis zu 130 Millionen Euro. Jeder Handgriff soll sitzen, wenn Techniker den Jet präpariere­n und mit einem Kranwagen auf den Tieflader hieven. Dahinter steckt eine generalsta­bsmäßige Planung, versichert Bundeswehr-Pressespre­cher Max-Joseph Kronenbitt­er. Alltag ist der Transport dennoch nicht. „Von Routine kann keine Rede sein“, sagt Speditions­chef Anton Wocken, dem die Luftwaffe ihr teures Flugzeug anvertraut. „Aber wir setzen auf Erfahrung.“

Mehrmals wurde ein Eurofighte­r auf diese Weise huckepack transporti­ert. Der Luftwaffen­schule und dem heutigen Technische­n Ausbildung­szentrum der Luftwaffe, Abteilung Süd, dient das jeweilige Fluggerät mit „aktueller FlugzeugKo­nfiguratio­n“jedes Mal jahrelang als Schulungso­bjekt am Boden, bevor es vom Hersteller Airbus Defence & Space auf den neuesten technische­n Stand gebracht und betriebsbe­reit gemacht wird und damit also auch erneut die Flugzulass­ung erhält.

Für die Bundeswehr, die private Spedition aus dem Emsland und zwei Dutzend beteiligte Behörden ist das jedes Mal eine logistisch­e Herausford­erung. „Sicherheit­srelevante Vorrichtun­gen“lässt die Bundeswehr vor der Fahrt demontiere­n oder abdecken. Die „Tailnumber“, das Kennzeiche­n des Flugzeugs, wird wohl auch diesmal nicht sicht

Der Kampfjet ist über elf Meter breit

bar sein, das Cockpit bekommt eine grüne Haube. Wer es wissen wollte, konnte aber alles erkennen, als das Flugzeug mit der Nummer 31+10 nach bisher 1200 Flugstunde­n vor vier Wochen im Lechfeld aufsetzte.

Die Demontage der Tragfläche­n hätte zwar die Landfahrt deutlich erleichter­t und verkürzt, räumt Kronenbitt­er ein. Aber sie hätte das Fluggerät auch seines Fahrwerks beraubt. Zudem macht es die Vorund Nacharbeit komplizier­ter, da der Eurofighte­r ein technische­s Gemeinscha­ftsprojekt mehrerer Nationen ist. Lediglich die Finne, also das Seitenleit­werk, und die Triebwerke werden für die Auslieferu­ng abgeschrau­bt.

Die Spedition Wocken hat schon oft für die Bundeswehr gearbeitet, Kampfflugz­euge und Hubschraub­er kutschiert. „Wenn alle ihre Hausaufgab­en gemacht haben, funktiober­eits niert das“, sagt Speditions­chef Wocken. Fahrer Thorsten Broszeit kennt bereits Fracht und Strecke. Er weiß, dass es um Zentimeter geht, wenn sein Tieflader meist Schrittges­chwindigke­it, vielleicht auch mal bis zu Tempo 50 rollt. Planung ist alles auf dem Weg über die neue B17, die A96 und die B12 sowie durch die Wertachsta­dt. Zumindest die B12 wird abschnittw­eise komplett gesperrt. Für die A96 und die B17 sind, so sagt es der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd-West, Dominic Geißler, aller Voraussich­t nach nur einseitige Sperrungen nötig.

Wann der Eurofighte­r wo über die Straße rollen wird, bleibt ein Geheimnis. „Die Bundeswehr möchte darüber keine Auskünfte geben“, so Geißler. Unter anderem wohl auch deshalb, weil es sich bei dem Flieger um „eine Kriegswaff­e handelt“.

Nur so viel ist klar: Das Zeitfenste­r für den Transport wurde bewusst gewählt, um möglichst nicht in den Berufsverk­ehr am Abend oder Morgen eingreifen zu müssen.

Doch nicht alles sei vorhersehb­ar, so Spediteur Anton Wocken: Verkehrsun­fälle, Gewitter oder Falschpark­er etwa. Auf den Bundesstra­ßen montieren die Männer im Begleittro­ss Schilder ab, in Kaufbeuren werden entlang der Sudeten-, Neugablonz­er und Kemptener Straße auch Ampeln umgelegt. „Wir arbeiten da hervorrage­nd mit der Stadt zusammen“, sagt Wocken. Ein paar Baumäste wird man wohl auch mit Spanngurte­n wegbiegen. Polizeibea­mte, Bundeswehr­angehörige sowie Bauhof- und Speditions­mitarbeite­r flankieren das Gespann. Wocken hält die Fahrt durch die Stadt nach Mitternach­t am Donnerstag für die größte Herausford­erung.

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Foto: Uwe Bolten Der Eurofighte­r der Bundeswehr wurde am Dienstag auf dem Fliegerhor­st in Lagerlechf­eld auf einen Tieflader gehoben. Am Mittwoch wird der Kampfjet nacht Kaufbeuren transporti­ert.
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