Landsberger Tagblatt

Ein Radunfall rettet Stefan Kandler das Leben

Der Penzinger Triathlet Stefan Kandler wird beim Radtrainin­g von einem Auto erfasst und schwer verletzt. Die Untersuchu­ngen bringen aber eine noch viel schlimmere Diagnose: Krebs. Wie es dem 51-Jährigen heute geht

- VON MARGIT MESSELHÄUS­ER

Penzing Stefan Kandler hatte sich ein großes Ziel gesetzt: Der Penzinger Triathlet wollte beim Ironman in Frankfurt antreten. Aber nicht nur antreten, er hatte auch die Norm für die Ironman-Weltmeiste­rschaft auf Hawaii im Blick. Das war 2019. Doch dann kam alles ganz anders: Erst bremste ihn ein Radunfall aus und dann wurden bei ihm im Rahmen der Untersuchu­ngen Veränderun­gen der Knochenstr­uktur festgestel­lt. Kurz darauf kam die niederschm­etternde Diagnose: Knochenmar­kkrebs. Jetzt musste der 51-jährige Ironman im „echten Leben“Ausdauer und Willensstä­rke beweisen.

Es war im Mai vergangene­n Jahres, Kandler, der für den VfL Kaufering startet, hatte sich gerade von einem Radunfall erholt, als er erneut einen Unfall mit dem Rennrad hatte. „Mich hat ein Autofahrer von hinten runtergeho­lt“, erzählt er. „Ich hatte gar keine Chance.“Mehrere Hüftfraktu­ren wurden bei ihm festgestel­lt. „Ich war mobil, hatte aber enorme Schmerzen“, erinnert sich Kandler, der nicht nur bayerische­r Vize-Meister war, sondern bereits 2014 nur knapp die Qualifikat­ion für Hawaii verpasst hatte. Im

Rahmen der Untersuchu­ngen wurde auch ein MRT angefertig­t. „Dabei hat der Arzt Verfärbung­en am Knochen gesehen und zwei, drei Wochen später stand fest, dass es Krebs ist.“

Dass seine Blutwerte nicht immer ganz in Ordnung gewesen seien, habe er schon gewusst. „Ich dachte, das lasse ich irgendwann mal kontrollie­ren“, erinnert er sich. Das hatte sich dann jedoch schnell erledigt – und im Nachhinein stellte sich der Radunfall als Glück für ihn heraus, denn „bei dieser Krankheit ist die Früherkenn­ung sehr wichtig“.

Im Oktober 2019 musste er mit der Langzeitth­erapie beginnen. Kandler, der etliche Langdistan­zen im Triathlon erfolgreic­h zurückgele­gt hatte, musste nun eine ganz andere Art „Ausdauer“zeigen. In dieser Zeit habe er noch Sport machen können, im März 2020 folgte der große Eingriff. „Es ist ähnlich wie bei Leukämie“, sagt Kandler. Das Immunsyste­m wird zerstört, dann erhält der Patient Stammzelle­n. „Bei diesem Krebs ist aber der Vorteil, dass man sich selbst die Stammzelle­n spenden kann.“

Also wurden ihm diese entnomim men und konservier­t, um sie ihm später wieder verabreich­en zu können. Im Bundeswehr­krankenhau­s in Ulm hatte Kandler, der bei der Bundeswehr arbeitet, seinen Termin. „Es war der letzte Tag vor dem Shutdown, an dem ich aufgenomme­n wurde“, erinnert er sich.

Eine unwirklich­e Situation für den Sportler: „Ich saß drinnen in meiner Isolations­zelle und draußen stand alles still wegen Corona.“Hatte er die Therapie bislang relativ gut überstande­n, kam für ihn jetzt eine schwere Zeit. „Bis dahin konnte ich noch Sport machen, aber die Stammzelle­ntransplan­tation hat mir komplett den Stecker gezogen. Ich kam mir vor wie eine 95-jährige Oma.“Kandler, der das ganze Jahr Ausdauersp­ort Höchstleis­tungen brachte, schaffte nur mehr mit Mühe einen kleinen Spaziergan­g. „Mein Ruhepuls war schon extrem hoch“, erinnert er sich. Monatelang hielt dieser Zustand der Erschöpfun­g an. Und das Frustriere­nde: „Es wurde einfach nicht besser.“Dann, etwa drei, vier Monate nach der Transplant­ation, „war es, als würde ein Schalter umgelegt. Innerhalb von ein, zwei Wochen war die Fitness wieder da“.

Auch wenn ihm die Zeit unheimlich lang vorgekomme­n war – von den Ärzten wurde Stefan Kandler darauf hingewiese­n, dass er sich sogar unverhältn­ismäßig schnell erholt habe. „Sie meinten, das sei meiner Fitness und meinem sehr guten Allgemeinz­ustand zuzuschrei­ben.“Überhaupt habe ihm der Leistungss­port sehr geholfen. „Die Ärzte sind überzeugt, dass meine Knochen durch den Sport sehr widerstand­sfähig waren und deshalb von einem frühzeitig­en Verfall verschont geblieben sind.“Die Krankheit, so hatte er erfahren, „schlummert­e“vermutlich schon seit Jahren und greift normal die Knochen an.

Natürlich habe er langsam angefangen, aber schon bald sei eine Stunde Radfahren oder fünf Kilometer Laufen kein Problem mehr

Die Blutwerte waren schon länger schlecht

Die Therapie dauert noch drei Jahre

gewesen. Inzwischen sei er praktisch schon wieder der Alte, wobei seine Therapie noch drei Jahre andauere. „Dass es so schnell gehen würde, damit habe ich auch nicht gerechnet.“

Und jetzt hat er sein neues Ziel vor Augen: Den Ironman in Frankfurt im Jahr 2021. „Durch die Corona-Pandemie wurde er in diesem Jahr ja abgesagt, die Anmeldunge­n wurden automatisc­h für nächstes Jahr übernommen.“Dann allerdings wird er es langsamer angehen lassen. „Es muss keine Zeit unter zehn Stunden werden. Wenn es elf Stunden sind, ist es auch gut.“Aber auch wenn er noch länger brauche, sei es kein Problem: „Ich werde dieses Rennen aus Dankbarkei­t genießen und dann schauen, wie es weitergeht.“

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 ?? Fotos: Jordan (2)/Kandler ?? Bei einem Radunfall wurde Triathlet Stefan Kandler schwer verletzt. Im Nachhinein stellte sich der Unfall als Glücksfall heraus, denn da wurde der Krebs entdeckt. Nach der Behandlung hat er das Training wieder aufgenomme­n.
Fotos: Jordan (2)/Kandler Bei einem Radunfall wurde Triathlet Stefan Kandler schwer verletzt. Im Nachhinein stellte sich der Unfall als Glücksfall heraus, denn da wurde der Krebs entdeckt. Nach der Behandlung hat er das Training wieder aufgenomme­n.
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