Landsberger Tagblatt

Gastwirte in der Krise

Es ist Januar, und noch immer sind die Novemberhi­lfen nicht ganz ausbezahlt. Die Gastwirte im Landkreis Landsberg brauchen das Geld dringend. Trotzdem sind nicht alle von ihnen gegen den aktuellen Lockdown

- VON DANIEL WEBER

Auch die Gastwirte im Landkreis Landsberg warten noch immer auf die versproche­nen Novemberhi­lfen. Das LT hat mit einigen über ihre Situation gesprochen.

Landkreis Die Stimmung vieler Wirte im Landkreis Landsberg ist auf dem Tiefpunkt. Der Corona-Lockdown gefährdet ihre Existenz. Auf Nachfrage des LT berichten sie von leeren Kassen und noch immer fehlenden Novemberhi­lfen. Stefanie Rüdel, Inhaberin des Metzgerwir­t in Hurlach, hat sogar in einem offenen Brief an den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder und Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger ihre prekäre Lage geschilder­t.

Schon im ersten Lockdown habe sie für laufende Kosten wie Leasingrat­en von Küchengroß­geräten und Sozialabga­ben auf private Rücklagen zurückgrei­fen müssen, sagt Ste‰ fanie Rüdel. Um nach der ersten Schließung wieder öffnen zu dürfen, habe sie weiter zahlen müssen, sagt Rüdel: „Ich habe rund 10000 Euro in Hygienemaß­nahmen investiert.“Nach dem ersten Lockdown habe sich ihr Betrieb zwar etwas erholt, aber am 2. November wieder schließen müssen. „Ich habe ein gesundes

Unternehme­n, aber jetzt wird es schon eng“, gibt die Wirtin zu.

Die Novemberhi­lfe habe ihr Steuerbera­ter am 26. November beantragt, am 2. Dezember sei bereits eine Abschlagsz­ahlung über 10000 Euro gekommen. Doch dann habe sich lange nichts getan. Dabei sollte Rüdel 75 Prozent des Umsatzes vom November 2019 bekommen, nach Abzug des Kurzarbeit­ergelds wären das noch knapp 69000 Euro. Erst vor wenigen Tagen habe sie noch einmal 34400 Euro erhalten, der Rest fehle noch immer. „Meine Fixkosten für Dezember sind aber längst abgebucht worden.“

Gudridur Wei߉Sigurdardó­ttir, Mitinhaber­in des Fischerwir­t in Landsberg, hat ebenfalls nur am 29. Dezember eine Abschlagsz­ahlung bekommen, etwa die Hälfte des beantragte­n Geldes. Der Fischerwir­t bietet Essen zum Mitnehmen an, doch die Einnahmen reichten nicht aus, um die laufenden Ausgaben zu decken. „Man muss eben auf das eigene Geld verzichten und auf private Ersparniss­e zurückgrei­fen“, sagt Weiß-Sigurdardó­ttir pragmatisc­h. Trotz der schwierige­n Lage fordert sie nicht, die Gaststätte­n wieder zu öffnen: „Wenn sowieso alles zu ist, sollten wir dann offen haben? Ich freue mich nicht darüber, aber ich sehe es ein.“

Dass sie den Betrieb aufgeben müsse, befürchte sie derzeit nicht. „Wenn man mit der Familie versucht, so etwas zu stemmen, geht das immer irgendwie, weil jeder auf sein Geld verzichtet.“Sie hoffe, dass sich die Lage wieder normalisie­re, wenn es wärmer wird und die Gäste draußen sitzen können. „In einem guten Frühjahr kann das schon Mitte März sein.“

Die Novemberhi­lfen berechnen sich eigentlich aus dem Umsatz des Vorjahresm­onats. Was aber, wenn eine Gaststätte noch gar nicht so lange offen hat? Die Antwort weiß Die‰ ter Bönsch, Inhaber des Vogelhäusl in Landsberg. Er hat erst im September 2020 eröffnet. „ Ich konnte auswählen, ob ich den Zeitraum seit Beginn der Geschäftse­röffnung oder den Monat Oktober als Vergleichs­wert möchte, und habe mich für den Oktober entschiede­n.“Innerhalb von fünf Tagen sei die Hälfte der Summe auf dem Konto gewesen, der Rest fehlt noch. Auch Bönsch bietet Essen zur Selbstabho­lung an, die Umsätze seien aber überschaub­ar. Das ganze Geschäft sei sehr schwankend, Planung und Einkauf schwiewaru­m rig. „Wir haben uns schon überlegt, wieder zuzumachen. Es ist schade, wenn man Ware wegwerfen muss.“

Den Lockdown könne Bönsch nur überstehen, weil sein Vermieter ihm sehr entgegenko­mme. Auch er hofft auf wärmere Tage und damit verbundene Lockerunge­n. Allerdings stelle sich dann ein anderes Problem: „Sobald es losgeht, brauchen meine Lebensgefä­hrtin und ich wieder Mitarbeite­r.“Kurzfristi­g ein Team zu finden, sei aber schwer.

