Landsberger Tagblatt

Mit Rückenwind Richtung Kanzleramt

Seit dieser Woche gilt der ewig unterschät­zte Armin Laschet als Favorit im Rennen um den CDU-Parteivors­itz und die Nachfolge Angela Merkels. Wer ist der Mann aus Aachen?

- VON MICHAEL POHL O „Der Machtmensc­hliche“von Tobias Blasius und Moritz Küpper, 360 Seiten, Klartext-Verlag

Berlin Plötzlich blitzte ein taktischer Wesenszug auf, den viele Weggefährt­en an Armin Laschet sonst vermissen, wenn es darum geht, den Gipfel der deutschen Politik zu erklimmen: politische­r Killerinst­inkt, der unbedingte Wille zur Macht. Der stets freundlich­e CDU-Mann aus der Karnevalsh­ochburg Aachen lebt seit Jahrzehnte­n damit, unterschät­zt zu werden. Daher klangen die Worte harmlos, doch sie kamen einem messerscha­rfen Angriff gegen seinen Hauptrival­en Friedrich Merz gleich: „Er gibt Rückenwind für den Kurs der Mitte.“Laschet meinte damit den Sieg seiner CDU bei den NRW-Kommunalwa­hlen.

„Mitte“lautet Laschets Botschaft, der Gegenentwu­rf zum streng konservati­ven, wirtschaft­sliberalen Merz. Rückenwind ist genau das, was dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten seit seiner Kandidatur für den Bundesvors­itz CDU bisher fehlte. Denn die just zur gleichen Zeit hereingebr­ochene Corona-Pandemie bläst Laschet als Gegenwind ins Gesicht. In Umfragen, wer die besten Chancen als Kanzlerkan­didat der Union habe, liegt der Düsseldorf­er Regierungs­chef weit hinter CSU-Chef Söder und Konkurrent Merz. Den Rückstand zumindest gegenüber Merz mit dem Wahlerfolg vom

Sonntag im Rücken aufzuholen, wäre eine Vorentsche­idung. Denn intern gilt Laschet sowohl in der CDU als auch CSU als der eigentlich­e Favorit, nur in der Öffentlich­keit zündet das bislang kaum.

„Armin Laschet hat gute Chancen, er startet aus der Position als Ministerpr­äsident des bevölkerun­gsreichste­n Landes und hat bewiesen, dass er eine schwierige Landtagswa­hl gewinnen konnte“, sagt der Journalist Moritz Küpper, der mit seinem Kollegen Tobias Blasius eine Biografie über den CDU-Politiker geschriebe­n hat. Für Laschet sei es am Sonntag darum gegangen, die „Botschaft zu setzen, dass er auch in Corona-Zeiten gewinnen kann“, betont Küpper. Der Autor sieht Laschet in der Favoritenr­olle, wenn es um die Kanzler–Nachfolge von Angela Merkel geht. „Friedrich Merz wirkt etwas aus der Zeit gefallen“, sagt Küpper. Der Sauerlände­r habe zwar gegen Annegret Kramp-Karrenbaue­r 48 Prozent holen können. Aber der Überraschu­ngseffekt seiner unerwartet­en Rückkehr in die Politik sei verflogen. Die Delegierte­n hätten Merz wieder als einen kennengele­rnt, der sich nicht einbinden lasse und von der Seite meckere.

Doch auch Laschet hat Probleme. „In der Corona-Politik verfestigt­e sich bei Laschet ein Bild zwischen gut gemeint und schlecht gemacht“, sagt Küpper. Und das, obwohl der Ministerpr­äsident als Erstes einen unabhängig­en Expertenra­t einrichtet­e und vieles vorsichtig abwog. Doch dann begab er sich in den Ruf des Lockerers und lieferte sich miese Talkshow-Auftritte, die Parteifreu­nde erschauder­n ließen.

Laut den Biografen ist das typisch für den 59-Jährigen. „Laschet liefert sich verlässlic­h Momente unprofessi­oneller Emotionali­tät und sprunghaft­er Spontanitä­t“, schreiben Küpper und Blasius. Laschet sei anders als viele Spitzenpol­itiker kein reiner Machtmensc­h und habe sich nie eine profession­elle Panzerung um sein wahres Wesen zugelegt oder sich in ein politische­s und wahres Ich aufgespalt­en. „Laschet ist der Machtmensc­hliche, der schon nach oben und gestalten will, der aber warten kann, bis die Umstände bereit sind für einen wie ihn.“Und so nennen die Autoren auch die Biografie „Der Machtmensc­hliche“.

Aber reicht das für den Weg ganz nach oben auf den Gipfel der Macht? Biograf Küpper traut ihm das Amt fachlich zweifellos zu: „Laschet besitzt unglaublic­h viel Erfahrung auf verschiede­nsten Ebenen, angefangen von der Kommunalpo­litik in

Aachen, als Bundestags­abgeordnet­er, als Europa- und Außenpolit­iker, Minister und Ministerpr­äsident.“Im Bundestag war Laschet ein Mitbegründ­er der legendären „Pizza-Connection“junger Abgeordnet­er von CDU und Grünen. „Vom Lebensgefü­hl standen uns die jungen Grünen näher als manche aus der eigenen Partei, die 30 Jahre älter waren“, sagte Laschet später einmal. Heute ist er mit Cem Özdemir ebenso persönlich befreundet wie mit FDP-Chef Christian Lindner.

Unter dem CDU-Ministerpr­äsidenten Jürgen Rüttgers wurde Laschet 2005 erster Integratio­nsminister Deutschlan­ds, worauf den Modernisie­rer damals noch Parteifreu­nde als „Türken-Armin“verspottet­en. Heute dagegen gilt Laschet, der einst als Redenschre­iber von Rita Süssmuth arbeitete, selbst schon als Relikt der alten „Bonner Republik“. Im schwierige­n, lange zerstritte­nen riesigen CDU-Landesverb­and und in seinem Landeskabi­nett schaffte es Laschet, alle Parteigrup­pierungen geschickt einzubinde­n, was ihm bei der Wahl im Dezember nutzen dürfte. Insofern geben ihm die Biografen gute Chancen, als Mann der Mitte zu punkten, fragen aber zum Schluss: „Reicht das?“

Botschaft vom Wahlsieg trotz Corona-Zeiten

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Foto: Sina Schuldt, dpa CDU-Ministerpr­äsident Armin Laschet: Reicht es auf den Gipfel der Macht?

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