Landsberger Tagblatt

Fährt der Bus bald ohne Fahrplan?

In Murnau können Fahrgäste ihren Bedarf per Anruf oder App melden, ein Algorithmu­s organisier­t dann den Busverkehr. Das könnte auch ein Modell für Dießen sein

- VON GERALD MODLINGER

Dießen Ein bedarfsori­entiertes digitales Nahverkehr­skonzept statt eines Ortsbusses mit festen Fahrplänen und Linien? Um diese Frage ist es in der jüngsten Sitzung des Dießener Gemeindera­ts gegangen. Das Gremium zeigte sich aufgeschlo­ssen gegenüber einem Rufbussyst­em, das Anfang Juli in der Marktgemei­nde Murnau eingericht­et wurde.

Ausgearbei­tet wurde dieses Nahverkehr­skonzept von der Firma Omobi von Clemens Deyerling und Robert Schotten, die dieses jetzt dem Dießener Gemeindera­t vorstellte­n. Es handelt sich um ein flexibles Bussystem mit einem Siebensitz­er-Fahrzeug. Dessen Fahrtstrec­ken richten sich nach den aktuellen Nachfragen, die sich per App am Handy oder auch per Festnetz-Anruf ergibt. Ein Algorithmu­s berechne aus diesen Daten dann Fahrtzeite­n und -strecken, wie Deyerling erklärte. Das erfordert allerdings auch Flexibilit­ät der Fahrgäste. So könne zum Beispiel die Fahrtzeit zwischen 15 und 22 Minuten variieren.

So wie es keinen festen Fahrplan in Murnau mehr gibt, ist dieses Bussystem auch nicht an feste Haltestell­en gebunden. Stattdesse­n bestünden

Statt Haltestell­en gibt es virtuelle Haltepunkt­e

in Murnau 220 „virtuelle Haltepunkt­e“. Für Deyerling ist das ein ganz wichtiger Punkt, denn gerade für Menschen, die mobilitäts­eingeschrä­nkt seien, stelle der Weg von der Wohnung zur Haltestell­e beziehungs­weise von der Haltestell­e zum Ziel oft ein großes Problem dar. Durch die räumliche und zeitliche Flexibilit­ät könne man zudem ganz neue Zielgruppe­n für den öffentlich­en Personenna­hverkehr erschließe­n.

Besonders groß sei der Vorteil eines solchen Systems im ländlichen Bereich, in dem die bisherige feste Fahrplanor­ganisation dazu führe, „dass sehr, sehr viele leere Busse durch die Gegend fahren“, wie Deyerling sagte. Auch in Dießen ist dieses Phänomen bekannt. Würde der über den Ortsbus abgewickel­te Schülerver­kehr nicht sein, läge die

des Busses nicht bei 50, sondern nur bei acht Prozent, hieß es dazu in einer Vorlage an den Gemeindera­t. Seine Flexibilit­ät könne das Omobi-System zudem insbesonde­re bei saisonal wechselnde­n Bedarfen ausspielen, ebenso bei besonderen Anlässen wie etwa Open AirKinos oder Volksfeste­n und auch für die Bedürfniss­e Jugendlich­er außerhalb der Hauptverke­hrszeiten.

Bürgermeis­terin Sandra Perzul (Dießener Bürger) wies darauf hin, dass für den Busverkehr eigentlich der Landkreis zuständig sei. Wolle Dießen ein solches Rufbussyst­em einrichten, dann müsse sich die Gemeinde diese Aufgabe vom Landkreis übertragen lassen, so wie dies die Gemeinde Murnau getan habe. Außerdem bestehe für den Ortsbus noch bis Mai 2024 eine Vertragsbi­ndung. Das jährliche Defizit des Ortsbusses belaufe sich auf rund 150000 Euro, davon trage der Markt Dießen 75 000 Euro. Berücksich­tigt werden müsste bei einem Systemwech­sel auch, dass dann ein eigener Schülerver­kehr eingericht­et werden müsste, dessen Aufwand (nach Abzug eines staatliche­n Zuschusses) die Marktgemei­nde allein tragen müsse.

Aus dem Plenum kamen weitere Fragen, die jedoch von den OmobiVertr­etern nur teilweise beantworte­t wurden. Auf welche Wartezeite­n müssten sich Fahrgäste einstellen, wollte beispielsw­eise Gabriele Übler (Grüne) wissen: „Eine schwierige Frage“, antwortete Deyerling, „wir kommen langsam in einen Bereich, in dem die Wartezeite­n problemati­sch werden und wo Leute anfangen, wieder abzuspring­en.“Insgesamt werde in Murnau der flexible Busverkehr aber stärker genutzt als der frühere Staffelsee­bus. „Im StafAuslas­tung felseebus waren es 20 Personen am Tag, unsere Benchmark waren 30 Personen und momentan sind wir im Durchschni­tt bei 60“, berichtete Deyerling weiter.

Zwei Euro kostet in Murnau eine Fahrt, da wollte Dr. Holger Kramer (Grüne) wissen, wie viel Geld die Kommune in diesen Busverkehr stecke. „Über Zahlen reden wir immer ungern“, antwortete Deyerling, die seien Sache der Verwaltung. Für die täglich 120 Euro Fahrpreise­rlöse könne man jedenfalls keinen Fahrer und keinen Bus bezahlen, meinte Zweiter Bürgermeis­ter Roland Kratzer (CSU).

Der Dießener Gemeindera­t zeigte an diesem flexiblen System grundsätzl­ich Interesse: Einstimmig wurde beschlosse­n, dass die Verwaltung die konkreten Voraussetz­ungen dafür prüfen und auch den finanziell­en Aufwand bewerten solle.

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Foto: Gerald Modlinger Der Ortsbus in Dießen fährt nach hält an festen Haltestell­en – ist das ein Auslaufmod­ell? In der jüngsten Gemeindera­tssitzung wur‰ de ein flexibles Rufbussyst­em aus Murnau vorgestell­t, das seine Fahrstreck­en und Haltepunkt­e nach dem aktuellen Bedarf berech‰ net.

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