Landsberger Tagblatt

„Lachen ist ein Ventil“

Anke Engelke gilt als „Comedy-Queen“. Eine Bezeichnun­g, die sie überhaupt nicht mag. Jetzt spielt sie eine Trauerredn­erin. Bei den Dreharbeit­en wurde sie nachdenkli­ch

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Frau Engelke, in der Netflix-Serie „Das letzte Wort“sind Sie kaum wiederzuer­kennen. Gefallen Sie sich in der Rolle der Trauerredn­erin Karla Fazius?

Anke Engelke: Das ist ja so spannend am Schauspiel­beruf: Das ist kein Schönheits­wettbewerb, sondern man spielt Rollen, man kann immer wieder jemand anders sein. Die Veränderun­g für die Serie war auch wieder ein toller Prozess. Die Kollegen von Regie, Maske und Kostüm hatten klare Vorstellun­gen von Karlas Aussehen: Haare ab, rot gefärbt, braune Kontaktlin­sen, viel Ocker in den Klamotten, ein paar Kilo mehr. Ich nähere mich Rollen gern von außen. Jetzt gerade spiele ich in Österreich in einem Film eine Lady, die gern Bleistiftr­öcke trägt, mit blonden Locken und langen orangenen Fingernäge­ln. Ob ich mir so gefalle, ist tatsächlic­h wurscht. Toll!

Die Hauptfigur in „Das letzte Wort“wird zur Witwe und nimmt einen Job als Trauerredn­erin an. Wer sollte an Ihrem Grab sprechen?

Engelke: Lustig, aber darüber habe ich mir privat noch keine Gedanken gemacht. Ich bin dafür zu gerne im Hier und Jetzt, das entspricht nicht meinem Naturell. Aber während der Dreharbeit­en haben wir in den Pausen viel über das ganze Thema gesprochen, da hieß es auch mal: An deinem Grab würde ich dies und jenes sagen, oder es ging darum, welche Musik gespielt werden soll. Der Tod gilt zwar als Tabuthema, aber eigentlich spricht jeder gerne darüber. Sobald das Eis gebrochen ist, herrscht komplette Redefreihe­it.

Ging Ihnen das Thema bei den Dreharbeit­en unter die Haut?

Engelke: Es waren sehr intensive Wochen. Wir haben mehr oder weniger chronologi­sch gedreht, und deshalb konnte ich immer wieder erleben, durch welche Trauerphas­e Karla gerade taumelte. Es wäre anmaßend zu sagen, ich könnte jetzt verstehen, wie sich Menschen fühlen, denen es so geht, aber ich war doch erstaunlic­h nah dran an ihren emotionale­n Zuständen. Natürlich ist es am Ende des Tages nur eine Serie, aber ich habe ja immer den Anspruch, dass Menschen anschließe­nd zusammensi­tzen und über das Gesehene reden.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Engelke: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles zu Ende ist, nur weil wir sterben. Dafür hat das, was man als Mensch in seinem Leben bei Familie und Freunden hinterläss­t, zu viel Wumms. Jeder Mensch ist einzigarti­g. Es kann nicht der Plan sein, dass man dann einfach weg ist, dass es das gewesen ist – das glaube ich nicht.

Ist es typisch deutsch, dass alles rund um die Beisetzung bei uns so bürokratis­ch ist?

Engelke: Ich habe mich auch schon gefragt, warum wir Deutschen es zulassen, dass das alles oft so emotionslo­s ist, so bürokratis­ch. Ich beneide andere Kulturen um ihren beinahe fröhlichen Umgang mit dem Tod. Die Mexikaner zum Beispiel, die große Feste feiern und sagen: Jetzt geht’s erst richtig los, es gibt keinen Grund zum Weinen.

Brauchen wir auch mehr Humor in Corona-Zeiten?

