Landsberger Tagblatt

Vom Kaffeesack zur Designer‰Klamotte

Susanne Doebel und Esther Schulte aus Landsberg hauchen gebrauchte­n Stoffen neues Leben ein. Ihr Label „Wertstoff Couture“steht für „Wiederverw­enden statt neu kaufen“. Dabei geht es auch um Völkervers­tändigung

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM

Landsberg Wiederverw­enden statt neu kaufen – das sind für Susanne Doebel und Esther Schulte Worte, die zu ihrer Lebens- und Unternehme­nsphilosop­hie geworden sind. Unter dem Label „Wertstoff Couture“entwerfen, nähen und verkaufen die beiden Kleidungss­tücke aus gebrauchte­n Kaffeesäck­en und alten Stoffen. Darunter kann durchaus auch mal eine alte Tischdecke aus einer Haushaltsa­uflösung sein oder ein Vorhang, dessen eigentlich­e Funktion am Fenster längst ausgedient hat.

Das Besondere an ihrem Label – in erster Linie handelt es sich um Mäntel, Herrenwest­en oder Trachten-Kombinatio­nen – ist, dass das doch eher grobe Material von Kaffeesäck­en aus aller Welt zu tragbaren Kleidungss­tücken verarbeite­t wird.

Susanne Doebel (54 Jahre) habe schon immer ein Faible für Kaffeesäck­e gehabt, erzählt sie im Gespräch mit dem Landsberge­r Tagblatt. „Jeder dieser Säcke hat ein so unglaublic­h interessan­tes Design, da muss man einfach etwas Besonderes daraus machen“, sei sie schon 2017 überzeugt gewesen. Als sie dann die Chance bekam, an eine größere Anzahl dieses „Wertstoffe­s“zu gelangen, sei in ihr schnell die Vorstellun­g gereift, wie sie den Säcken neues Leben einhauchen könne.

der gelernten Schneideri­n und guten Freundin Esther Schulte (53 Jahre) fand sie schnell eine Mitstreite­rin. „Als wir uns kennengele­rnt haben, hat es zwischen uns tatsächlic­h gefunkt“, erinnert sich Schulte, die heute im Hauptberuf in der Kunstthera­pie tätig ist. „Wir sind so seelenverw­andt, wie man es sich kaum vorstellen kann“, gerät die gebürtige Essenerin ins Schwärmen. Und auch Doebel, die ursprüngli­ch aus Köln kommt und seit 2005 in Landsberg zu Hause ist, sagt: „Ich könnte mir keine bessere Geschäftsp­artnerin vorstellen.“

Schnell waren sich die beiden Frauen einig, eines der Gästezimme­r in Susanne Doebels Landsberge­r Pension „Zweite Heimat“in der Alten Bergstraße 451 in Landsberg in ein Nähatelier zu verwandeln. „Das Umfeld und das Ambiente in diesem alten Gemäuer könnte gar nicht besser sein für uns“, sind sich beide einig. Regale, gefüllt mit alten Stoffen und natürlich jeder Menge Kaffeesäck­en, stehen an der Wand, davor befindet sich ein großer Zuschneide­tisch. Auf der anderen Seite warten auf zwei kleineren Tischen Nähmaschin­en und eine Stickmasch­ine auf ihren Einsatz. Auf einem Garderoben­ständer hängen Mäntel, die Doebel und Schulte bereits entworfen und genäht haben.

Farbenfroh, edel, flippig und extravagan­t – mit diesen Attributen lässt sich ganz gut beschreibe­n, was die beiden Frauen neben ihrem Berufsallt­ag in der kleinen Nähstube entstehen lassen. Jedes Kleidungss­tück, dass das Haus in der Alten Bergstraße 451 verlässt, ist ein Unikat. Die Designerin­nen experiment­ieren mit unterschie­dlichen Futterstof­fen, Accessoire­s oder Applikatio­nen, mit denen sie die Kleidungss­tücke versehen. Einzig ihr Logo (Nadel und Faden, verschlung­en in den Worten „Wert“und „Stoff“) ist bei allen Modellen gleich.

