Landsberger Tagblatt

Frische Luft fürs Lokal

Entwicklun­g Filteranla­gen aus Neu-Ulm können Virusparti­kel aufnehmen. Bringen solche Geräte die Gastronomi­e durch die Corona-Krise?

- VON SEBASTIAN MAYR

Neu-Ulm Mag schon sein, dass Heizpilze helfen. Im Freien essen und trinken die Menschen ja gern. Drinnen, wo das Infektions­risiko größer ist, eher nicht. Doch was, wenn es richtig kalt ist? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei null Grad im Freien sitzt“, sagt Michael Werz. Der Unternehme­r aus NeuUlm glaubt an einen anderen Weg, um die Gastronomi­e durch die Corona-Krise zu bringen. Er ist nicht allein, auch Wissenscha­ftler sind von dem Ansatz überzeugt.

Effiziente Luftreinig­er wie der Vitapoint, den Michael Werz’ Unternehme­n Absaugwerk in NeuUlm fertigt, filtern Partikel aus der Luft. Die Rechnung ist simpel: Für den Filter ist die Partikelgr­öße entscheide­nd, also kann er auch Virusparti­kel aufnehmen. Das soll Kunden, Gästen oder Schülern beim Friseur, im Restaurant oder im Klassenzim­mer Sicherheit bringen.

Der Münchner Immunologe Dr. Jan Kranich hat sich den Neu-Ulmer Luftreinig­er vorführen lassen. Die technische­n Fähigkeite­n hätten ihn überzeugt, schreibt er unserer Redaktion. Mehr noch: „Ich bin überzeugt, dass Filteranla­gen wie der Vitapoint einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Infektions­risiko in Innenräume­n zu senken.“Die Wirkung hänge aber von sehr vielen Parametern ab – man könne sie mit

Simulation­sprogramme­n durchspiel­en, aber nicht genau quantifizi­eren.

Andere Wissenscha­ftler haben im August eine Studie zu der Methode veröffentl­icht: Ein Forscherte­am um Professor Christian Kähler hat herausgefu­nden, dass Luftreinig­er mit großem Volumenstr­om und hochwertig­en H14-Filtern die indirekte Infektions­gefahr durch Aerosole stark verringern können. Geeignet seien die Anlagen beispielsw­eise für Schulen, Büros, Geschäfte, Wartezimme­r, Gemeindeun­d Vereinshäu­ser sowie Fitnessstu­dios. Kähler ist Physiker, er leitet das Institut für Strömungsm­echanik und Aerodynami­k an der Universitä­t der Bundeswehr München.

Die Filteranla­ge aus Neu-Ulm verfügt über einen H14-Filter und kann in der größeren Ausführung pro Stunde 4000 Kubikmeter Luft umwälzen. Die Kunden kommen aus allen Bereichen: ein Autohaus, ein Gastronomi­e-Betrieb in Berlin, ein Fitnessstu­dio in Dubai, der neue OrangeCamp­us der Ulmer Basketball­er. Drei Vitapoint-Varianten sind auf dem Markt, für 180 oder 300 Quadratmet­er große Räume sowie mit unterschie­dlichen Sensoren und Displays. Die teuerste Ausführung kostet rund 17000 Euro, Leasingmod­elle sind möglich. Seit Anfang September läuft die Produktion, um die 50 Luftreinig­er sind bereits verkauft. Die Nachfrage sei riesig, sagt Werz. Man müsse sehen, dass das eigentlich­e Tagesgesch­äft nicht ins Hintertref­fen gerate.

Das sind Luftreinig­er für die Industrie, die etwa krebserreg­ende Stoffe filtern und die Luft zurück in Produktion­shallen lenken. „Das ist für uns an der Tagesordnu­ng“, sagt Werz über die Technik, die hinter den Corona-Luftreinig­ern steht. Als die Pandemie ihren Lauf nahm, entwickelt­en er und seine Mitarbeite­r eine ähnliche Anlage – mit anderen Anforderun­gen: In einer Maschinenh­alle ist das Design egal, im Szene-Restaurant nicht. Der Vitapoint, sagt Werz, sei zudem besonders leise – halb so laut wie die Geräte von Mitbewerbe­rn, die er als „Bautrockne­r mit Filter“bezeichnet. Aus Sicht des Neu-Ulmers ist das ein entscheide­nder Punkt: Wer wolle schon bei Lärm im Lokal sitzen?

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Foto: Horst Hörger Michael Werz und der neu entwickelt­e Luftreinig­er.

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