„Diese Aufgabe hat eine historische Dimension“
In der Corona-Krise traf sich Kanzlerin Angela Merkel erneut mit Vertretern der Bundesländer. Die Runde verabredete neue Maßnahmen. Lockerungen wird es nicht geben – im Gegenteil
Berlin Die 5000er-Schwelle ist wieder überschritten: Erstmals seit Mitte April gibt es in Deutschland wieder mehr als 5000 neue CoronaInfektionen innerhalb eines Tages. Der bisherige Höchstwert liegt bei 6294, gemessen wurde er am 28. März. Unter dem Eindruck der steigenden Zahlen traf sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch mit den Ministerpräsidenten. Und sie machten klar: Die Regeln werden wieder strenger.
„In diesen Tagen entscheidet sich die Frage, ob wir in Deutschland die Kraft haben, den Anstieg der Infektionszahlen wieder zu stoppen“, heißt es in einer Beschlussvorlage. Und: „Wir haben es nun in der Hand, das Infektionsgeschehen in Deutschland positiv zu beeinflussen. Dies setzt aber große Entschlossenheit und den Willen der Gesellschaft als Ganzes voraus.“Diese Aufgabe habe auch eine historische Dimension: „Die Staaten, denen es gelingt, die Infektionskontrolle zu erhalten, werden wirtschaftlich und sozial besser durch die Krise kommen und damit auch eine erheblich bessere Ausgangslage nach der Krise haben.“
Bund und Länder wollen dafür die schon längst beschlossene, aber bisher nur lückenhaft umgesetzte Verstärkung der Gesundheitsämter mit neuer Kraft vorantreiben. Doch die wichtigste Änderung ist wohl: schärfere Beschränkungen erlassen. Sie sollen schon einschreiten, wenn es in einer ersten Warnstufe 35 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb einer Woche gibt. Hier sind die Maßnahmen im Überblick:
● Hygiene und Abstandsregeln ein halten Die Bürger sind aufgefordert, gerade jetzt in den Herbst und Wintermonaten sehr konsequent auf die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu achten. Die Hygieneregeln sind einzuhalten. „Wo es geboten ist, ist eine Mund-Nasen-Bedeckung (Alltagsmasken) zu tragen.“Es wird empfohlen, die Corona-Warn-App zu nutzen und beim Aufenthalt mit mehreren Personen in geschlossenen Räumen regelmäßig zu lüften. Insbesondere die Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung in bestimmten öffentlichen Bereichen gilt verbindlich und wird von den Ord„konsequent kontrolliert und sanktioniert“.
● Erste Warnstufe Die Menschen in Deutschland sollen die Zahl ihrer Kontakte gezielt da reduzieren, wo besondere Ansteckungsgefahren bestehen. Wo die Infektionszahlen steigen und spätestens bei einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in einer Woche kann eine „ergänzende Maskenpflicht“dort eingeführt werden, wo Menschen dichter oder länger zusammenkommen. Bei steigenden Infektionszahlen „und spätestens bei einer Inzidenz von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in einer Woche“wird eine frühere Sperrstunde in der Gastronomie möglich. Bars und Klubs werden geschlossen. Die Zahl der Teilnehmer bei Veranstaltungen kann dann noch stärker begrenzt werden. Ausnahmen bedürfen eines mit dem zuständigen Gesundheitsamt abgestimmten Hygienekonzeptes. Private Feiern sollen nur stattfinden, wenn es unbedingt notwendig erscheint. Auch hier gilt: Ab einer Inzidenz von 35 kann eine stärkere Teilnehmerbegrenzung angeordnet werden.
● Zweite Warnstufe Die Länder ergreifen darüber hinaus konsequent
„verschärfende lokale Beschränkungsmaßnahmen“spätestens, sobald das Infektionsgeschehen über die Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage steigt. Die lokalen Maßnahmen müssen „zielgerichtet und überregional vergleichbar sein“. Dazu gehören insbesondere eine Erweiterung der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, die Einführung von Kontaktbeschränkungen. Im öffentlichen Raum sollen sich dann nur noch maximal zehn Personen treffen dürfen – sollte die neuen Maßnahmen den Anstieg nicht zum Stillstand bringen, nur noch bis zu fünf Personen oder die Angehörigen zweier Hausstände. Das soll dann auch für Feiern im privaten Raum gelten. Zudem ist dann die Erweiterung der Sperrstunde für Gastronomiebetriebe vorgesehen, sie beginnt dann um 23 Uhr. Bordelle, aber auch Bars und Clubs werden dann geschlossen.
● ZehnTageFrist Können diese Maßnahmen den Anstieg der Infektionszahlen spätestens binnen zehn Tagen nicht stoppen, werden weitere Schritte eingeleitet, um die „öffentlichen Kontakte weitergehend zu reduzieren“. Es wird dann wienungsbehörden der Kontaktbeschränkungen geben, die den Aufenthalt im öffentlichen Raum strikt regulieren.
● Einsatz im Innern Mitarbeiter in den Verwaltungen müssen damit rechnen, dass sie zur Kontaktnachverfolgung abgeordnet werden. Notfalls sollen Studierende und Freiwillige eingesetzt werden. Die Bundeswehr wäre kurzfristig in der Lage, mit bis zu 5000 Kräften und in wenigen Wochen mit bis zu 15000 Kräften Unterstützung zu leisten.
● Reise Bei Einreisen aus ausländischen Risikogebieten ohne triftigen Grund werden die Länder „weitgehend einheitlich“eine zehntägige Quarantäne verhängen. Diese kann durch einen negativen Test ab dem fünften Tag vorzeitig beendet werden. Für notwendige Reisen und Pendler sind „detaillierte Ausnahmen“vorgesehen. Im Inland sind die Bürger „eindringlich aufgefordert“, nicht erforderliche Reisen in Gebiete zu vermeiden, die den Grenzwert von 50 Neuinfektionen überschritten haben. Bund und Länder „weisen ferner darauf hin, dass in der Mehrheit der Bundesländer die Beherbergung für Reisende aus Hotspots einen negativen Test voraussetzt“.