Frische Luft fürs Lokal
Entwicklung Filteranlagen aus Neu-Ulm können Viruspartikel aufnehmen. Bringen solche Geräte die Gastronomie durch die Corona-Krise?
Neu-Ulm Mag schon sein, dass Heizpilze helfen. Im Freien essen und trinken die Menschen ja gern. Drinnen, wo das Infektionsrisiko größer ist, eher nicht. Doch was, wenn es richtig kalt ist? „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand bei null Grad im Freien sitzt“, sagt Michael Werz. Der Unternehmer aus NeuUlm glaubt an einen anderen Weg, um die Gastronomie durch die Corona-Krise zu bringen. Er ist nicht allein, auch Wissenschaftler sind von dem Ansatz überzeugt.
Effiziente Luftreiniger wie der Vitapoint, den Michael Werz’ Unternehmen Absaugwerk in NeuUlm fertigt, filtern Partikel aus der Luft. Die Rechnung ist simpel: Für den Filter ist die Partikelgröße entscheidend, also kann er auch Viruspartikel aufnehmen. Das soll Kunden, Gästen oder Schülern beim Friseur, im Restaurant oder im Klassenzimmer Sicherheit bringen.
Der Münchner Immunologe Dr. Jan Kranich hat sich den Neu-Ulmer Luftreiniger vorführen lassen. Die technischen Fähigkeiten hätten ihn überzeugt, schreibt er unserer Redaktion. Mehr noch: „Ich bin überzeugt, dass Filteranlagen wie der Vitapoint einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Infektionsrisiko in Innenräumen zu senken.“Die Wirkung hänge aber von sehr vielen Parametern ab – man könne sie mit
Simulationsprogrammen durchspielen, aber nicht genau quantifizieren.
Andere Wissenschaftler haben im August eine Studie zu der Methode veröffentlicht: Ein Forscherteam um Professor Christian Kähler hat herausgefunden, dass Luftreiniger mit großem Volumenstrom und hochwertigen H14-Filtern die indirekte Infektionsgefahr durch Aerosole stark verringern können. Geeignet seien die Anlagen beispielsweise für Schulen, Büros, Geschäfte, Wartezimmer, Gemeindeund Vereinshäuser sowie Fitnessstudios. Kähler ist Physiker, er leitet das Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München.
Die Filteranlage aus Neu-Ulm verfügt über einen H14-Filter und kann in der größeren Ausführung pro Stunde 4000 Kubikmeter Luft umwälzen. Die Kunden kommen aus allen Bereichen: ein Autohaus, ein Gastronomie-Betrieb in Berlin, ein Fitnessstudio in Dubai, der neue OrangeCampus der Ulmer Basketballer. Drei Vitapoint-Varianten sind auf dem Markt, für 180 oder 300 Quadratmeter große Räume sowie mit unterschiedlichen Sensoren und Displays. Die teuerste Ausführung kostet rund 17000 Euro, Leasingmodelle sind möglich. Seit Anfang September läuft die Produktion, um die 50 Luftreiniger sind bereits verkauft. Die Nachfrage sei riesig, sagt Werz. Man müsse sehen, dass das eigentliche Tagesgeschäft nicht ins Hintertreffen gerate.
Das sind Luftreiniger für die Industrie, die etwa krebserregende Stoffe filtern und die Luft zurück in Produktionshallen lenken. „Das ist für uns an der Tagesordnung“, sagt Werz über die Technik, die hinter den Corona-Luftreinigern steht. Als die Pandemie ihren Lauf nahm, entwickelten er und seine Mitarbeiter eine ähnliche Anlage – mit anderen Anforderungen: In einer Maschinenhalle ist das Design egal, im Szene-Restaurant nicht. Der Vitapoint, sagt Werz, sei zudem besonders leise – halb so laut wie die Geräte von Mitbewerbern, die er als „Bautrockner mit Filter“bezeichnet. Aus Sicht des Neu-Ulmers ist das ein entscheidender Punkt: Wer wolle schon bei Lärm im Lokal sitzen?