Mit Auszahlung­sverzögeru­ngen bei den Novemberhi­lfen kennt sich Ivo Opacak vom Alten Wirt in Geltendorf nicht aus – er hat sie noch nicht beantragt. „Sonst muss ich sie am Schluss noch als Gewinn anrechnen und versteuern und irgendwann zurückzahl­en.“Er habe das Personal komplett herunterge­fahren und die Gemeinde sei ihm mit der Pacht entgegenge­kommen. Damit reichten die Einnahmen gerade so aus. Er verkauft Gerichte zur Selbstabho­lung, liefert aber nicht: „Dazu bräuchte ich spezielle Einrichtun­g, ein Fahrzeug, Warmhalteb­oxen und so weiter.“Im ersten Lockdown sei das Geschäft besser gelaufen, berichtet Opacak. „Die Tage waren länger, die Leute besser gelaunt und sie haben mehr bestellt.“Er selbst findet die Schließung­en in Ordnung: Es müssten alle zusammenha­lten, damit es wieder besser wird.

Laut Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r Dehoga Bayern, ist die Lage vieler Gastwirte in Bayern verzweifel­t. „Viele haben Angst um die Existenz ihrer Betriebe, ein Viertel überlegt sich bereits konkrete Schritte für die Betriebsau­fgabe.“Das liege auch an den noch ausstehend­en

Ein Teil des Geldes vom November fehlt noch immer

Die IHK braucht Software vom Bund für die Zahlungen

Entschädig­ungszahlun­gen. „Seit Dienstag laufen aber endlich die Auszahlung­en“, berichtet er. Die Novemberhi­lfen werden von der IHK verteilt, die dafür allerdings eine Software vom Bund braucht. „Sie haben zuerst eine Beantragun­gssoftware bekommen, dann eine Bearbeitun­gssoftware und jetzt eine Bewilligun­gssoftware“, sagt Geppert. Softwarepr­obleme hätten für weitere Verzögerun­gen gesorgt, nur eine Abschlagsz­ahlung habe es schnell gegeben. Die Beantragun­g der Novemberhi­lfe Plus sei immer noch nicht möglich. Sie gilt für Beträge über eine Million Euro – große Betriebe oder verbundene Unternehme­n erreichen diese Grenze schnell. Das Wirtschaft­sministeri­um plane diesen Teil erst für Anfang Februar, sagt Geppert. Und für die Dezemberhi­lfe gebe es auch noch keinen festen Starttermi­n.

Von „gravierend­en Auswirkung­en der Pandemie und des Lockdowns auf das bayerische Gastgewerb­e“spricht das Bayerische Landesamt für Statistik. Der Novemberum­satz ist laut vorläufige­r Zahlen um 66,5 Prozent im Vergleich zu 2019 gesunken, die Zahl der Beschäftig­ten geht um 27,4 Prozent zurück.

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 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer ?? Im Gasthof Alter Wirt in Geltendorf können die Kunden ihr Essen bei Gastronom Ivo Opacak abholen. Wegen der immer noch feh‰ lenden Novemberhi­lfen hat Stefanie Rüdel vom Metzgerwir­t in Hurlach einen offenen Brief an Markus Söder geschriebe­n. Dieter Bönsch hat das Vogelhäusl in Landsberg erst kurz vor dem zweiten Lockdown eröffnet.
Fotos: Julian Leitenstor­fer Im Gasthof Alter Wirt in Geltendorf können die Kunden ihr Essen bei Gastronom Ivo Opacak abholen. Wegen der immer noch feh‰ lenden Novemberhi­lfen hat Stefanie Rüdel vom Metzgerwir­t in Hurlach einen offenen Brief an Markus Söder geschriebe­n. Dieter Bönsch hat das Vogelhäusl in Landsberg erst kurz vor dem zweiten Lockdown eröffnet.
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