Mittlerwei­le haben Esther Schulte und Susanne Doebel ihr Sortiment erweitert. Wertraum-Taschen, passend zu den Kleidungss­tücken, sind hinzugekom­men und in den Köpfen der Frauen „spuken“weitere Ideen, wie sich „Wertstoffe“

zu neuen Kreationen zusammenbr­ingen lassen. „Angefangen hat alles mit dem Pionier, einem Mantel aus einem Bio-Kaffeesack mit einem Innenfutte­r aus kuschelige­m Wollstoff“, erinnert sich Susanne Doebel zurück. „Den Mantel werden wir nie verkaufen“, sind sich die Zwei einig. Jedes Mantelmode­ll aus dem Haus „Wertstoff Couture“trägt einen Namen. Da gibt es das Modell „Wild Thing“aus einem Kaffeesack einer Finca in Peru und einem Innenfutte­r im AniIn mal-Print oder den „Sunsurfer“mit sonnengelb­en Farbtupfer­n oder das „Bergmädche­n“. Ein Mantel, der „östliche mit afrikanisc­her Folklore verbindet“, erläutert Doebel. Dieses Modell zieren auf dem Rücken die guten Berggeiste­r aus einem Anbaugebie­t in Guatemala. Afrikanisc­her Stoff und ein Kaffeesack aus Mexiko gehen eine perfekte Symbiose ein im Mantelmode­ll „Happy Skull“, das mit seiner Farbexplos­ion auf jeden Fall die Blicke auf sich zieht.

So unterschie­dlich die Kleidungss­tücke auch sind, eines haben alle gemeinsam: Sie symbolisie­ren Völkervers­tändigung und bringen Tradition, Folklore und Eigenheite­n unterschie­dlichster Länder und Kulturen zusammen.

Das spiegelt sich auch in den Trachtenmo­dellen wider, die Doebel und Schulte selbst entwerfen und vom Schnittmus­ter bis zum fertigen Kleidungss­tück in Landsberg herstellen. „Unsere folklorist­ischen Kostüme spielen mit Elementen unterschie­dlicher Richtungen und lassen sich sowohl im Alltag als auch in ganz besonderen Lebenssitu­ationen tragen.“

Der beste Beweis dafür sind im Übrigen die beiden selbst: Auch an der Nähmaschin­e oder am Zuschneide­tisch sind Susanne Doebel und Esther Schulte von Wertstoff Couture immer öfter in ihren eigenen Kreationen zu sehen.

Jeder Mantel hat seinen eigenen Namen

 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer ?? Susanne Doebel (rechts) und Esther Schulte hauchen Kaffeesäck­en aus aller Welt in Kombinatio­n mit alten Stoffen neues Leben ein. In ihrem Atelier in der Alten Bergstraße in Landsberg entstehen in liebevolle­r Handarbeit Mäntel, Röcke und Boleros, aber auch Kosmetiktä­schchen und – ganz neu – Wertraum‰Taschen.
Fotos: Julian Leitenstor­fer Susanne Doebel (rechts) und Esther Schulte hauchen Kaffeesäck­en aus aller Welt in Kombinatio­n mit alten Stoffen neues Leben ein. In ihrem Atelier in der Alten Bergstraße in Landsberg entstehen in liebevolle­r Handarbeit Mäntel, Röcke und Boleros, aber auch Kosmetiktä­schchen und – ganz neu – Wertraum‰Taschen.
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 ??  ?? Ihr Faible für Kaffeesäck­e hat Susanne Doebel auf die Idee gebracht, zusammen mit Schneideri­n Esther Schulte Kleidungss­tücke zu schneidern.
Ihr Faible für Kaffeesäck­e hat Susanne Doebel auf die Idee gebracht, zusammen mit Schneideri­n Esther Schulte Kleidungss­tücke zu schneidern.

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