Ein etwas anderer Weg zum Weihnachtsfest
Das Frauentragen in Dießen erinnert an die Herbergssuche. So läuft der Brauch in Dießen ab
Jedes Kind weiß, was ein Adventskalender ist. Die sind heutzutage nicht nur mit nostalgischen Miniaturbildchen hinterlegt, mit denen Kinder durch die 24 Dezembertage bis zur Heiligen Nacht navigiert werden. In Dießen gibt es noch einen weiteren, aber weit weniger bekannten Wegweiser durch den Advent: das Frauentragen.
Das Frauentragen gehört zu den christlichen Überlieferungen aus dem Alpenraum. Manche Quellen siedeln den Brauch in der Frömmigkeit des Barocks an. Demnach steht die vorweihnachtliche Zeit im Zeichen von Weg, Aufbruch und Wandern am Beispiel der Heiligen Familie: Maria besucht ihre Cousine Elisabeth, dann macht sie sich mit Josef auf den Weg nach Bethlehem. Sie scheitern an der Herbergssuche, und Maria bringt ihr Kind im Stall zur Welt. Dann ziehen auch die Hirten los und suchen das Kind – so sind Gott und Mensch unterwegs zueinander. Diese Ereignisse verbinden sich symbolisch im „Frauentragen“, bei dem vom ersten Advent bis zur Heiligen Nacht ein Bildnis der schwangeren Maria von Haus zu Haus getragen und von Familie zu Familie weitergegeben wird. Wo Maria einkehren darf, steht sie einen Tag und eine Nacht im Mittelpunkt.
In Dießen ist Anneliese Wernseher mit ihrer Familie in St. Georgen seit Jahren Gastgeberin für Maria. Dafür richtet sie in der guten Stube einen Platz für das Marienbild ein, schmückt es mit Tannengrün und Kerzenlicht. In der heimeligen Stimmung verbringt die Familie den Abend miteinander, bevor sie das Marienbild am nächsten Tag weiterträgt.
Monsignore Werner Schnell hat während seiner Dießener Zeit zwischen 1996 und 2000 eine Ikone für das Frauentragen restaurieren lassen. Bei dem Bild, so hat es Schnell aufgeschrieben, handelt es sich um ein „auf alt“behandeltes Holz mit einer italienischen Malerei in „Maniera greca“. Das Vorbild dürfte eine Malerei des 16. Jahrhunderts sein. Die Marienbild-Ikone ist dem Gnadenbild-Typus zuzuordnen, der – beeinflusst von Byzanz – die Ostund Westkirche bereichert hat.
Vor 25 Jahren haben Max Schwarz, Vorsitzender der Katholischen Arbeitnehmerbewegung Dießen, und Sepp Kaindl vom Heimatund Trachtenverein das Frauentragen in Dießen neu begründet und so lange durchgeführt, bis es von der Pfarrei übernommen wurde.
Wie es dazu kam? „Do samma z’amma g’hockt und ham g’redt. Im Wirtshaus. Auf oimoi war d’ Red’ vom ‚Frauentragen’“, erinnern sie sich. „Gerade im Corona-Advent ist es eine Möglichkeit, vor allem Kindern das Geschehen rund um die Heilige Nacht nahe zu bringen.“
Jetzt wünschen sich die zwei, dass besonders junge Familien als Gastgeber
auftreten für die Mutter Gottes. Wer mitmachen will, meldet sich noch rasch im Pfarramt (Telefon 08807/948940) oder bei der Pastoralassistentin Ruth Hoffmann (Telefon 08807/9489422) an.