Warum für Bäume immer weniger Platz ist
Wenn im Ort neu gebaut wird, müssen oft große alte Bäume weichen. Jetzt trifft es in Dießen eine Blutbuche in der Neudießener Straße. Weshalb alle Appelle, sie zu erhalten, ohne Erfolg bleiben
Dießen Wo Häuser gebaut werden, bleibt oft kein Platz mehr für große Bäume: Deshalb musste jetzt auch an der Neudießener Straße in Dießen eine stattliche Blutbuche mit einer ausladenden Krone Platz machen für eine geplante Neubebauung. Daran änderten auch alle Appelle aus der Nachbarschaft und aus dem Rathaus, den Baum zu erhalten, nichts. Selbst der Grundstückseigentümer, ein örtlicher Immobilienunternehmer, sagt, er hätte den Baum gerne erhalten. Warum er trotzdem gefällt wurde.
In der unmittelbaren Nachbarschaft war das Entsetzen groß, als vor ein paar Tagen krangesichert der große ausladende Baum Stück für Stück beseitigt wurde. Zuvor habe man noch den Eigentümer bestürmt, den Baum stehen zu lassen, erzählt Philipp Perret, der auf der anderen Seite der Neudießener Straße wohnt. Er lebt mit seiner Familie auf einem Grundstück, das vor etlichen Jahren vom früheren GrünenGemeinderat Thomas Kanzler bebaut wurde. Die große Eiche dort überstand die Bebauung, an ihr hängt heute auch eine Riesenschaukel für die Kinder.
Diese hätten nun „mit Tränen in den Augen“am Straßenrand beobachtet, wie die Buche in der Nachbarschaft umgeschnitten wurde. Perret sagt, eine solche Entwicklung mache ihm Sorge. Er sei in Dießen aufgewachsen und nach neun Jahren in Berlin jetzt zurückgekehrt. Seinen Heimatort erkenne er teilweise nicht wieder. Die bauliche Entwicklung in Dießen nennt er „beängstigend“, nicht nur, was die Veränderungen am Ortsbild anbelangt, sondern auch, weil es sich immer mehr Dießener wegen der stark gestiegenen Immobilienpreise nicht mehr leisten können, in der Marktgemeinde zu leben.
Auf dem Grundstück oberhalb des Penny-Markts lässt sich sehr gut die aktuelle bauliche Entwicklung im Ort ablesen. Bisher steht auf dem rund 2400 Quadratmeter großen Grundstück eine 1982 erbaute stattliche Villa. Nach dem Tod ihrer Bestand sie zum Verkauf und wurde von einem Bauträger erworben. Er ist in Dießen seit vielen Jahren im Geschäft – und zwar ziemlich erfolgreich, wie man an vielen Ecken in der Marktgemeinde sehen kann. Er möchte namentlich nicht genannt werden.
Er sagt, er werde die Villa abreißen und durch drei Wohngebäude mit Geschosswohnungen ersetzen. Wie viele Einheiten es werden sollen, lässt er noch offen, jedenfalls doch so viele, dass auch eine Tiefga
gebaut werden soll. Nach den vor einigen Jahren erhöhten Stellplatzanforderungen der Gemeinde machten beispielsweise zehn Wohnungen 22 Stellplätze erforderlich, rechnet er vor.
Die Fällung des Baums sei unvermeidbar gewesen, sagt der Unternehmer. Sie sei zwar in der Ecke gestanden, doch ihre Krone hätte dazu geführt, dass ein erheblicher Teil des Grundstücks nicht hätte bebaut werden können. Um einen Baum nicht zu schädigen, müsse man minwohnerin destens 1,5 Meter von der Kronentraufe Abstand nehmen und wegen des nötigen Arbeitsraums für Keller oder Tiefgarage noch weitere vier Meter. Da wären mehrere Hundert Quadratmeter nicht bebaubar gewesen.
Trotzdem habe er versucht, umzuplanen. „Ich habe mir gesagt, wir bemühen uns, den Baum zu erhalten, mir gefiel er ja selber gut.“Bestärkt worden sei er darin noch von einem örtlichen Baumspezialisten. Auch im Rathaus, wo der Unternehrage mer bereits mit seinen Bauplänen vorstellig geworden war, wurde er gebeten, die Blutbuche stehen zu lassen.
„Der Bauherr war bei Frau Schäffert im Bauamt und bei mir“, berichtete Bürgermeisterin Sandra Perzul, „wir haben ihm beide ganz klar gesagt, es ist zwar sein Grund, aber er soll sich überlegen, dass dieser Baum erhalten bleibt.“Eine rechtliche Handhabe für eine Erhaltung hatte die Gemeinde jedoch nicht. Das Grundstück liegt nicht innerhalb eines Bebauungsplans, der es ermöglichen würde, die Erhaltung bestimmter Bäume festzusetzen, und es gibt in Dießen – wie in fast allen Gemeinden – keine allgemeingültige Baumschutzverordnung.
Zwei Arbeitstage habe er mit seinem Architekten damit verbracht, alternative Planungen zu entwickeln, erzählt der Immobilienunternehmer weiter. Am Ende sei aber doch die Erkenntnis gestanden, dass es nicht funktionieren würde, die geplante Bebauung unter Beachtung der nach der Bauordnung notwendigen
Die Suche nach Alternativen führt ins Leere
Gebäudeabstände zu realisieren und den Baum stehen zu lassen.
Nach einer noch vorgenommenen artenschutzrechtlichen Prüfung, die klären sollte, ob sich in der Buche zum Beispiel Spechthöhlen befinden, was laut Eigentümer nicht der Fall war, rückte am Donnerstag in der Früh ein vom Generalunternehmer beauftragtes Baumfällerteam an.
Nach wenigen Stunden erinnerte außer einem Teppich an Bucheckern und Laub am Straßenrand nicht mehr viel an die Buche. Der Bauträger richtet derweil den Blick in die Zukunft: So kündigt er an, demnächst nicht nur einen Eingabeplan für die Neubebauung des Grundstücks einzureichen, sondern auch einen Freiflächenplan. Mit diesem verpflichte er sich auch zu einer Ersatzpflanzung für die gefällte Buche.