Der Eurofighter ist startklar für den Transport
Heute wird ein Kampfjet von Lagerlechfeld nach Kaufbeuren gebracht. Der Weg führt die Spedition auch durch den Landkreis Landsberg. Wo Engstellen warten und welches Geheimnis streng gehütet wird
Lagerlechfeld/Kaufbeuren Wer heute Nacht auf der A 96 beziehungsweise der B17 im Raum Landsberg einen Eurofighter auf der Straße sieht, muss nicht an sich zweifeln. Er ist dann vielmehr Zeuge eines spektakulären Sondertransports: Von Lagerlechfeld aus wird ein High-TechJet, der ohne Seitenruder und Triebwerke etwa neun Tonnen wiegt, zum Fliegerhorst Kaufbeuren gebracht. Dort wird er gegen Mitternacht erwartet.
Ein Eurofighter, der nicht fliegt. Technische Probleme sind es jedenfalls nicht, weswegen das Flugzeug auf dem Landweg reist. Der Eurofighter dient der Ausbildung der deutschlandweit eingesetzten Luftfahrzeugtechniker. Kaufbeurer kennen das Wechselspiel bereits. Alle paar Jahre erhält das Technische Ausbildungszentrum der Luftwaffe neue Eurofighter. Alte Exemplare rollen in der Folge auf Sattelschleppern Richtung Manching, wo sie wieder flugtauglich gemacht werden. Diesmal ist es allerdings eine Premiere, denn der neue Jet konnte wegen der Sperrung der
Landebahn vor einigen Wochen nicht einschweben. Stattdessen kommt die Lieferung im Transportgeschirr erstmals auf dem Landweg. Elfeinhalb Meter breit, 16 Meter lang, neun Tonnen schwer, mehr als zweifache Schallgeschwindigkeit in der Luft – aber am Boden ist der Eurofighter ganz langsam unterwegs. Er wird wie ein rohes Ei behandelt.
Das Flugzeug wird zunächst in Lagerlechfeld auf einem Sattelschlepper verzurrt. Danach wird vorsichtshalber eine Proberunde auf dem Rollweg gedreht. Schließlich kostet die Fracht neu und mit allem Drum und Dran geschätzt bis zu 130 Millionen Euro. Jeder Handgriff soll sitzen, wenn Techniker den Jet präparieren und mit einem Kranwagen auf den Tieflader hieven. Dahinter steckt eine generalstabsmäßige Planung, versichert Bundeswehr-Pressesprecher Max-Joseph Kronenbitter. Alltag ist der Transport dennoch nicht. „Von Routine kann keine Rede sein“, sagt Speditionschef Anton Wocken, dem die Luftwaffe ihr teures Flugzeug anvertraut. „Aber wir setzen auf Erfahrung.“
Mehrmals wurde ein Eurofighter auf diese Weise huckepack transportiert. Der Luftwaffenschule und dem heutigen Technischen Ausbildungszentrum der Luftwaffe, Abteilung Süd, dient das jeweilige Fluggerät mit „aktueller FlugzeugKonfiguration“jedes Mal jahrelang als Schulungsobjekt am Boden, bevor es vom Hersteller Airbus Defence & Space auf den neuesten technischen Stand gebracht und betriebsbereit gemacht wird und damit also auch erneut die Flugzulassung erhält.
Für die Bundeswehr, die private Spedition aus dem Emsland und zwei Dutzend beteiligte Behörden ist das jedes Mal eine logistische Herausforderung. „Sicherheitsrelevante Vorrichtungen“lässt die Bundeswehr vor der Fahrt demontieren oder abdecken. Die „Tailnumber“, das Kennzeichen des Flugzeugs, wird wohl auch diesmal nicht sicht
Der Kampfjet ist über elf Meter breit
bar sein, das Cockpit bekommt eine grüne Haube. Wer es wissen wollte, konnte aber alles erkennen, als das Flugzeug mit der Nummer 31+10 nach bisher 1200 Flugstunden vor vier Wochen im Lechfeld aufsetzte.
Die Demontage der Tragflächen hätte zwar die Landfahrt deutlich erleichtert und verkürzt, räumt Kronenbitter ein. Aber sie hätte das Fluggerät auch seines Fahrwerks beraubt. Zudem macht es die Vorund Nacharbeit komplizierter, da der Eurofighter ein technisches Gemeinschaftsprojekt mehrerer Nationen ist. Lediglich die Finne, also das Seitenleitwerk, und die Triebwerke werden für die Auslieferung abgeschraubt.
Die Spedition Wocken hat schon oft für die Bundeswehr gearbeitet, Kampfflugzeuge und Hubschrauber kutschiert. „Wenn alle ihre Hausaufgaben gemacht haben, funktiobereits niert das“, sagt Speditionschef Wocken. Fahrer Thorsten Broszeit kennt bereits Fracht und Strecke. Er weiß, dass es um Zentimeter geht, wenn sein Tieflader meist Schrittgeschwindigkeit, vielleicht auch mal bis zu Tempo 50 rollt. Planung ist alles auf dem Weg über die neue B17, die A96 und die B12 sowie durch die Wertachstadt. Zumindest die B12 wird abschnittweise komplett gesperrt. Für die A96 und die B17 sind, so sagt es der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd-West, Dominic Geißler, aller Voraussicht nach nur einseitige Sperrungen nötig.
Wann der Eurofighter wo über die Straße rollen wird, bleibt ein Geheimnis. „Die Bundeswehr möchte darüber keine Auskünfte geben“, so Geißler. Unter anderem wohl auch deshalb, weil es sich bei dem Flieger um „eine Kriegswaffe handelt“.
Nur so viel ist klar: Das Zeitfenster für den Transport wurde bewusst gewählt, um möglichst nicht in den Berufsverkehr am Abend oder Morgen eingreifen zu müssen.
Doch nicht alles sei vorhersehbar, so Spediteur Anton Wocken: Verkehrsunfälle, Gewitter oder Falschparker etwa. Auf den Bundesstraßen montieren die Männer im Begleittross Schilder ab, in Kaufbeuren werden entlang der Sudeten-, Neugablonzer und Kemptener Straße auch Ampeln umgelegt. „Wir arbeiten da hervorragend mit der Stadt zusammen“, sagt Wocken. Ein paar Baumäste wird man wohl auch mit Spanngurten wegbiegen. Polizeibeamte, Bundeswehrangehörige sowie Bauhof- und Speditionsmitarbeiter flankieren das Gespann. Wocken hält die Fahrt durch die Stadt nach Mitternacht am Donnerstag für die größte Herausforderung.