Engelke: Man muss das nicht auf die Corona-Krise reduzieren, sondern das gilt für alle Zeiten – dass es im Zweifel auch mal guttut, miteinande­r zu lachen. Es gibt ja auch Trauerfeie­rn, bei denen plötzlich gelacht wird, und auf einmal gucken alle komisch, aber in dem Moment musste es einfach sein, da ist Lachen ein Ventil. Lachen gleichzuse­tzen mit Blödsinn, Stumpfsinn oder gar Dummheit, wäre falsch, ich fürchte, manche Menschen assoziiere­n das vorschnell. In Deutschlan­d werden Komödiante­n und Komödien ja auch schnell als stumpfsinn­ig abgetan. Aber dafür macht es viel zu viel Arbeit, lustig zu sein.

Seit Ihrem Durchbruch in den 90ern werden Sie als „Comedy-Queen“bezeichnet. Wie finden Sie das Etikett? Engelke: Habe ich noch nie kapiert, warum es diese Titel gibt und so seltsame Superlativ­e. Nick Cave hat mal einen MTV-Award abgelehnt mit der Begründung „My Muse is not a Horse“– meine Muse ist kein Pferd. Stimmt, wir sind hier nicht bei einem Rennen. Vergleiche sind solche Spaßkiller, oder?

Bei Amazon Prime Video startet eine weitere Serie, in der Sie mitwirken: „Deutschlan­d 89“spielt im Wendejahr. Können Sie sich noch an die Zeit erinnern, als die Mauer fiel? Engelke: Na klar, damals war ich beim Radio, beim Südwestfun­k in Baden-Baden, deshalb habe ich den Mauerfall unter lauter Journalist­en miterlebt – das war Geschichts­unterricht live.

Streamen Sie selber viele Serien? Engelke: Ich bin sicherlich keine Expertin wie mein Freund und Kollege Bastian Pastewka, aber ich mag und schaue manche Serien gern. Da ich viel mit dem Zug reise, gucke ich unterwegs stundenlan­g Serien. Zu Hause kann ich nicht so gut auf dem Sofa still sitzen, dafür bin ich zu gerne Köchin, Mutti und Hausfrau.

Und was schauen Sie gerne? Engelke: Die Klassiker, bei denen wir uns gar nicht streiten müssen, ob das gut oder schlecht ist: „Breaking Bad“oder „House of Cards“. Zurzeit drehe ich in Wien, da bin ich immer acht, neun Stunden mit dem Zug unterwegs. In dieser Zeit schaffe ich richtig viele Folgen, denn da kann ich nicht zwischendu­rch in die Küche laufen. Außerdem komme ich auch noch zum Schlafen und zum Text lernen.

Wenn Sie, wie bei solchen Zugfahrten, in der Öffentlich­keit unterwegs sind, genießen Sie dann die Anonymität durch die Maskenpfli­cht?

Engelke: Manche Menschen erkennen mich. Aber das macht auch nichts, denn alle reagieren so wahnsinnig nett. Mir zwinkern alle zu, mir lächeln alle zu – das ist schon ziemlich astrein.

Sind Sie beruflich von der CoronaKris­e betroffen gewesen?

Engelke: Nein, ich gehörte zu den Glückspilz­en, deren Projekte abgedreht waren oder die sich in der Postproduk­tion befanden. Ein paar Lesungen und Veranstalt­ungen mussten abgesagt werden, logo, aber es hielt sich für mich glückliche­rweise in Grenzen.

Interview: Cornelia Wystrichow­ski

Anke Engelke, 54, wurde im kanadische­n Montreal geboren. 1971 zog ihre Familie in die Nähe von Köln. Ihren Durchbruch als Komikerin hatte sie 1996 in der Sat.1-„Wochenshow“. Es folgten Erfolgsfor­mate wie „Ladykrache­r“. Ihre neue Serie „Das letzte Wort“startet an diesem Donnerstag im Streamingd­ienst Netflix. Engelke hat drei Kinder und lebt in Köln.

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Foto: Christoph Soeder, dpa Anke Engelke glaubt an ein Leben nach dem Tod: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles zu Ende ist, nur weil wir sterben“, sagt sie.

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